Die Zeitenwende ist da – Österreich-Perspektiven für 2025

Dieses Perspektiv-Dokument wurde im Dezember 2024 in einer Erstversion verfasst und nach einem demokratischen Diskussionsprozess am Parteitag der RKP am 16. März 2025 tief debattiert und verabschiedet. Es zeigt die Fortschreitende Krise des Weltkapitalismus und deren Ausdruck in Österreich.
Historische Einordnung
Wirtschaftskrise
Imperialismus und die neuen Weltbeziehungen
Europa und Amerika
Der Ukraine-Krieg
Wirtschaftsstandort Österreich kippt
Krise der bürgerlichen Demokratie
Krise der reformistischen Arbeiterparteien
Ökonomischer Klassenkampf und Gewerkschaften
Schlussfolgerungen
Es war einmal eine Welt, in der die Märkte expandierten und die Profite der Unternehmen stiegen. Die Widersprüche innerhalb der und zwischen den herrschenden Klassen der einzelnen kapitalistischen Nationalstaaten waren flach. Die widerstrebenden Interessen der Konzerne im Weltmaßstab ließen sich recht einfach „friedlich“ regulieren, der Kampf um Einflusszonen wurde subtil und unter dem Deckmantel des „freien Spieles der Marktkräfte“ ausgefochten. Unter Umständen musste mit einer „Polizeiaktion“ gegen diesen „Schurkenstaat“ oder jenes Terrornetzwerk mal die US-Armee und Luftwaffe eingreifen. Dies fand nach dem kalten Krieg die Zustimmung der UNO oder jedenfalls einer breiten „Koalition der Willigen“, die sich hinter der unbestrittenen Weltordnungsmacht USA versammelte.
Auch der Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit war gemildert, da der Kuchen insgesamt größer wurde. Das politische Regime der bürgerlichen Demokratie war stabil. Die Parteien konnten ihre Klientel in großen Organisationen organisieren, ideologisch zufriedenstellen und materiell in den Erfolg der Kapitalisten einbinden. Die Führer der Gewerkschaften, Betriebsräte, Landeshauptleute, die regionale Raiffeisenbank und der Pfarrer genossen gesellschaftliche Autorität unter „ihren Leuten“. Wer nur fleißig arbeitete, konnte sich ein gutes Leben erhoffen, zumindest besser als jenes der eigenen Eltern.
So war es nicht so schwer, in der Republik tragfähige politische Kompromisse zu finden oder eine ungefährliche und trotzdem erfolgreiche Teilopposition auszuüben. Die Auseinandersetzung um die Finanzierung des Staates und der Staatsschulden waren nur zu besonderen Zeiten (bei Steuerreformen und konjunktureller Flaute) Thema. Wahlen ergaben Verschiebungen in diese oder jene Richtung, aber immer stellten sie gute Konstellationen geprüfter politischer Akteure dar, die die politischen Geschäfte im Sinne des Finanzkapitals zuverlässig ausübten und dabei für Arbeiterklasse und Kleinbürgertum was übrigließen.
Das Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie, der Staatsapparat, trat als Regulations- und Unterdrückungsinstrument in den Hintergrund. Seine Institutionen wie der Bundespräsident, die Gerichte und Staatsanwälte und die Polizei schienen im Hintergrund mit sicherer und gerechter Hand für die Sicherheit und Gerechtigkeit der überwältigenden Mehrheit der Staatsbürger zu agieren.
Dies beschreibt die grundlegenden Züge in den entwickelten kapitalistischen Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg, und besonders den statischen Zustand Österreichs, das sich über Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg wirtschaftlich und damit politisch besonders stabil entwickelte.
Der Wiederaufstieg des wichtigsten Handelspartners Deutschland zur dominanten Wirtschaftsmacht Europas und in den 2000er Jahren zur Exportweltmacht zog Österreichs Industrie und Tourismus zuverlässig über Jahrzehnte mit nach oben. Der österreichische Kapitalismus profitierte aber auch von seiner geographischen Lage in der Mitte Europas und den guten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen über alle (System-)Grenzen hinweg. Seit 1969 versorgte die Sowjetunion und später Russland das Land ununterbrochen mit günstigem Erdgas, womit zuletzt über 22% des gesamten heimischen Energiebedarfs gedeckt wurde.
Die Weltwirtschaftskrisen von 1974 und der 1980er wurden durch andere Faktoren aufgefangen und (über-)kompensiert: Die historischen Verbindungen ermöglichten es dem österreichischen Kapital mit der Restauration des Kapitalismus in den stalinistischen Ländern in den 1990ern, rasch nach Osteuropa und auf den Balkan zu expandieren und sich dort führende Positionen zu sichern. Der Export von Kapital bedeutet umgekehrt den Import von Extraprofit und damit die materielle Möglichkeit, sich politische Stabilität in der Arbeiterklasse zu erkaufen, trotz Privatisierungswellen und Sparpaketen. Der Eintritt in die EU (1995) und die gleichzeitige Zerschlagung und Privatisierung der Verstaatlichten Industrie erweiterte den Markt zusätzlich. Auch die mit der Einführung des Euros (2002) einhergehende Sparpolitik, inklusive jahrelanger Lohnzurückhaltung durch die Gewerkschaften, stärkte die Profitabilität des österreichischen Kapitals und schob die Industrieproduktion an. Sie expandierte von 2000 bis heute um 75%, deutlich schneller als in Deutschland, dessen Industrieproduktion im gleichen Zeitraum nur um 18% wuchs.
Ein Goldenes Zeitalter der heimischen Kapitalisten! Die allgemeine Entwicklung des Weltkapitalismus und die spezifisch positiven Rahmenbedingungen für Österreichs Kapital konnten so über eine ganze Epoche relativen Wohlstand und Stabilität garantieren.
In den Perspektiven 2023 haben wir bewiesen, dass Österreich auf einer geopolitischen Erdbebenlinie liegt und diese Verschiebungen den Wirtschaftsstandort Österreich in eine spezifische strukturelle Krise stoßen, die von keiner Fraktion der Bourgeoisie in Österreich gelöst werden kann. Wir stecken inmitten dieses Umbruches.
Die alte Periode lebt nur noch als materielles und immaterielles Erbe der Vergangenheit weiter. Österreich wurde in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der reichsten imperialistischen Länder, charakterisiert durch politische Stabilität und Klassenzusammenarbeit. Dieser Wohlstand schmilzt dahin und der darauf aufbauende politische Überbau ist in der Krise. Das Bewusstsein der älteren Generationen ist von der Erinnerung an das Alte geprägt, die neuen Generationen der Klasse sind auf der Suche nach neuen Formen und Inhalten. Alle Teile der Gesellschaft werden durch die Krisen auf neue Wege gezwungen.
Der Schlüssel zum Verständnis Österreichs liegt in der Krise des Weltkapitalismus und seiner akuten internationalen Krisen.
Die Ursache der Krise im Kapitalismus ist die Überproduktion: Es werden zu viele Waren produziert, um sie profitabel am Markt zu verkaufen. Dies führt zu zyklischen Wirtschaftskrisen.
Die sogenannte „Immobilien-/Finanzkrise“ von 2008 war eine solche globale Überproduktionskrise. Die EZB und die anderen Zentralbanken retteten die Banken mit Milliardeninfusionen und pushten dann die Märkte durch die Ausweitung der Geldmenge wieder nach oben. Die globale Verschuldung liegt jetzt bei über 350% des weltweiten BIP und steigt weiter, ein Wert wie es ihn abseits der Weltkriege noch nie gegeben hat. Neue Staatsschuldenkrisen und Währungsinstabilitäten wurden hier vorbereitet.
Das Problem der Überproduktion kann durch die steigende Verschuldung aber nur hinausgezögert werden. Die Beschränkung der Konsumfähigkeit der Massen (die Sättigung des kapitalistischen Weltmarktes, der heute die gesamte Menschheit umfasst und nicht mehr ausgeweitet, sondern nur neuaufgeteilt werden kann), bei gleichzeitigem Expansionsdrang der Produktion muss immer wieder zur Überproduktion führen. Aufgrund der gleichzeitig steigenden Kapitalkonzentration werden die dadurch verursachten ökonomischen Verwerfungen (etwa der drohende Zusammenbruch der Banken im Jahr 2008, die aber „too big to fail“ waren und sind) tendenziell immer größer.
Von der Jahrtausendwende bis zum Ausbruch der Krise 2008 fing die rasch expandierende Industrie Chinas die Weltwirtschaft, die erstmals zur Jahrtausendwende strauchelte (Asien- und Dot.com-Krisen), auf. Europa und die USA lieferten die Maschinen und Chinas Fabriken versorgten die Welt mit günstigen Konsumartikeln. Die 2008er-Krise markiert einen tiefen Wendepunkt der Nachkriegszeit, die sogenannte „Globalisierung“ (die Ausweitung der weltweiten Arbeitsteilung) dreht sich in ihr Gegenteil. Seit 2017 zeigen sich in Chinas und auch Deutschlands Industrie Anzeichen für eine aufziehende Industriekrise, denen die chinesische Regierung eine straffe Initiative (Road-and-Belt-Expansion, erzwungene Fusionen, staatliche Förderungen …) entgegenstellt. Die aufgetürmten „chinesischen Überkapazitäten“ begannen seither den Weltmarkt zu überfluten. Zunehmender Protektionismus, die Fragmentierung des Welthandels und (Wirtschafts-)Nationalismus („America First“) bestimmen seither die Entwicklung des Weltkapitalismus. Aufrüstung und Krieg sind die logische Folge. Es ist die Fortführung des Wirtschaftsnationalismus mit militärischen Mitteln.
Der Imperialismus ist das höchste und letzte Stadium des Kapitalismus. Er baut auf dem alten Kapitalismus und seinen historischen Formen auf, ohne sie abzulösen, er unterwirft sie vielmehr der Diktatur des Finanzkapitals („der Kapitalmärkte“). Der Kapitalismus freier Konkurrenz wird zurückgedrängt von einer vertikalen und horizontalen Integration der Produktion in marktbeherrschende Monopole (Konzerne). Der Kapitalgeber für die Akkumulation der Produktion sind die Banken, die in den Konzern hinüberwachsen. Banken wandeln sich von reinen Kreditgebern (indem sie die Produktion bis zum Verkauf der Produkte vorfinanzieren) zu Anteilseignern und schließlich bestimmenden Faktoren der wirtschaftlichen, technischen und geographischen Ausrichtung der Konzerne. Es bildet sich das genannte Finanzkapital, was zunächst einmal nur eine Machtverschiebung innerhalb der herrschenden Klasse bedeutet: Der von der Bank entsendete Aufsichtsrat im Konzern hat ein stärkeres Gewicht in Unternehmensentscheidungen als der technische Leiter. Auf politischer Ebene unterwerfen die Monopole die Gesetzgebung einseitig ihrem Interesse. „Eine Finanzoligarchie spannt ein dichtes Netz von Abhängigkeitsverhältnissen über ausnahmslos alle ökonomischen und politischen Institutionen der modernen bürgerlichen Gesellschaft.“ (Lenin, Der Imperialismus). In Zeiten der existentiellen Bedrohung wird der Staat zum direkten Instrument der Konzerne. Die aktuell extremste Form davon ist der imperialistische Krieg.
