Frühjahrs-KV: Es braucht eine gewerkschaftliche Kehrtwende!

Für 125.000 Beschäftigte der Papier-, Elektro-, Glas- und chemischen Industrie haben die Kollektivvertragsverhandlungen begonnen. Während die Industriellen Lohnverzicht und Schwächung der KVs fordern, fehlt es der Gewerkschaftsführung an einer Kampfstrategie. Von Martin Halder.
Die Chemie- und Elektrobosse haben in den Jahren 2020-2022 insgesamt über 7 Mrd. € an Gewinn geschrieben, wobei der größte Teil in die privaten Taschen der Kapitalisten geflossen ist. Eine ganze Reihe von Unternehmen (Infineon, AT&S, Siemens, Fronius) hat in den letzten Monaten und Jahren hunderte Stellen gestrichen, um die Profite zu retten. Nun fordert die Industriellenvereinigung (IV) Steiermark eine mehrjährige Nulllohnrunde oben drauf.
Die Verhandler der Gewerkschaften Pro-Ge und GPA stellen sich dem entgegen und nennen als Ziel eine „spürbare“ Lohnerhöhung über die rollierende Inflation (2,8 %) hinaus. Pro-Ge-Chef Reinhold Binder hält auch einen Abschluss für mehrere Jahre, wie bei den Metallern 2023, im Handel oder beim AUA-Flugpersonal (2024), für denkbar.
Das sehen wir anders. Jeder zusätzliche Monat, in dem ein ganzer Sektor nicht zu Versammlungen, Kundgebungen und Streiks mobilisiert werden kann, stärkt die Unternehmer, vereinzelt kämpferische Belegschaften oder Betriebsräte und schwächt die Kampfkraft unserer Klasse.
Die aktuelle Situation erfordert genau das Gegenteil. Es braucht eine gewerkschaftliche Offensive nicht nur in der Frage der Löhne, sondern für den Erhalt jedes Arbeitsplatzes – mit den Methoden des Streiks und der Betriebsbesetzung. Jede Werkschließung (zuletzt die Agrana-Zuckerfabrik in Leopoldsdorf), die von der Gewerkschaftsführung kampflos akzeptiert wird, ist eine Niederlage. Der entschlossene Arbeitskampf ist das einzige Mittel, mit dem wir die immer härteren Klassenkämpfe tatsächlich gewinnen können.
Weiters zeigt sich Binder auch bei einer „Härtefallklausel“ (Metaller 2023) gesprächsbereit. Diese Klausel ermöglichte es den Metall-Unternehmern, wenn es „die wirtschaftliche Situation des Betriebes“ erfordert, auf bis zu 30 % der Lohnerhöhung zu verzichten. 42.000 Beschäftigte sind bisher davon betroffen und haben somit Reallohnverluste.
In all diesen Fragen braucht es eine vollständige Kehrtwende der Gewerkschaftspolitik. Die Arbeiterklasse kann nur gewinnen, wenn sie in volle Konfrontation mit den Unternehmern geht und allen faulen Tricks, mit denen sie die Kollektivverträge schwächen wollen, eine Absage erteilt. Dafür werben wir.
(Funke Nr. 232/24.03.2025)