Budget: Österreichs anhaltender ökonomischer Sinkflug

Der Finanzminister spricht von „ein paar schwierigen Jahren“. In Wirklichkeit stecken wir inmitten eines historischen Umbruches, aus dem es keine absehbare Erholung gibt. Fünf Jahre wirtschaftliche Schocks schicken Österreichs Wirtschaft und die öffentlichen Budgets auf Talfahrt. In allen volkswirtschaftlichen Indikatoren ist Österreich im europäischen Vergleich ins unterste Drittel gerutscht und eine Trendumkehr ist nicht greifbar. Das Budget ist außer Rand und Band, der Lebensstandard der Massen steht von jeder Seite unter Druck. von Emanuel Tomaselli.
Die politisch und moralisch kaputte ÖVP tat in den vergangen fünf Jahren alles, um die wachsende gesellschaftliche Polarisierung durch öffentliches Geld zuzukitten („koste es, was wolle“, Sebastian Kurz) und den wahren Zustand der öffentlichen Finanzen zu verschleiern. Jetzt wissen wir: Die vergangene Regierung hinterließ ein Rekorddefizit von 4,7% des BIP und eine Staatsschuldenquote von 81,8%.
Eine Studie der Nationalbank („Was ist schuld am Budgetdefizit?“) argumentiert, dass staatliche Ausgaben zentral für das Defizit sind. Die COVID-19– und Energiezuschüsse an Unternehmen werden als zentrale Ausgabentreiber genannt, dann Klimabonus und Strompreisbremse sowie der Versuch, die Einkommen an die Teuerung anzupassen. Pensionen und öffentliche Gehälter wurden in den vergangenen Krisenjahren über Inflation angehoben, wohl wegen der anstehenden Wahlen. Noch eine interessante Beobachtung der Studie: Bei Gesundheit und Pflege sind die Ausgaben seit 2019 mit der gleichen Dynamik gewachsen wie vor der COVID-Krise. Dafür stiegen die Ausgaben für Verwaltung und Sicherheit seit 2019 viel höher als in den Jahren zuvor und auch Investitionen in den öffentlichen Verkehr.
Die genannten Ausgabentreiber sind (fast) alle Geschichte: die Covid-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (Cofag) ist in Abwicklung. An welche Unternehmen und Persönlichkeiten die 15,8 Mrd.€ geflossen sind, wird unklar bleiben, Leute wie Benko und Pierer profitierten jedenfalls privat davon.
Klimabonus und Strompreisbremse sind jetzt beendet, ein Großteil der aktuellen Einsparungen im Infrastrukturministerium ist die Absage oder Verschiebung von ÖBB-Investitionen. Nulllohnrunden für öffentliche Beschäftigte sind im Strategiebericht der Koalition bereits festgehalten (auf eine Mitwirkung der Gewerkschaft wird explizit hingewiesen). Anders gesagt: Die Massen sollen Zahlen.
Der Ausgabeposten, der im vorliegenden Budget dynamisch weiter erhöht wird, ist die Sicherheit, insbesondere das Bundesheer. Im Gleichklang mit internationaler Aufrüstung sollen die Ausgaben fürs Militär bis 2032 auf 2% des BIP verdreifacht werden, Österreichs Generalstab hofft auf 8-10 Mrd.€ jährlich. Der zweite Faktor, der dynamisch steigt, sind die Zinszahlungen für die Staatsschulden, die sich verdoppeln.
Und trotzdem: Obwohl 2025 & 26 insgesamt 15,4 Mrd.€ im Bundesbudget eingespart werden, sinkt das Defizit nächstes Jahr nur auf 4,2% des BIP, erst zum Ende der Legislaturperiode soll das Maastricht-Ziel von 3% gesamtstaatlicher Neuverschuldung unterschritten werden. Dann liegt die Staatschuldenquote aber bereits bei 87% des BIP und wir zahlen jährlich 13,4 Mrd.€ an Zinsen für die Staatschulden (2,4% des BIP; alle Angaben vom Finanzministerium).