Wir verzichten hier auf die Kritik historischer reformistischer Illusionen in die Möglichkeit politischer Regulierung des Imperialismus (Kautsky, etc.), weil die reformistischen politischen Kräfte heute offen im Lager ihrer jeweiligen Herren und ihren Kriegen stehen. Sie formulieren keine alternative Perspektive zum Imperialismus. Die Ideenwelt der „Multipolarität“, die sich sowohl aus isolationistischen (America First) als auch stalinistischen Politikansätzen nährt, gewinnt die Unterstützung auch unter Linken. Vertreter dieser Denkrichtung argumentieren, dass der Aufstieg neuer imperialistischer Mächte wie China oder Russland und die Etablierung von „Swing States“ (also Regionalmächten) wie Indien und die Türkei zu mehr Stabilität in den Weltbeziehungen führen könnte und sogar ein „alternativer globaler Raum“ mit neuen, „gerechteren“ Weltbeziehungen entstehen könnte. Das Gegenteil ist der Fall, Instabilität und Ausbeutung nehmen zu. Naive oder rechte Kapitalismuskritiker wiederum argumentieren, dass alles Übel nach einem Plan oder einer Verschwörung sinistrer Kreise ablaufen würde (wobei die Akteure frei miteinander austauschbar sind, die einen sehen dies in Putin und Trump, die anderen in Biden, Bill Gates oder der Wall Street). Auch diese Sichtweise ist völlig falsch.
Vielmehr ist es richtig, dass der Imperialismus und seine Funktionsweise sich spontan aus der kapitalistischen Produktionsweise herausentwickeln. Die Entwicklung der Produktivkräfte (Technik, menschliche Kultur und Wissenschaften, Maschinen, Industrie …) erfordert eine zunehmende Konzentration von Kapital: Eine Klappermühle kann ein Zimmermann (mit einigen Kenntnissen und Geschick) an jeden Bach hinstellen, ein Atomkraftwerk erfordert jedoch Grundlagenforschung, Technologie, Rohstoffe, ein Stromnetz, Kommunikationsmöglichkeiten, Welthandel und viel Kapital, also angehäufte tote Arbeit, die reinvestiert werden kann. Wir sehen, die Anwendung von Technologie erfordert die Konzentration von Produktion und eine weltweite Arbeitsteilung. Die neueste Entwicklungsstufe der Produktivkräfte, Datenverarbeitung in Echtzeit („Realtime“) und KI, erfordert eine neue Konzentration aller Kräfte, um profitabel entwickelt und eingesetzt zu werden: globale und riesige Datensätze, Supercomputer mit dem Energiebedarf von Nationalstaaten, sichere und leistungsfähige Netzwerke für Strom und Daten, eine sichere Versorgung mit Rohstoffen, ungeheure Mengen von Investitionskapital und die Kontrolle des gesamten Weltmarktes. Unter kapitalistischen Verhältnissen erfolgt diese Produktion jedoch anarchistisch und profitgetrieben. Die Interessen einzelner Konzerne (Lieferketten, Absatzmärkte, Einflusszonen) und nationaler Kapitalgruppen geraten in Konflikt miteinander.
In den vergangen 30 Jahren ist die durchschnittliche jährliche Arbeitsproduktivitätssteigerung in der Euro-Zone von 1,6% (1995-2001) auf 0,3% (2019 bis 2023) gefallen. Das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum seit 2002 liegt in den EU-27-Ländern bei 1,4%, in den USA bei 2% und in China bei 8,3%. Lenin erklärt:
„Das Finanzkapital und die Trusts schwächen die Unterschiede im Tempo des Wachstums der verschiedenen Teile der Weltwirtschaft nicht ab, sondern verstärken sie. Sobald sich aber die Kräfteverhältnisse geändert haben, wie können dann unter dem Kapitalismus die Gegensätze anders ausgetragen werden als durch Gewalt?“ (Lenin, Der Imperialismus) In dieser Analyse Lenins liegt der Schlüssel zum Verständnis der aktuellen Weltlage.
Die USA ist von einem relativen Niedergang begriffen und ihre globale Führungsposition von Mächten herausgefordert, die bisher auf Weltebene marginal waren. Spätkommende imperialistische Mächte müssen sich ihren Platz auf den Märkten erst erkämpfen, sie müssen daher „aggressiv“ (sei es ökonomisch oder letztlich auch militärisch) auftreten, während die alte Macht auf die Einhaltung der „regelbasierten Weltordnung“ besteht, es handelt sich ja um Regeln, die sie selbst in ihrem Interesse aufgestellt hat.
Auch wenn die USA herausgefordert wird, ist sie weiter die mit Abstand stärkste imperialistische Macht und verfolgt eine bewusste Strategie, um diese Führungsposition zu verteidigen. Sie führt im Bereich der Datenverarbeitung und -technologie, ihre Militärausgaben sind höher als die Militärausgaben der 10 nachfolgenden Staaten zusammen, 40% des Welthandels wird in Dollar gehandelt. Und auf der anderen Seite durchlebt China nicht nur eine massive wirtschaftliche und technologische Expansion, sondern auch alle kapitalistischen Krisen in kurzer Aufeinanderfolge und in höherem Tempo als in den westlichen imperialistischen Staaten: Immobilienblase, Explosion der Verschuldung, Monopolisierung, Überproduktion. Dennoch, der Widerspruch zwischen China und den USA ist evident und spitzt sich zu – egal welche Fraktion der herrschenden Klasse der USA im Weißen Haus sitzt.
China hat massive Handelsbilanzüberschüsse gegenüber den USA und der EU, ist technologisch auf der Überholspur und stößt an die militärische Macht der USA, die die zentralen Handelswege (selbst vor Chinas Häfen) seit dem 2. Weltkrieg militärisch kontrolliert. Die USA sehen in China daher eine „strategische Herausforderung“ die „eingedämmt“ werden muss. China bedrohe die „Interessen, Sicherheit und Werte“ hält die NATO fest. Erster Ansatzpunkt waren und sind Zölle gegen chinesische Waren, gefolgt von Tech-Sanktionen (um die technologische Führerschaft der USA in der Mikrochipproduktion zu verteidigen) und Daten-Sanktionen (gegen Huawei, TikTok, um die Hoheit über digitale Daten zu verteidigen). Die NATO hat die Allianz mittlerweile mit Australien und Neuseeland auf den Pazifik ausgedehnt. Die Botschaft ist klar: Die Beziehungen bleiben „friedlich“, solange China sich der USA unterordnet. Die EU versucht eine eigenständige Haltung zu China einzunehmen, aber schafft dies nicht. Einerseits ist China ein direkter Konkurrent der europäischen Industrie (Stahl, Autos, Green-Tech …), andererseits kann das in dutzende Nationalstaaten aufgespaltete Europa nur unter der Schirmherrschaft der USA eine innere Kohärenz aufrechterhalten.
Die aufsteigende Weltmacht USA nutzte die Widersprüche zwischen den ökonomisch und politisch erschütterten europäischen Nationalstaaten nach dem 1. Weltkrieg, um sich selbst zur dominanten politischen Macht am Kontinent aufzuschwingen, dies ist sie bis heute. Der politische Träger des US-Interesses innerhalb Europas war (und ist es noch immer, neue kamen dazu) die Sozialdemokratie, das Instrument der Kredit und die Ideologie die „Friedensstiftung“. Trotzki erklärt:
„Das amerikanische Kapital will sich eine exponierte Stellung schaffen, es will einen amerikanischen imperialistischen Absolutismus auf unserem Planeten verwirklichen – das ist sein Ziel. Was soll es mit Europa anfangen? Man sagt, es will in Europa den Frieden schaffen. Wie? Unter seiner Hegemonie. Und das bedeutet? Das bedeutet, dass man Europa gestatten will, innerhalb bestimmter, im Voraus festgesetzter Grenzen zu gesunden, wozu Europa bestimmte, fest umrissene Parzellen des Weltmarktes eingeräumt werden. Das amerikanische Kapital hat das Kommando in der Hand – die Diplomaten fügen sich. Ja, es geht daran, seine befehlshaberische Gewalt auf die europäischen Banken und Trusts, auf die europäische Bourgeoisie in ihrer Gesamtheit auszudehnen. Danach strebt es. Es wird die allen zukommenden Gebiete des Absatzmarktes zuschneiden, es wird die Tätigkeit der europäischen Finanziers und Industriellen normieren. Wenn man die Frage was will das amerikanische Kapital? – klar und präzise beantworten will, so wird man sagen müssen: Es will das kapitalistische Europa ‚auf Ration‘ setzen.“
Im Weltmaßstab ist Europa ein großer Balkan, dessen herrschende Klassen nur unter der Dominanz der USA friedlich miteinander auskommen. Nur so konnte aus der kriegerischen Rivalität der herrschenden Klassen Deutschlands und Frankreichs eine Achse Paris-Berlin als Motor der europäischen Einigung erzwungen werden. In Zeiten der kapitalistischen Expansion konnte Europa einen gemeinsamen Markt und eine gemeinsame Währung herausbilden, die Wirtschaftszone ausweiten und politische Institutionen entwickeln. Die Machtbasis der europäischen Konzerne sind weiter die einzelnen europäischen Nationalstaaten. Obwohl die „abstrakte Vernunft“ des Finanzkapitals (etwa Mario Draghi, siehe Funke 222) einen „Single Market“, europäische Großkonzerne und -banken, eine Zentralmacht mit starker europäischer Armee mit einer europäischen Ausrüstung, gemeinsame Raubzüge auf fernen Kontinenten etc. erträumt, ist die Entwicklung gegenläufig, zentrifugale Kräfte („Nationalismus“) gewinnen innerhalb und an den Rändern der EU an Momentum.
Die USA ist der einzige große Markt, mit dem die EU einen Handelsüberschuss hat. Gleichzeitig ist die EU abhängig von US-Hochtechnologie und von den USA dominierten Finanzmärkten. Dies erklärt, warum die deutsche Bourgeoisie sich nach einjährigem Zögern letztlich ganz hinter die Interessen der USA im Ukrainekrieg stellte und zum zweitgrößten Finanzier und Rüstungslieferanten der Kiewer Regierung wurde. Dies, obwohl die Handelsbeziehungen zu Russland für die deutsche und österreichische Bourgeoisie in der vorangegangenen Epoche einen essentiellen Wettbewerbsvorteil im Welthandel darstellten. Durch die von Washington erzwungen Sanktionen gegen Russland wurde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie am Weltmarkt erfolgreich untergraben. Die Verteidigung der Dominanz der USA in Europa ist dabei eine Konstante der Außenpolitik Washingtons und eine Voraussetzung für die USA um ihre Vorherrschaft im Pazifik zu verteidigen.
Während Joe Bidens Präsidentschaft wurde mit dem „Inflation Reduction Act“ eine aggressive industrielle Ansiedelungspolitik begonnen: Durch Investitionsförderungen und andere Anreize werden erfolgreich Investitionen und Produktion in die USA geholt – auch zulasten Europas –, während europäische Gegenprojekte, wie die Ansiedlung großer Batteriewerke in Deutschland oder in Skandinavien, nicht aus der Projektierungsphase herausgekommen oder spektakulär gescheitert sind (Pleite von Northvolt mit einem Schaden von bis zu 14 Mrd. € und dem vorzeitigen Ende des Traumes, europäische Batterien zu bauen). Die Präsidentschaft Trumps verspricht hier noch ruppiger zu werden. Er droht, allgemeine Schutzzölle (im Gegensatz zu Quoten und der Verzollung spezifischer Warengruppen) einzuführen, auch gegen Europa. Um dem zuvorzukommen, bietet EU-Kommissionschefin Van der Leyen unterwürfigst an, langfristig US-amerikanisches LNG (zu überhöhten Preisen) zu kaufen.
Zusammenfassend charakterisieren folgende Tendenzen den Weltkapitalismus heute im Allgemeinen: Fallende Arbeitsproduktivitäts- und Profitraten; Ablöse des freien Welthandels durch hektische Abfolgen von Störungen (Zölle) und Blockaden (Sanktionen) traditioneller Handelsbeziehungen, Aufstieg bilateraler Handels- und Sicherheitsabkommen, Etablierung neuer Währungen und Zahlungssysteme (Rubel, Yuan, Rupie …) im internationalen Warenaustausch; hohe und steigende öffentliche Verschuldung; steigende Rolle des Staates in der Wirtschaft; Umschichtung staatlicher Gelder von Sozialausgaben hin zu „produktiven Zukunftsinvestitionen“ inklusive Aufrüstung, beschleunigte Monopolisierung und Kapitalkonzentration; globale Energiekrise mit einer massiven Rückkehr fossiler Energiequellen und -technologien; Zunahme imperialistischer Konflikte und militärischer Aggression.
Der Krieg in der Ukraine ist die erste große imperialistische militärische Konfrontation der neuen Epoche. Der Ausgang dieses Kräftemessens ist von globaler Bedeutung für die Beziehungen zwischen den USA, der EU, sowie Russland und China. Das Ausmaß der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Instabilität in Europa, die Kräfteverhältnisse zwischen den Nationalstaaten innerhalb der EU und an ihren Rändern ist entscheidend von der Entwicklung in der Ukraine und der Ausgestaltung der Nachkriegsordnung abhängig. Der West-Balkan (dessen EU-Integration scheitert), Moldawien, aber auch EU-Staaten wie Ungarn, Bulgarien und Rumänien sind offen gegenüber Einfluss von China und Russland, andererseits sind die baltischen Staaten und Polen die organische Hauptstütze der USA innerhalb der EU. Diese Länder arbeiten an der Eskalation der Auseinandersetzung mit Russland, nicht des Chaos willen, sondern weil sie die Möglichkeit sehen, ihre eigene Position zu stärken.
Die IMT hielt im Jahr 2014 fest
„Die Rolle der USA in diesem Konflikt kann nur verstanden werden, wenn wir die internationale Stellung des US-Imperialismus in unsere Analyse einfließen lassen. Die USA haben kein direktes ökonomisches oder sonstiges Interesse an der Ukraine. Dennoch legten die CIA und die US-Administration seit Ausbruch der Euromaidan-Bewegung ihr ganzes Gewicht in die Waagschale und verschärften so den Konflikt, indem sie den Hardlinern in Kiew versicherten, dass sie einen mächtigen Verbündeten im Rücken hätten.
20 Jahre lang blamierten und provozierten die USA Russland, indem sie die Erweiterung der NATO nach Zentral- und Osteuropa betrieben und alle Länder, die vormals Teil des Warschauer Pakts gewesen waren, und selbst einige ehemalige Sowjetrepubliken, in die NATO integrierten. Die letzte Expansionsrunde der NATO (2004) sowie Rumsfelds Idee eines ‚neuen Europas‘ als Verbündeter der USA, entgegen dem ‚alten Europa‘ (sprich Frankreich und Deutschland, die damals zögerten, am US-Abenteuer im Irak teilzunehmen), zeigte, dass eine solche Politik zwei Ziele hatte: Auf der einen Seite sollte Russland eingeschüchtert werden, andererseits soll Europa gegenüber den USA weiterhin eine untergeordnete Rolle einnehmen. …
Aber die Einmischung der USA in der Ukraine hat ein anderes Ziel, wenn auch weniger offensichtlich, nämlich Deutschland und die EU. Indem die Beziehungen zwischen der EU und Russland aufgebrochen werden, wird auch die Basis des deutschen Kapitalismus, seiner Exportwirtschaft und seiner Energieversorgung (eine besonders kritische Frage für Deutschland und Italien, etwas weniger für Frankreich) geschwächt.
In den letzten paar Monaten hat Merkel versucht, passiven Widerstand gegen den Druck aus Washington zu leisten und Zeit zu gewinnen, um das Ausmaß der Sanktionen gegen Russland zu verringern und ein Übereinkommen zu finden, das ihre Interessen und ihre Beziehungen zu Russland schützen könnte. Doch am Ende jeder Etappe musste sie dem Druck ihres stärkeren ‚Verbündeten‘ nachgeben und, wenn auch widerwillig, die Eskalation akzeptieren. Die Wahrheit ist, dass in einem großen Konflikt zwischen Russland und den USA kein Platz für eine unabhängige Politik Deutschlands bleibt, 1. aufgrund seiner militärischen Schwäche und 2. aufgrund der mangelnden Einheit der EU. …
Prestige (oder in anderen Worten: die Glaubwürdigkeit der eigenen Drohungen) ist nicht der unbedeutendste Teil jeder Außenpolitik.
Eine wirkliche Übereinkunft wäre nur mit der vollen Mitwirkung sowohl Russlands als auch der USA möglich, aber gegenwärtig würde dies de facto eine Kapitulation Putins voraussetzen. Russlands Präsident wirkt aber nicht so, als wäre er bereit, denselben Weg wie Jelzin in den 1990ern einzuschlagen.
Daraus ergibt sich die beispiellos unbeständige US-Politik und das erklärt auch, warum kein Übereinkommen zustande kommt – obwohl es theoretisch viele Interessensüberschneidungen gäbe, die einen Weg für eine Art Kompromiss bereiten könnten (der in jedem Fall auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung ginge). In der Realität dreht sich die Krise jedoch in einem Teufelskreis stetig abwärts.“ (Thesen zur Ukraine, IMT-Weltkongress 2014.)
Trump hat angekündigt, Kiew und Russland zu Verhandlungen zu zwingen, um einen Frieden im Interesse Washingtons zu vereinbaren. Dieser sieht vor, dass der Krieg eingefroren, die Waffenstillstandslinie international abgesichert (am besten durch europäische Armeen und/oder eine UNO-Flugverbotszone) und Russland im Gegenzug „provisorisch“ die eroberten Gebiete behalten darf, in Kiew aber eine pro-amerikanische Regierung mit internationalen Schutzgarantien bestehen bleibt. Russland wird diesen Rahmen nur akzeptieren, wenn es dazu wirtschaftlich, militärisch oder politisch (durch die eigene Arbeiterklasse) gezwungen ist. Es führt den Krieg um die Kontrolle über die Regierung in Kiew („Entnazifizierung“ und „Entmilitarisierung“) und das Schwarze Meer. Weiters, dass seine Banken wieder in den internationalen Zahlungsverkehr zugelassen und sein im Westen beschlagnahmtes Finanzvermögen (300 Mrd. Dollar) wieder zurückgegeben wird. Vor allem will Russland die Produkte seiner wichtigsten Industrie (Energie) frei auf dem Weltmarkt verkaufen und steht hier im diametralen Gegensatz zu den Interessen der US-Fracking-Industrie (ihrerseits Hauptexportgut der USA), die ohne Sanktionen gegen Russland nicht wettbewerbsfähig ist. Es ist auch gegen die beschlossenen Neustationierungen US-amerikanischer Mittelstreckenatomraketen in Europa. Es rechnet damit, dass die russische Armee in kalkulierbarer Zeit am Dnjepr steht und hat keinen Anlass, sich ohne Zwang auf einen Rations-Frieden nach US-Auffassung einzulassen, einige neu-russische Landstriche zu kontrollieren, während der Rest Europas (inklusive des Großteils der Ukraine), des Nahen Ostens, Afrikas und der Welt gänzlich unter der Dominanz der USA bleibt. Es strebt einen strategischen Sieg an, nicht einen Waffenstillstand, der es dem Westen bald wieder ermöglicht, russische Interessen vor seiner eignen Haustüre herauszufordern. Die aktuellen Entwicklungen in Syrien und Georgien (Dezember 2024) werden diese Einschätzung des Kremls nur bestärken: In Syrien erneutes Aufflammen des imperialistischen Stellvertreter-Krieges, wobei die russisch gestützte Assad-Regierung herausgefordert wurde; in Georgien versucht die EU, Neuwahlen gegen eine pro-russische Wahlsieger-Partei zu erzwingen. Der imperialistische Konflikt bleibt eine Frage der realen ökonomischen und militärischen Kräfteverhältnisse zwischen den Kriegsparteien.