Vergangene politische Entscheidungen sind nur ein Element der österreichischen Misere. Schwerer wiegt die besonders tiefe Krise des Kapitalismus in Österreich: letzter Platz beim Wirtschaftswachstum, dafür ganz weit vorn bei der Inflation, öffentlichem Defizit und Staatsverschuldung. So lautet der Befund des Standortes Österreich. Im Vergleich zu 2019 (dem Jahr vor Corona) ist Österreichs Bruttoinlandsprodukt real um lediglich 0,6% gewachsen, pro Einwohner sogar um 2,8% gefallen. Seit 2022 (Beginn des Ukrainekrieges) ist die Industrieproduktion um 25,5% eingebrochen, die gesamte Teuerung der Jahre 2022, 23 und 24 beträgt 20,5%. Die Arbeitslosigkeit ist im Steigen begriffen, sie liegt aktuell bei 7,3%, 312.000 sind auf Arbeitssuche.
Die aktuelle Wirtschaftskrise ist die längste der Zweiten Republik. Im Jahr 2024 ist die Wirtschaftsleistung um 1,2% gefallen. Warenexporte: -5,9%, Bau: -4,4%, Handel: -1,7%, produzierendes Gewerbe: -5,5%, Metallindustrie: -7,8%. Die Investitionen fielen um 3,4%, der private Konsum stagnierte. Die Inflation betrug 2,9%.
Im Jahr zuvor war es nicht besser, die Gesamtwirtschaftsleistung sank 2023 um 1%, die Produktionsleistung der Metallindustrie um 8%.
Für 2025 ist ein neues Minus der Wirtschaftsleistung (-0,3%) prognostiziert. Warenexporte: -1,5%, Bau: +0,5%, Konsum: +0,2 %, produzierendes Gewerbe: -3%, Investitionen: -0,7%. Die Inflation soll heuer 2,5 % betragen.
Nach drei Jahren schrumpfender Wirtschaft soll zur Jahresmitte die Trendumkehr folgen, so die Wirtschaftsforscher – einmal mehr. Ein größerer Wachstumsimpuls sei durch die schuldenfinanzierte Infrastruktur und Aufrüstungsoffensive in Deutschland für 2026 zu erwarten (daher der Umschwung in der Bauwirtschaft), negativ wirkt sich Trumps Handelskrieg, die rasch wachsende Konkurrenzfähigkeit Chinas auf den Weltmärkten und der anhaltende Ukrainekrieg aus.
Die Sanierung der Bundesbudgets erfolgt zu etwa 80 % durch Massenbelastungen (Klimabonusabschaffung, Lohnsteuer, Gebührenerhöhungen), die Unternehmenssteuern werden jedoch um einen Prozentpunkt gesenkt (Entlastung: 500 Mio.€). Die erhöhte Bankenabgabe (plus 700 Mio.€) wird 2027 schon wieder abgeschafft.
Man könnte glauben, dass höhere Gebühren, teures Klimaticket und schleichende Lohnverluste durch die kalte Progression schmerzhaft aber verkraftbar sind. Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Länder, Gemeinden und die Sozialversicherungen schreiben auch tiefrote Zahlen und auf allen Ebenen sind die Einsparungen in Planung.
Die Sozialversicherungen bekommen mehr Einnahmen durch die Erhöhung der Abgaben der Pensionisten, die mit 600 Mio.€ im Jahr mehrbelastet werden, plus die Erhöhung der e-card-Gebühr für alle. Dies reicht aber nicht, um das Jahresdefizit von über einer Milliarde auszugleichen. Daher sind hier Leistungskürzungen in Planung. Beim größten Versicherer der ÖGK kommt eine Bewilligungspflicht für MRT-Untersuchungen, Selbstbehalte bei Krankentransporten und orthopädischen Behelfen, gewisse Bluttests werden kostenpflichtig. Bei Physiotherapien erhöht die ÖGK den Druck auf die Vertragsärzte, Verschreibungen zu reduzieren, Vorsorgeuntersuchungen für Hautkrebs wurden auch schon gestrichen und Zahnfüllungen werden seit 1.1. nicht mehr übernommen. Kurz: Bei der Gesundheit werden ständig Leistungen eingespart und in den privaten Bereich gedrängt.
Auf Landesebene wird großer Druck auf Krankenhausschließungen ausgeübt. Auf Gemeindeebene kann nur bei Infrastruktur vom Freibad bis zur Straßenerhaltung eingespart werden.