Die Aufgabe der Revolutionären Kommunisten ist es, mit einer internationalistischen Politik der Avantgarde einen Ausweg aus dem Burgfrieden mit der eigenen herrschenden Klasse aufzuzeigen. Lenin dazu:
„Die Verfechter des Sieges der eigenen Regierung im gegenwärtigen Krieg und die Anhänger der Losung ‚weder Sieg noch Niederlage‘ stehen gleicherweise auf dem Standpunkt des Sozialchauvinismus. Die revolutionäre Klasse kann in einem reaktionären Krieg nicht anders als die Niederlage der eigenen Regierung wünschen, sie kann den Zusammenhang zwischen militärischen Misserfolgen der Regierung und der Erleichterung ihrer Niederringung nicht übersehen. Nur ein Bourgeois, der in dem Glauben lebt, dass der von den Regierungen angezettelte Krieg unweigerlich auch als ein Krieg der Regierungen enden werde, und der das auch wünscht, findet die Idee ‚lächerlich‘ oder ‚widersinnig‘, dass die Sozialisten aller kriegführenden Länder mit dem Wunsch nach der Niederlage aller ihrer ‚eigenen‘ Regierungen auftreten sollen.“ (Lenin, Sozialismus und Krieg).
Massenhaft kann und wird der Bruch der Arbeiterklasse mit der eigenen Bourgeoisie dabei nicht in der Frage der Außenpolitik, sondern anhand der ökonomischen Lage der krisengebeutelten Arbeiterklassen erfolgen.
Die Krise ist jetzt da. 2024 herrscht in Österreich das zweite Jahr in Folge Rezession, damit die längste der Nachkriegszeit. Nach minus 1% im Jahr 2023 wird das reale BIP (der Wert der produzierten Güter und Dienstleistungen) 2024 nochmals um 0,6% schrumpfen. Österreichs Wirtschaftswachstum liegt damit im Euro-Raum am vorletzten Platz. Weil die Bevölkerung gleichzeitig wächst, ist das BIP pro Kopf seit 2019 um 2,4% gefallen.
Besonders auschlaggebend ist die Krise der österreichischen Industrie und Bauwirtschaft. Sie machen 28,1% der Wirtschaftsleistung aus, deutlich höher als im EU-Durchschnitt von 23,7%. Der Großteil der in Österreich produzierten Waren wird exportiert, der Warenexport erwirtschaftet 42% des BIPs.
Am stärksten vom Rückgang betroffen ist der Bau, die Industrie und der Handel. Nur Dienstleistungen entwickeln sich positiv. In der Industrie kam es im ersten Quartal 2024 mit minus 5,0% erneut zu einem deutlichen Wertschöpfungsrückgang verglichen mit dem Vorjahresquartal, der auch wesentlich stärker ausgefallen ist als in Deutschland (-2,6%) und im EU-Durchschnitt (-2,5%). Die wichtige Metalltechnische Industrie (130.000 Beschäftigte, 6,1% des BIP, 20,9% des AT-Gesamtexportes) verzeichnet im 1. Halbjahr 2024 einen Produktionsrückgang von 10,1%, und berichtet im Herbst vom „niedrigsten Auftragsbestand seit Krisenbeginn“ und den „Aufbau hoher Lagerkapazitäten“ (also nichtverkaufte Waren). Österreich hat von Jänner bis August 2024 um 4,4% weniger Waren exportiert als im Vorjahr. Besonders starke Exportrückgänge verzeichneten: Strom: -34,6%, Organische Chemie: -53%, Düngemittel: -17,2%, Maschinen/Fahrzeuge: -5,8%, Stahl und Eisen: -8% …
Für nächstes Jahr ist 1% Wachstum prognostiziert, einmal mehr. Dies unter der Annahme, dass Konsum und Export wieder anziehen, was beides nicht passieren wird. Die Prognosen von WIFO und IHS sind nicht nur aufgrund ihrer methodischen Unzulänglichkeit seit Jahren falsch, sondern auch weil sie die ideologische Funktion für die Systemstabilität haben. Sie dürfen die „Stimmung unter den Konsumenten“ nicht eintrüben. Keine Wissenschaft ist „neutral“. Aber die Realität lässt sich nicht weg reden. Die Industriekrise nimmt gerade jetzt in ganz Europa stark an Fahrt auf, besonders im Hauptexportland Deutschland (30% der österreichischen Exporte). Der Inlandskonsum sinkt aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit und steigender Arbeitslosigkeit. Die Triebkraft der österreichischen Krise ist die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit inmitten einer globalen Überproduktionskrise und dass der Standort gleichzeitig geopolitisch zwischen „Ost“ und „West“ zermalmt wird.
Europaweit arbeiten 14 Mio. Beschäftigte in der Autoindustrie. In Österreich arbeiten etwa 900 Unternehmen mit 81.000 Beschäftigten spezifisch im Auto-Zulieferbereich, ihr Hauptexportmarkt ist Deutschland, 6.200 Arbeiter sind in der Zulieferung für VW beschäftigt. In der europäischen Autoindustrie realisieren sich alle Krisentendenzen gleichzeitig: globale Überproduktion verschärft durch Handelskriege, der politisch eingeleitete Umstieg auf E-Mobilität bis 2035, die Technologie- und Produktionsführerschaft Chinas in der E-Mobilität, fallender Massenkonsum aufgrund von Reallohnverlusten, steigender Arbeitslosigkeit und dem Auslaufen von Konsumstimuli (Förderprämien für E-Autos aber auch eine ganze Palette von anderen Green-Tech), stark steigende Kosten in der Produktion durch die Explosion der Energiepreise, 30 Jahre niedrigerer Produktivitätszuwachs in der EU als bei den Konkurrenten USA und China, zuletzt: fallende Arbeitsproduktivität, gestiegene Finanzierungspreise durch Erhöhung der Zinsen und vor allem: keine Aussicht auf eine Ausweitung des Marktes, sondern ein chaotisches Schrumpfen, verstärkt und unkalkulierbar wegen des politischen Machtringens zwischen den Großmächten. Die großen Konzerne sind europaweit dabei, sich „gesundzuschrumpfen“, um zu überleben. Gleichzeitig rollt eine neue Monopolisierungswelle an. Erstmals in der Geschichte von Volkswagen wird der Konzern drei Fabriken in Deutschland schließen.
Voestalpine-Chef Eibensteiner kommentiert die Lage seines Konzerns (u.a. großer Zulieferer für die Autoindustrie):
„Die Energiekosten gehören zu den größten Problemen der voestalpine. So sei Erdgas bereits vor Covid im Jahr 2019 etwa eineinhalb Mal so teuer gewesen wie in den USA. Jetzt sei das Gas infolge der Ukraine-Krise 5,7-mal so teuer wie in den USA. Der Strompreis sei rund dreimal so hoch wie in den USA. ‚Das macht uns Schwierigkeiten hier in Europa, zusätzlich zu den Arbeitskosten und den Kosten der Regulatorik. Das ist auch der Grund, warum Europa in der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber diesen Märkten zurückfällt.‘“
Analysieren wir im Einzelnen:
Zentral für die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt sind die Lohnstückkosten, also die Kosten pro produzierte Ware. Diese sind in Österreich seit 2015 um 34,45% gestiegen (Statistik Austria). Während Österreichs Industrie hier über Jahrzehnte Wettbewerbsvorteile gegenüber den Exportmärkten einfahren konnte (indem die Lohnstückkosten schwächer stiegen als in Deutschland und dem EU-Durchschnitt), hat sich dies in den letzten Jahren schlagartig geändert. Mehr als die Hälfte (!) des Kostenanstiegs der Produktion der vergangenen 10 Jahre fällt mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs zusammen. Im Vergleich der 12 Monate vor dem Krieg (2. Q. 21 bis 1. Q. 22) bis heute (3. Q. 23 bis 2. Q. 24) beträgt der Anstieg der Lohnstückkosten 20%, dies ist deutlich höher als auf allen Exportmärkten. Der Grund dafür liegt in den überdurchschnittlichen Preissteigerungen und der fallenden Auslastung der Betriebe aufgrund der früher eingetretenen Krise.
In keinem EU-Land sind die Gaspreise so stark gestiegen wie in Österreich: Im Zeitraum von Jänner 2021 bis Februar 2024 lag der EU-Durchschnitt bei +65%, in Österreich +201% (also eine Verdreifachung). Der Anteil von russischem Gas lag im September 2024 weiterhin bei 86%. Nachdem die OMV unter internationalem Druck die Zahlungen an Gazprom eingestellt hat, hat diese am 16.11.2024 die Erdgaslieferungen an die OMV gekappt. Gleichzeitig hat Deutschland erstmals ein Schiff mit russischem Flüssigerdgas abgewiesen. Am 21.11.2024 (wenige Tage nach den ersten Einsätzen von westlichen Mittelstreckenraketen auf Russland und der Ankündigung, Anti-Personenminen an die Ukraine zu liefern) hat das US-Finanzministerium die russische Gazprombank sanktioniert. Die Gazprombank (Finanzabteilung des Erdgasmonopolisten) wickelte die Erdgaszahlungen ab und war die letzte russische Bank, die internationalen Zahlungsverkehr mit dem Westen durchführte. Die USA argumentiert, dass Europa jetzt nicht mehr von russischem Erdgas abhängig sei und die drei verbleibenden Abnahmeländer russischen Pipelinegases, Ungarn, Slowakei und Österreich, mittlerweile Versorgungsalternativen hätten. Die Regierung in Kiew bestätigte wiederholt, dass sie den Transitvertrag nach Baumgarten, der am 31.12.2024 ausläuft, nicht erneuern wird. 2025 wird Österreich nur noch die Restmengen russischen Gas aus seinen Lagern aufbrauchen. Die Energiepreise werden wieder steigen, die Haushaltsenergie schlagartig, da hier gleichzeitig die Energiepreisbremse ausläuft und die Netzgebühren angehoben werden (Mehrbelastung bis 700 € pro Haushalt und Jahr). Ein Wiederanstieg der Teuerung zeichnet sich ab. Im November 2024 stieg sie im Jahresvergleich auf 1,9%, für Jänner 2025 rechnen Wirtschaftsforscher mit 2,5%.
Die „Regulatorik“ von der Eibensteiner spricht, sind neue EU-Vorschriften, die Unternehmen zwingen, Daten für die Politisierung und Planbarkeit einer Macht- und Sicherheitsorientierten EU-Industrie- und Handelspolitik zu erfassen, etwa das Lieferkettengesetz, oder der Co-Ausgleichszahlungsmechanismus. Laut seinen Angaben beschäftigt die voestalpine für diese Aufgaben eine Abteilung von 50 Angestellten.
Die voestalpine ist heute ein Weltkonzern, der in verschiedenen Sparten der Stahlproduktion technologischer Weltmarktführer ist. Es gibt einige solcher Firmen (und Abteilungen) in Österreich, auf die das zutrifft, aber nicht auf die Masse der Industrie- und Gewerbebetriebe. Die Tendenz der kapitalistischen Produktion ist die ständige Erhöhung der Arbeitsproduktivität u.a. durch technologische Innovation (in marxistischen Termini: Steigerung des Anteils des kontanten Kapitals, die gleichzeitig die Profitrate tendenziell fallen lässt). Dies gilt aber längst nicht für die Gesamtindustrie: Im Vergleich zu 2015 liegt auch die Arbeitsproduktivität in Österreich in den vergangen 12 Monaten (3. Q. 23 bis 2. Q. 24) um 0,5% unter dem Niveau von 2015. Zehn Jahre ohne gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt ist angesichts der rasanten technologischen Entwicklung ein erstaunliches Zeichen der Fäulnis. Jede Krise senkt die Arbeitsproduktivität durch die fallende Auslastung der Maschinen. Aber dies erklärt nicht alles, wie u.a. Mario Draghi (ehemaliger Chef der EZB) in seinem Bericht über die Krise in Europa festgehalten hat: Europa fällt im internationalen Innovationswettbewerb seit 30 Jahren hinter seine Rivalen zurück. D.h.: Die zersplitterte EU versucht, als imperialistischer Block gesamthaft Politik zu betreiben (schafft dies aber nicht), was zu „Regulatorik“ für Unternehmen führt, die für einzelne Unternehmen ineffizient sind.
Diese Krise Österreichs begann sich im Jahr 2024 am Arbeitsmarkt durchzuschlagen: Wachsende Arbeitslosigkeit, Entlassungen und Betriebsschließungen. Beginnend mit dem Bausektor (v.a. im Wohnbau, der sich fast halbierte!) und der Industrie. Seit Jänner 2024 sank die Beschäftigung in der Industrie monatlich gegenüber dem Vorjahr (Oktober: -1,9%). Ende November waren rund 384.000 Personen arbeitslos oder in Schulung gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht das einem Plus von gut 31.400 Personen, also einem Zuwachs von 8,9%. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2024 kam es zu Massenentlassungen und vermehrten Insolvenzen. Photovoltaik-Hersteller Fronius baute 800 Stellen ab, Steyr Automotive 200 und Magna strich 1150 Stellen in Österreich. Im Mai meldete u.a. Motorenkomponentenhersteller Elko-König Insolvenz an. Nach dem Scheitern der Kika/Leiner Sanierung im November und dem Verlust von 1400 Jobs, kam es Ende November zu einer Reihe hochkarätiger Pleiten und Betriebsschließungen. Autozulieferer Schaeffler schließt sein Werk im niederösterreichischen Berndorf und verlagert die Produktion nach Rumänien und die Slowakei, was 450 Beschäftigte ihren Job kostet. Das Siemens-Werk für industrielle Stromversorgung in Wien wird bis Ende 2026 schließen, wodurch 178 Jobs wegfallen, ebenso der Faserhersteller Solmax in Linz (ehem. OMV), wodurch 100 Arbeiter vor der Kündigung stehen. Die Pleite von KTM in Mattighofen in Oberösterreich stellt 3.700 Arbeiter vor eine ungewisse Zukunft. Die Pleite betrifft auch zahlreiche KTM-Zulieferer, etwa Stubai KSHB in Tirol, Kiska in Salzburg, Pankl und Krenhof in der Steiermark. Alle drei haben bereits Entlassungen angekündigt.
Die Bilanzsumme der österreichischen Banken ist zweieinhalbmal so hoch wie das BIP (zum Vergleich DE: 110% vom BIP), ein Resultat der Ost-Expansion. Österreichs Finanzkapital ist also enorm in Krisenmärkten exponiert und hat hinter sich keine starke Bourgeoise, die ihre Interessen durchsetzen kann. Dies waren auch die Bedingungen des Zusammenbruchs der Bodencreditanstalt 1929 und der Creditanstalt im Jahr 1931, was die Weltwirtschaftskrise in Europa auslöste. Die Eigenkapitalausstattung (das Finanzpolster gegen Verluste) der österreichischen Banken ist heute besser als vor der Krise 2008, aber dies senkt auch ihre Profitabilität. Ob diese Sicherheiten im weiteren Verlauf der Krise (Firmenpleiten, Sanktionen, Immobilienpreise, Staatsschuldenkrisen …) ausreichen, wird sich zeigen. Eine vollständige Abschreibung der Raiffeisenbank in Russland etwa würde die Eigenkapitalausstattung der RBI von 17,8% auf 14,7% (CET1) senken. Pleiten wie von Benko und KTM (800 Mio. Bankkredite) zeigen, dass in der aktuellen Wirtschaftslage rasch große Vermögenspositionen entwertet werden können.
Klar ist, dass Österreichs Banken allen voran die Raiffeisenbank International (RBI) unter einem ganz besonderen Stress stehen. Die RBI ist mittlerweile die letzte große Brücke zwischen dem Moskauer und dem westlichen Finanzmarkt. Die weitläufige Töchterstruktur der RBI in ganz Osteuropa und dem Balkan eignet sich auch gut, um Finanzströme zu verschleiern. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich ihr Aktienpreis mehr als halbiert, nach dem Wahlsieg von Trump konnten die Investoren aber einen Tagesgewinn von 10% realisieren. Das österreichische Finanzkapital hofft, dass Trump den gordischen Knoten für sie zerschlägt, indem er womöglich,
a. persönliche Beziehungen über die Gesamtinteressen des US-amerikanischen Finanzkapitals stellt (Ansatzpunkte dieser Hoffnung: der Austro-affine russische Aluminium-Monopolist und Strabag-Miteigentümer Deripaska hatte ab 2016 angeblich Lobby-Beziehungen zum Trump-Umfeld, wurde dafür von Trump sanktioniert und später wieder entsanktioniert, seit Biden aber wieder sanktioniert; die Mutter von Trumps Ehefrau wurde 1945 in einem Flüchtlingslager in der Steiermark geboren, verkündete Bundeskanzler Nehammer nach dem Gratulationstelefonat an Trump), oder
b. Trump die Niederlage der USA in der Ukraine anerkennt und die Sanktionspolitik gegen Russland aufgibt. Wir sehen, die Perspektiven des österreichischen Kapitals sind vage und unsicher.
Im ersten Halbjahr 2024 hat die RBI ihren Gewinn um 7% auf 1.324 Mrd. € erhöht, 720 Mio. trugen dazu die Töchter in Russland und Belarus bei. Der Sanktionsdruck des US-Finanzministeriums und der EZB auf die RBI wurde über das vergangene Jahr hinweg ständig verstärkt, die RBI ist nach eigenen Angaben dabei, das Geschäft in Russland zurückzufahren. Das Management betont, dass das Kreditvolumen in Russland um 60% hinuntergefahren wurde (allerdings fällt das gesamte Kreditvolumen des Landes aufgrund der hohen Inflation rasant), die Spareinlagen in die Bank steigen jedoch ständig weiter. Ein „Geiselaustausch“ der festgefrorenen Gewinne der RBI in Russland und der Gewinne von Deripaska in Österreich scheiterte an den USA. Im Herbst hat ein Gericht in Kaliningrad (RU) der RBI weiters verboten, ihre russische Tochter zu verkaufen. Gelungen ist hingegen der Verkauf der (relativ kleinen) RBI-Tochter in Belarus, wodurch die RBI einen Verlust von 830 Mio. € bilanzierte. „RBI-Chef Johann Strobl steht vor einer bisher unlösbaren Situation.“ (Die Presse, 6.11.2024)
Die Financial Action Task Force (FATF) der OECD hat in ihrer letzten Vollversammlung beschlossen im Jahr 2025 eine Vor-Ort-Prüfung österreichischer Banken vorzunehmen, ein Verfahren das normalerweise Schurkenstaaten vorbehalten ist. Ziel ist es, intransparente Geldflüsse Russlands und anderer feindlicher Staaten und Konzerne ins Visier zu nehmen. Damit steht das Geschäftsmodell der österreichischen Banken auf dem Prüfstand des westlichen Imperialismus. Der IWF schätzt, dass eine mögliche Listung Österreichs auf der „Grauen Liste“ Finanzverluste von 76 Mrd. € bedeuten würde, dieses Drohpotential soll Österreichs Politik gefügig machen. Im Herbst 2024 wurde mit Höllerer, dem Direktor der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, erstmals ein Vertreter einer Regionalbank zum Spartenchef der österreichischen Finanzinstitute gemacht. Dies könnte eine beginnende Machtverschiebung im österreichischen Finanzkapital, weg vom internationalen Player hin zu einer (erzwungenen) Binnenorientierung, anzeigen. Höllerer ist die klassische Verkörperung eines Finanzkapitalisten. In den letzten 20 Jahren wechselte er (und seine Frau) wiederholt an die Brennpunkte der Krisen, einmal innerhalb des Raiffeisenkonzerns, einmal in den staatlichen Institutionen.
Zusammenfassend können wir festhalten: Alle Krisentendenzen, die wir in den letzten Jahren analysiert haben, beginnen sich zu realisieren. Österreich wird in der globalen Krise zerrieben und ist Verlierer. Die Krise frisst sich durch alle Sektoren vor und wird immer spürbarer. Das wird den Klassenkampf anschieben.
Jede Klassengesellschaft basiert auf einem grundlegenden Widerspruch: Eine Minderheit in der Gesellschaft, die herrschende Klasse, beutet die Mehrheit aus und unterdrückt sie. Aber sie muss dafür eine Mehrheit finden, die diese Tatsache akzeptiert. Und die bürgerliche Demokratie verlässt sich sogar darauf, dass die unterdrückte Mehrheit darüber abstimmt, wie Lenin es ausdrückte:
„Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten soll – das ist das wirkliche Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus, nicht nur in den parlamentarisch-konstitutionellen Monarchien, sondern auch in den allerdemokratischsten Republiken.“ (Lenin, Staat und Revolution).
Die herrschende Klasse hat einen sehr komplizierten Mechanismus entwickelt, um die Mehrheit dazu zu bringen, ihre Ausbeutung zu akzeptieren: Aufrechterhaltung der Illusion der Gleichheit aller Bürger, freie Wahlen, scheinbar neutrale Institutionen wie Gerichte, Medien und Schulen, direkte und indirekte Kontrolle über die Parteien mit Spenden der Kapitalisten und Staatsfinanzierung, Bestechung der Bürokratie der Arbeiterbewegung. Aber letztendlich hängt die Stabilität der Klassenherrschaft von der materiellen Stabilität ab. Die Massen müssen das Gefühl haben, dass das Leben gut läuft, dass es sich vielleicht sogar verbessert.