Gänzlich unangetastet hingegen bleibt die kostspielige Struktur der Republik mit ihren Ländern, Kleinstgemeinden, Parteiförderung und vielen Kammern – sie dienen der politischen Stabilität. Die Medienkonzerne sollen weniger öffentliche Werbung bekommen, aber deren Printprodukte bekommen Jugendliche in Zukunft gratis.
Die politischen Vertreter der Geldbesitzer sind mit dem Budget ebenfalls nicht zufrieden. Sie drängen danach, die gesellschaftliche Umverteilung von Reichtum zu ihrer Klasse zu beschleunigen. Tatsächlich: Trotz der Massenbelastungen soll der Anteil der Sozialausgaben konstant bei 20,3% der Budgetausgaben bleiben. Dies ist vor allem der älter werdenden Gesellschaft geschuldet: Pensionen und Pflegebedarf nimmt zu. In den Augen der Kapitalisten sind dies weitgehend unproduktive Ausgaben, die weit stärker gekürzt werden sollten, als das jetzt der Fall ist. Die SPÖ stimmte bereits einer Evaluierung der Pensionsausgaben zu und Finanzminister Marterbauer kündigte in der Budgetrede an, dass die Verschiebung der Pflegeleistungen in den Privatsektor geplant ist. Diese großen Brocken sind also in der Vorbereitung.
Die Bürgerlichen wollen stattdessen „Zukunftsinvestitionen“. Darunter verstehen sie die Ausbildung von ihren Arbeitskräften, die Finanzierung von Forschung und die Übernahme von unternehmerischem Risiko durch den Staat. Gleichzeitig wollen sie auch eine niedrigere Staatsquote, also mehr Reichtum unter ihrer direkten Kontrolle.
Tatsächlich aber steigt die Staatsquote permanent an (auch in den kommenden Jahren), eine typische Erscheinung im Imperialismus, dem höchsten Stadium des Kapitalismus, in der zunehmend nur noch die Profite der Banken und Konzerne „privat“ sind, Kosten und Risiko aber von der Allgemeinheit getragen werden.
Die Unternehmen machen Druck, um ihre Profite zu sanieren. Die Metallindustriellen fordern die Verbilligung der Arbeitskraft und staatliche Subventionen:
„Die obersten Ziele im Szenario mit den besten Rahmenbedingungen für die Industrie sind die Senkung der Lohnnebenkosten, konkurrenzfähige Energiekosten und Lohnabschlüsse, um die Lücken zwischen den davongaloppierenden Kosten in Österreich, verglichen mit Deutschland und dem Euroraum, einzudämmen.“
Der Branchenverband FMTI argumentiert, dass die Hälfte der Metallerbetriebe heuer Verluste schreiben wird und ebenso viele Betriebe über eine Verlagerung von Produktion ins Ausland nachdenken. Die Frühjahrslohnrunde zeigt es bereits: Die Löhne werden in Zukunft unter der Inflation steigen und die Kollektivverträge ausgelöchert und über lange Zeiträume gestreckt. Dies verschlechtert die Lage für alle Lohnabhängigen.
Die Bürgerlichen nutzen die SPÖ und die Gewerkschaftsführungen, um das Budget und die politische Situation zu stabilisieren. Die SPÖ-Parlamentarier argumentieren, dass mit den zwei Jahren Einsparungen Raum für „Offensivmaßnahmen“ geschaffen würde. Dies ist auf mehreren Ebenen falsch.
Es entspricht nicht den Zahlen, Fakten und Daten des Finanzministeriums, das eine über Jahre steigende Staatsverschuldung errechnet. Die Berechnungen beruhen auf Wirtschaftsprognosen, die schon in den vergangenen Jahren sich ständig als zu optimistisch herausstellten.
Und vor allem entspricht es nicht dem politischen Kräfteverhältnis in der Regierung, die sich auf neue Einschnitte bei Pensionen und Pflege festlegt, sowie ein exponentielles Wachstum der Militärausgaben durchsetzt. Von diesen Kriegsanstrengungen erwartet der Finanzminister sich – Wachstumseffekte! Wie tief sind die Reformisten bereit, noch zu sinken?
Es braucht harte soziale und politische Kämpfe, eine Arbeiterbewegung, vor der die Bürgerlichen Angst haben – dies ist die einzige „Offensivmaßnahme“, die was bringt. Das Budget ist die in Zahlen gegossene Zukunftsvergessenheit der Kapitalisten.
(Funke Nr. 234/28.05.2025)