Stagnierender Lebensstandard kombiniert mit plakativer gesellschaftlicher Ungleichheit, unterbrochen von Krisen (Covid, Klima, Kriege, Wirtschaft), untergraben die politische Stabilität und die Herrschaftsform der bürgerlichen Demokratie weltweit. Im vergangenen Jahr wurde eine Reihe von Regierungen abgewählt, auf die für die Bourgeoisie unerwünschte oder instabile Konstellationen folgten (Frankreich, USA, Österreich …). In Deutschland ist die Regierung nach dem Trump-Sieg auseinandergebrochen, Frankreich ist gerade in diesem Prozess, im Zentrum dieser Regierungskrisen steht die Frage der Staatsfinanzierung. In Österreich verwirklichten sich unsere Annahmen: Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne wurden in allen Wahlen (Nationalrat und Landtagswahlen) abgestraft und die reformistischen Arbeiterparteien SPÖ und KPÖ konnten an der Proteststimmung nicht oder nur kaum ansetzen.
Bei den NR-Wahlen 2024 stürzte die ÖVP ab, die SPÖ stagniert auf dem historisch schwächsten Ergebnis und die FPÖ wurde damit erstmals bundesweit stärkste Partei. Die Wahlbeteiligung ist, wie auch bei anderen Wahlen, gestiegen. Insgesamt 750.000 Wähler oder fast 17% kehrten den Regierungsparteien damit den Rücken. Die SPÖ erreichte 1,03 Million Stimmen bzw. 21,1%, einige tausend Stimmen mehr als beim bisher historisch schlechtesten Ergebnis 2019. Die NEOS konnten 60.000 Stimmen dazugewinnen und 450.000 Stimmen bzw. 9,1% erreichen. Die Grünen verloren 5,7%, fielen auf 8,2%. Mit 133.000 Stimmen verdreieinhalbfachte die KPÖ ihre Wählerschaft auf 2,4%. Das sozialliberale Stimmenfangprojekt BIER erwies sich als chancenlos. Der große Wahlsieger der Nationalratswahl 2024 ist die FPÖ, denen 1,43 Mio. Wähler, knapp 29%, ihre Stimmen gaben, das sind 640.000 mehr als 2019, als die Partei nach dem Ibiza-Skandal eingebrochen ist. Im Vergleich zu 2017 gewann die FPÖ nochmals 3% dazu.
Die Türkis-Grüne Koalition war eine Regierung in permanenter Krise inmitten von globalen Krisen, was auch erklärt, warum sie ihre volle Legislaturperiode ausschöpfte. Unter dem Druck der in verschiedene Richtungen ziehenden Ereignisse zerfranst sich die Bourgeoisie intern in Interessengruppen und findet keine gemeinsame Richtung – außer dem Druck „Stabilität“ zu garantieren. Es blieb der Regierung keine Alternative, als bis zum Ende weiter auszuharren, auf objektive Erleichterungen zu hoffen und derweil jedmögliche gesellschaftliche Erschütterung durch Ausschüttung von Geld abzufedern. Trotzki erklärt:
„Regierungen drücken nicht die systematisch wachsende ‚Reife‘ eines ‚Volkes‘ aus, sondern sie sind ein Produkt des Kampfes zwischen verschiedenen Klassen und den verschiedenen Schichten innerhalb ein und derselben Klasse, und schließlich der Einflüsse äußerer Kräfte – Bündnisse, Konflikte, Kriege usw. Außerdem muss noch hinzugefügt werden, dass eine Regierung, wenn sie erst einmal am Ruder ist, sich viel länger halten kann als das Kräfteverhältnis, dem sie entstammt.“
Das westliche Finanzkapital übt(e) großen Druck aus, dass auch nach einem erwartbaren Wahlsieg der FPÖ, diese Partei von den Staatsgeschäften ferngehalten wird. Darauf bereitete sich der Herrschaftsapparat (Staat, Medien, Intellektuelle…), angeführt von Bundespräsident Van der Bellen, ein Jahr lang intensiv vor. Eine nationalistische Partei mit Verbindungen in den Kreml und einer eigenständigen Außenpolitik, die die Interessen des eigenen Wirtschaftsstandortes gegenüber den Interessen des westlichen Finanzkapitals (Washington und Brüssel) in die Waagschale wirft, ist in dieser Zuspitzung des internationalen Machtkampfes inakzeptabel. Das US-Magazin Politico artikulierte dies im Vorfeld der Wahlen offen:
„Mit Kickl als Kanzler wäre es garantiert, dass Wien noch engere Verbindungen zu Moskau anstreben würde. Und mit der Slowakei und Ungarn, die sich bereits Richtung Russland orientieren, würde der Eintritt Österreichs in den Einflussbereich des Kremls einen Putin-freundlichen Block schaffen, der sich von den Karpaten bis zu den Ostalpen erstreckt, und eine grundlegende Herausforderung für die europäische Sicherheit darstellen.“
Die Demagogie der durch und durch bürgerlichen FPÖ speist sich aus den politischen Widersprüchen innerhalb der Bourgeoisie selbst. Während der Corona-Zeit artikulierte die FPÖ als einzige Partei Opposition gegen Impflicht, Pharmamultis, Lockdown für Ungeimpfte und die Einschränkung demokratischer Rechte (wie die Demonstrationsfreiheit). Die Partei steht heute gegen die Russland-Sanktionen, gegen das Verbrenner-Aus und für eine souveräne Außen-, Militär- und Grenz-Politik. Dieses Programm steht im scharfen Widerspruch zur EU. Gleichzeitig findet es Unterstützung in den Vorstandsetagen österreichischer Banken und Konzerne, deren Profite durch die imperialistische Zuspitzung wegschwimmen und spricht den „Hausverstand“ all jener an, die durch Teuerung, Wirtschaftskrise etc. unter Druck stehen. Zudem werden Teile der FPÖ-Politik durch die anderen bürgerlichen Parteien völlig mitgetragen: Ihr Rassismus wurde nach dem 7.10. in Form von anti-muslimischen Haltungen und Politik zum politischen Mainstream gemacht. Aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit beider (!) Arbeiterparteien (SPÖ und KPÖ) und deren Unwillen, den Klassenkampf führen zu wollen, mauserte sich die FPÖ zum Ausdruck für die politische Wut in allen Klassen und Schichten.
Die selbsternannte „Anti-Eliten und Anti-Systempartei“ FPÖ steht mit keinem Gramm gegen das kapitalistische System, sie ist vielmehr historisch und ideologisch organischer Ausdruck der Bourgeoisie. Sie vertritt die Interessen des Minderheitsflügels des Kapitals. Dabei bleibt sie eine vollkommen reaktionäre Formation. Ihr Aufstieg schwächt die Arbeiterklasse, durch ihre systematische rassistische, sexistische, homo- und transphobe Spaltungsrhetorik, ihre Heimattümelei und ihrem Anti-Kommunismus. An der Regierung vertritt sie stets die Interessen der Kapitalistenklasse, 2003 setzte sie mit der ÖVP die Pensionsreform um, 2018 den 12-Stundentag. Beide Projekte wurden zuvor durch die Gewerkschaftsbürokratie in der SPÖ blockiert. Während Nehammer in Wien jede Zusammenarbeit mit Kickl ausschließt und stattdessen eine schwachbrüstige Dreierkoalition verhandelt, sitzt die ÖVP mit der FPÖ bereits in fünf Landesregierungen.
Letztendlich müssen wir abwarten wie die aktuellen Regierungsverhandlungen ausgehen. Der internationale Druck sowie das persönliche Schicksal von Nehammer und Babler (beide sind Geschichte, wenn diese Regierungsbildung missglückt) sprechen dafür, dass die favorisierte Koalition von ÖVP, SPÖ und NEOS zusammenkommt. Die Aufgabe der kommenden Regierung wird es sein, im Sinne der Kapitalisten das Budget zu „sanieren“ und wichtige Konterreformen umzusetzen. Ihr wichtigstes „Stabilitätsmerkmal“ wird sein, dass die Alternative zu ihrem Scheitern noch mehr politische Instabilität bedeuten würde. Mittels der Staatsanwaltschaft (Verfahren gegen Kickl, drei Abgeordnete, Rosenkranz) wird derweil versucht, die FPÖ-Spitze auf Regierungsfähigkeit zu zwingen.
Nehammer steht innerhalb der ÖVP unter Druck. Sebastian Kurz und sein türkises Projekt stehen noch immer um die Ecke. Auch wenn zentrale Finanziers wie Benko, Pierer und Wolf mittlerweile gescheitert sind, der Red-Bull-Konzern hält Kurz weiter warm. Die „Eiserne Lady“, Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, hat dem ÖVP-Vorsitzenden Nehammer die Gefolgschaft gekündigt, ohne aus dem Koalitionsverhandlungsteam auszuscheiden. Sie ist eine schneidige Integrationsfigur für jene Teile der ÖVP und Industriellenvereinigung, die Nehammer loswerden und (bei kommenden Gelegenheiten) eine Koalitionsregierung mit der FPÖ bilden wollen. Dies entspricht der ausdrücklichen Orientierung der FPÖ-Spitze.
Auch wenn das Farbspiel dieser Regierung unklar ist, so ist ihr sozialer Inhalt klar definiert. Die kommende Regierung muss brutale Einsparungen und soziale Konterreformen durchsetzen. Von 2022 bis einschließlich 2024 wird die Staatsschuld um fast 100 Mrd. € ansteigen und die Staatsschuldenquote bei 80% des BIP liegen. Die anhaltende Wirtschaftskrise wird den Fehlbetrag laufend erhöhen. Allein um das Budgetdefizit von angenommenen 3,9% des BIP (2024) unter die EU-Grenze von 3% zu drücken, muss man fast 5 Mrd. € einsparen. Zum Vergleich: das gesamte Bildungsbudget beträgt im Jahr 2024 11,5 Mrd. €.
Auch die aus Lohnabgaben finanzierten Sozialkassen (Gesundheitskassa, Arbeitslosenversicherung und Pensionen) schreiben rote Zahlen, was durch die steigende Arbeitslosigkeit eine starke Dynamik erfährt. Um dies zu illustrieren: Die Österreichische Gesundheitskassa rechnete zu Jahresbeginn 2024 mit einem Überschuss, im August 2024 mit einem Abgang von 285 Mio. €, im November rechnet sie mit einem Fehlbetrag 481 Mio. € und prognostiziert für 2025 ein Minus von 800 Mio. €. Auch hier sind Verteilungskämpfe zwischen Kapital und Arbeit vorprogrammiert.
Zudem, so die Experten (Lautsprecher des Finanzkapitals), gilt es nicht nur, das Budget zu sanieren, sondern Spielräume für „Zukunftsinvestitionen“ zu schaffen, indem man „unproduktive Ausgaben“ wie etwa Ausgaben für Pensionen kürzt. Verschärfungen im Pensionsrecht und die Erhöhung des Antrittsalters auf 67 dürften schon im Vorfeld der Nationalratswahl auf höchster Sozialpartnerebene ausgemauschelt worden sein. Der Inhalt von Zukunftsinvestitionen ist hingegen nicht klar umrissen. Anvisiert dürfte eine Abkehr von „Gießkannenförderungen“ (etwa die Corona-Hilfen von 24 Mrd. an Unternehmen oder Konsumtionsförderungen) hin zu Investitionsförderungen für Unternehmen sein; weiters staatliche Investitionen in Infrastruktur, Ausweitung der Kindergärten und militärische Aufrüstung. Die Pleitewelle in der Industrie wird aber auch sofort die Frage aufwerfen, zu welchen Bedingungen der Staat Unternehmen und Arbeitsplätze retten soll.
Das über Jahrzehnte aufgebaute Vertrauen der Österreicher in den „helfenden und sorgenden Staat“ wird zerstört werden. In den kommenden Jahren werden Wirtschaftskrise, Teuerung und Sozialabbau gleichzeitig vonstattengehen. Alle Schichten der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums werden vielfältig unter stärkeren Druck kommen, einkommensschwache und andere vulnerable Gruppen der Arbeiterklasse an und unter die Armutsgrenze gedrückt werden. In dieser Breite und Tiefe ist dieser Prozess neu in der 2. Republik. Dies wird die Krise der bürgerlichen Demokratie, ihrer Parteien, Institutionen, Gepflogenheiten und Ideologen auf neue Höhen heben.
Die „immerwährende österreichische Neutralität“ hat Österreich rechtlich gesehen 1955 freiwillig beschlossen, politisch war sie aber von den Siegermächten aufgezwungen. Sie entsprach den strategischen Bedürfnissen sowohl der Sowjetunion als auch der USA: Österreich bildete einen Pufferstaat, blieb aber vollständig in die „westliche Wertegemeinschaft“ eingebunden, was in die Formel „Neutralität nach dem Muster der Schweiz“ gegossen wurde. Schnell erwies sich die „Neutralität“ als hervorragendes Geschäftsmodell, was sich u.a. in einem ausdifferenzierten Außenhandel ausdrückte. Mit dem Ende der Sowjetunion und der Krise Russlands ist Österreich sofort auch in die NATO eingebunden worden: 1994 in die NATO-Partnerschaft für den Frieden, 1999 mit der Öffnung des Luftraumes für die Bombardierung Jugoslawiens, gemeinsamen Übungen mit NATO-Armeen, gemeinsamen Sicherheitseinsätzen (Balkan). Jetzt kommt die Einbindung in das Raketenrüstungsprogramm Sky Shield, sowie ein großes Aufrüstungsprogramm. Der österreichische Kapitalismus hat keine andere Wahl, als sich den Kriegsvorbereitungen des Westens unterzuordnen, sich als Gesellschaft zunehmend zu militarisieren und früher oder später das Leben seiner Soldaten für imperialistische Interessen zu opfern. Wer das nicht will, muss ihn stürzen. Liberale und Sozialdemokraten versuchen mit kräftiger Unterstützung der Medien, ein Interesse an Österreichs Kriegstüchtigkeit anzuerziehen. „Neutralität“ wird von KPÖ bis FPÖ zu einem Schlagwort der Opposition, weil für jeden klar ist, dass die Neutralitätsbekenntnisse von ÖVP, SPÖ und Grünen wertlos sind. Zu den Lebenslügen der österreichischen Nation gehört ein betont pazifistisches Element, kombiniert mit Misstrauen gegenüber den Großmächten. Die große Mehrheit der Bevölkerung teilt die Kriegslust der Bourgeoisie nicht. Dennoch wird sie in den kommenden Jahren mit ansehen müssen, wie das Bundesheer aufgebaut wird, während alle Elemente des Sozialstaates angegriffen werden. In Österreich ist nur unsere Partei dazu aufgestellt, den Prozess kohärent zu erklären und ihm eine revolutionäre Alternative entgegenzusetzen.
Die Zunahme und Verschärfung der Klassenauseinandersetzung ist unter diesen Bedingungen unvermeidlich. Dies betrifft alle Aspekte der Klassenherrschaft. Die Krise des bürgerlichen Regimes ist nicht zuletzt auch eine ideologische. Schon immer haben die bürgerlichen Medien den Klassenstandpunkt der eigenen herrschenden Klasse vertreten. Doch jetzt sind die Widersprüche zwischen der Realität und ihrer Vermarktung unüberbrückbar. Niemand glaubt mehr, dass der Völkermord an den Palästinensern nicht stattfindet oder eine humanitäre Notwendigkeit (Geiselbefreiung) ist. Niemand außerhalb der NATO-Blase glaubt, dass „der russische Gasstopp ein Befreiungsschlag für Österreich“ (Der Standard, 15.11.) ist, etc. etc. Wenn der gesellschaftliche Konsens bröckelt, muss der Repressionscharakter des Staats eingreifen. Die Informationsfreiheit wird eingeschränkt (Zensur auf Social Media und von russischen Medien), Staatsanwälte und Polizei kommen mit einer politischen Agenda zum Einsatz … Die rabiate Verleumdungs- und Verfolgungskampagne gegen die Palästina-Solidarität wird kein Einzelfall bleiben, sondern ist ein Testlauf. Alle Motoren der Klassenauseinandersetzung werden aufgewärmt. Nach Jahrzehnten des Klassenfriedens wird der Klassenkampf härter und immer neue Schichten werden in ihn involviert. Die Aufgabe der RKP ist es, den Massen einen Ausweg aufzuzeigen, indem wir der Avantgarde in ihren Kämpfen programmatisch zur Seite stehen, ihr Einsicht in die Notwendigkeit vermitteln und die Klassenkämpfer und Klassenkämpferinnen mit dem weitesten Blick und der größten Opferbereitschaft in unseren Reihen organisieren.
Die Arbeiterbewegung in den entwickelten kapitalistischen Staaten hat historisch starke politische Organisationen hervorgebracht: die Sozialdemokratie und die kommunistischen Parteien. Die Führung der Sozialdemokratie hat 1914 wiederholt gezeigt, dass sie im Lager der eigenen herrschenden Klasse steht, die kommunistischen Parteien brachen im Stalinismus mit der Orientierung auf die Revolution und entwickelten viele Theorien, die die Zusammenarbeit (sprich Unterordnung) mit der „progressiven“ oder „nationalen Bourgeoisie“ rechtfertigen. Nach 1945 leiteten beide Strömungen mit ihrer Politik der Klassenzusammenarbeit die „demokratische Konterrevolution“ (Ted Grant) ein und lieferten damit die politische Basis für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwunges und stabile politische Verhältnisse, die durch große reformistische Organisationen mit tiefen Wurzeln in der Arbeiterklasse getragen wurden. Wir schlossen daraus, dass künftige Bewegungen der Arbeiterklasse sich durch die Herausbildung von zentristischen und linksreformistischen Massenströmungen in diesen Organisationen ausdrücken werden müssen (dies verwirklichte sich in den 1970er Jahren) und dies der zentrale Ansatzpunkt der revolutionären Wiedergeburt der Arbeiterbewegung sein würde.
In Österreich war das Gewicht der Sozialdemokratie so stark, dass sie auch eine Stütze des Staatsapparates und der Wirtschaft (Verstaatlichte Industrie) wurde. Erst in den 1990er entwickelten die österreichischen Bürgerlichen genug ökonomische Kraft und politisches Selbstvertrauen, um die Einbindung der SPÖ in Regierung und Sozialpartnerschaft offen herauszufordern. Wie reagierte die Sozialdemokratie auf die gesteigerte Aggressivität der Bourgeoisie? Materiell zunehmend vom Staat abhängig und gefangen in der Sozialpartnerschaftslogik, versucht sie, ihren Respekt auf „Augenhöhe“ zu erhalten und verspielt somit laufend das Vertrauen der Arbeiterklasse.
Historische Prozesse verlaufen nie geradlinig und rein, der Zeitpunkt wann es gilt, eine neue politische Orientierung vorzunehmen, lässt sich selten auf einen exakten Zeitpunkt festmachen. Ein Neuaufschwung des reform-stalinistischen Lagers (die Linke in DE, PRC in IT …) in den 2000er Jahren schienen die Gültigkeit unserer historischen Annahme zu bestätigen. Entscheidend für unsere Abwendung von der Orientierung auf die Massenorganisationen als zentrale politische Orientierung unserer Kräfte waren die politischen Konsequenzen aus den Massenkämpfen ab 2012. Der Aufstieg von Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien, Sanders in den USA und Corbyn in Großbritannien endete in allen Fällen in einer schnellen Kapitulation ihrer Führer und der raschen Degeneration ihrer Parteien/Bewegungen. Und dies alles, ohne dass ein politisches Erbe oder ein politischer Kern, der Schlussfolgerungen aus dem Scheitern des Reformismus gezogen hätte, zurückgeblieben ist. Die Massenkämpfe, die darauf folgten, fanden keinen politischen Ausdruck und vereinzelten sich.
In der Jugend herrscht aber eine permanente Gärung und eine große Offenheit für revolutionäre Ideen. Dies hat zwei objektive Grundlagen: erstens die Wahrnehmung der Krisen (Kriege, Rassismus, Klimakatastrophe, Völkermord, Armut) und die verlogene egoistische Politik der Herrschenden. Zweitens die persönliche Erfahrung, dass man im eigenen Leben nicht vorankommt, man psychisch belastende und prekäre Jobs macht, mit denen man beim herrschenden Preisniveau kein stabiles oder gar schönes Leben führen und aufbauen kann. Diese Schicht findet aber keinen Ausdruck oder Ansatzpunkt in größeren Zusammenhängen der Arbeiterbewegung. Es bleibt also bei einem platonischen Interesse, verknüpft mit der Aktivierung in (spontanen) Teilkämpfen. Single-Issue-Bewegungen um Lebensreform (Veganismus, Transrechte, Klima, Gegen Gewalt an Frauen) radikalisieren sich methodisch und die besten Aktivisten hinterfragen die Beschränktheit theoretischer und praktischer Ansätze. Der Kommunismus erlebt als ideologischer Trend weltweit einen Wiederaufstieg.
Österreich hinkte den Prozessen der Herausbildung des 2010er-Linksreformismus hinterher, nur um dann viel rascher entlang derselben Linien wie die internationalen Vorgänger zu degenerieren. Es gelang Andreas Babler, dem Hauptexponenten der SPÖ-Linken, auf den Schultern einer Basisbewegung an die Spitze der SPÖ zu kommen (Juni 2023) und gleichzeitig hob die KPÖ bei den Wahlen in Graz (2021, 28%) und dann in Salzburg (2023: 11,7% bei den Landtagswahlen [21,5% im Bezirk Salzburg-Stadt], 2024: 28% bei den Bürgermeisterwahlen) und Innsbruck (Mai 2024: 6,7%, wobei die Partei mit einer zweiten Liste, die 4,83% erreichte gespalten war) ab.
Nachdem der linke Andreas Babler es in die Stichwahl um den Parteivorsitz geschafft hat, demobilisierte er seine Bewegung, um einen Kompromiss mit der Bürokratie der SPÖ Wien und des ÖGB einzugehen. Die Babler-Bewegung hätte ein ihrem politischen Selbstanspruch entsprechendes Programm (durch Reichensteuern finanzierte sozialen Reformen garantiert durch eine sozialdemokratische Bewegung mit eigenständigem Klassenprofil) aber nur durch Klassenkampf innerhalb der SPÖ durchsetzen können. Der Verzicht darauf bedeutet das Ende der traditionellen SP-Linken, was diese aber erst während der Regierungsverhandlungen vollständig realisiert. Sie sieht keinen Ausweg aus dieser Kapitulation oder hat keine Kraft und Willen einen solchen anzustreben.
Die Regierungsbeteiligung löst die politische Krise der SPÖ nicht, sondern verstärkt sie. Die SPÖ war historisch eine hyper-zentralistische Partei. Heute ist sie in viele Fraktionen zersplittert, die Parteizentrale hat keine politische Autorität über die Landesorganisationen und ihre Mitgliederschaft, die hoffnungslos überaltert ist. Es gibt mehrere Fraktionen, die sich alle an ihren jeweiligen regionalen Staatsapparaten orientieren. Doch aufgrund ihrer Geschichte, Tradition und ihrer Kontrolle über die Gewerkschaften bleibt die SPÖ eine Arbeiterorganisation mit Massencharakter. In kommenden Massenkämpfen der Arbeiterklasse ist es möglich und wahrscheinlich, dass neue klassenkämpferische politische Führer und Strömungen aus ihren Reihen hervortreten (etwa ein Betriebsrat, der einen harten Kampf gegen eine Fabrikschließung anführt oder ein SP-Parlamentarier schert offensiv aus dem Fraktionszwang aus). Dies ist nicht notwendigerweise so, aber wahrscheinlicher, als dass etwa die KPÖ zum politischen Massenausdruck des Klassenkampfes werden kann. Solche Prozesse werden sich in der SPÖ aber nicht verfestigen können – zu stark wirkt der Druck der Bürgerlichen in der Partei.
Die KPÖ konnte die Chancen des Superwahljahres 2024 aufgrund ihrer reformistischen Schwächen nicht nutzen. Die bundesweiten Wahlgänge 2024 (EU-Wahl: 3,3% und Nationalratswahl: 2,7%), sowie die Landtagswahlen in ihrer Hochburg Steiermark (4,5%, minus 1,5%) zeigen, dass der gesellschaftliche Spielraum selbst eines „frischeren“ Linksreformismus innerhalb kurzer Zeit sich wieder verkleinert hat.
Der deutliche Nichteinzug in den Nationalrat, vor allem aber der drauffolgende Verlust bei den steirischen Landtagswahlen sind für die Partei ein unerwarteter Schock. Die 3,3% der EU-Wahl und gleichzeitig Umfrageergebnisse von bis zu 15% für die Landtagswahlen in der Steiermark schien unsere Analyse, dass der unpolitische Caritas-Ansatz der KPÖ ungenügend ist, als irrelevant für die Wahlen erscheinen zu lassen. Doch das war nicht so. Über den Sommer kippte die Stimmung in der Wählerschaft gegen das „Establishment“ und das „System“, während die Parteispitze der KPÖ noch schneller vor dem westlichen Imperialismus kapitulierte. Während nur 18% der Steier glauben, dass das Land in die richtige Richtung ginge, glaubte KPÖ-Spitzenkandidatin Klimt-Weithaler, dass es clever ist, ihre „Erfahrung“ als Landtagsabgeordnete in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu stellen. Das kampflos akzeptierte Sparpaket in Graz spricht auch nicht für die Partei. Der EU-Wahlkampfslogan „Wohnen statt Kanonen“ wurde über den Sommer eingestampft, weil er außerhalb des für liberale Medien akzeptablen Rahmens steht. Bis jetzt weigert die Partei sich, Stellung gegen den Völkermord an den Palästinensern, gegen die FPÖ und den grassierenden Rassismus zu beziehen. Die Partei positionierte sich genau so, dass sie unmittelbar an die Programmatik der SPÖ anschloss, verzichtet aber auf jede Gegenthese zu den Bürgerlichen und dem SPÖ-Reformismus. Das führte dazu, dass viele Wähler und Wählerinnen aus Angst vor dem Rechtsruck heraus taktisch das „kleinere Übel“ wählten und ihre Stimme der SPÖ gaben. Die fehlende klare Abgrenzung und eine offensivere Positionierung gegenüber der SPÖ ließ die KPÖ in den Augen vieler als verzichtbare Alternative erscheinen.
Dies sind keine zufälligen Fehler. Diese Politik fließt vielmehr aus dem Reformismus und der parlamentarischen Orientierung der Partei. Mit undemokratischen Mitteln und bürokratischer Willkür wird weiter jede interne Debatte über den Kurs der Partei in der Frage der außenpolitischen Haltung (v.a. Palästina, aber auch Ukraine-Krieg) unterdrückt.
Die Teilnahme an Wahlen übt immer Druck auf eine Arbeiterpartei aus, weil bei Wahlen die breitesten und rückständigsten Schichten (nicht nur die Aktivisten) im politischen Prozess involviert werden. Doch für eine reformistische Partei wie die KPÖ ist die Teilnahme an Wahlen nicht nur eine Option des Kampfes, sondern der Alleinzweck der politischen Arbeit. Das politische Niveau der Partei wird ständig gedrückt, weil die Führung nicht aktiv gegen den objektiv gegebenen Druck dieser Orientierung arbeitet, sondern ihm den Weg pflügt. Die Herstellung politischer Klarheit ist für eine solche Partei nicht notwendig, sondern sogar schädlich, denn immer steht mit Hinblick auf die Ölung und Stärkung der Wahlmaschinerie die nächste dringende Parteinotwendigkeit und der nächste faule Kompromiss im Mittelpunkt der Anstrengungen.
Ein Bruch der Gesamtpartei mit dem Reformismus ist nicht möglich. Dazu sitzen die Reformisten und Mandatare der KPÖ zu fest im Sattel und ihre Orientierung ist zu entscheidend in der Finanzierung der Partei. Die Parteispitze will „eine helfende Partei“ sein, die sich über Almosen ein Wählerklientel von armen und sozial-orientierten Menschen aufbaut. Die politischen Traditionen der Bürokratieherrschaft lassen keine demokratische Debatte über eine Reorientierung der Partei zu. Langfristig entscheidend: Die Arbeiterklasse übt keinen organisierten Druck auf die KPÖ aus. Dafür ist die Partei zu klein und zu kleinbürgerlich in ihrer Ausrichtung. Sie hat wenig Verbindungen in die Betriebe, dort keine von der Mehrheitsfraktion unterscheidbare Politik (z.B. Magna), wodurch sie nicht zum Attraktionspol großer Verschiebungen in der breiteren organisierten Arbeiterklasse werden kann. Die Erfahrung der SPÖ-Regierungsbeteiligung könnte frustrierte Sozialdemokraten in ihre Reihen drücken und auf Wahlebene stützend wirken, ein Turbo-Boost ist das aber nicht. Die KPÖ orientiert sich nur insofern auf soziale Bewegungen und linke Zusammenhänge, sofern dies ihre Wahlorientierung erfordert oder das Bewusstsein ihrer Mitglieder erzwingt. Dies könnte bei den kommenden Wienwahlen 2025 schlagend werden. Es ist möglich, dass sie dafür ihre Haltung zu Palästina modifiziert (wie mutig, nachdem der internationale Gerichtshof einen Haftbefehl wegen Völkermord gegen Netanjahu ausgesprochen hat) und es wird sich zeigen, welche politischen Kräfte die KPÖ als „strategisch“ definiert, um in den Wiener Landtag einzuziehen (fix ist „Links“).
Zum Grundsätzlichen: „Arbeiter sind gezwungen, an ihrem Arbeitsplatz solidarische Beziehungen aufzubauen, um die Ausbeutung der Lohnarbeit erträglich zu gestalten und einen den grundlegenden kulturellen Bedürfnissen entsprechenden Anteil an dem erarbeiteten Mehrprodukt in Form von Löhnen zu erhalten. Der ökonomische Klassenkampf ist also keine subjektive politische Option. Man kann sich als Arbeiter frei entscheiden, ideologisch Anhänger der christlichen Sozialehre, des Neoliberalismus oder des Kommunismus zu sein, aber im Lohnarbeitsverhältnis wird sich der Klassenkonflikt trotzdem manifestieren. Er fließt aus dem Wesen der Lohnsklaverei selbst, quasi ‚automatisch‘. Historisch haben sich aus diesem objektiven Klassenwiderspruch Gewerkschaften als die größte Massenorganisation entwickelt, in einigen Ländern, darunter Österreich auch Betriebsräte als direkte Vertretung der Belegschaft.“ (ÖP 2023)
Der zentrale Klassenkonflikt der vergangenen Monate entzündete sich um die Teuerung. In fast allen Kollektivverträgen seit Herbst 2023 musste die Gewerkschaftsführung ihre Basis mobilisieren. Der ÖGB und seine Teilgewerkschaften haben 2023 mit einigen signifikanten Ausnahmen (der Handel, der im Dezember abschloss, und der IT, die im Jänner 2024 abschloss) im vergangenen Jahr noch den Ausgleich der rollierenden Inflation durchgesetzt. Damit wurde die wirkliche Teuerung (Mieten, Nahrung, Freizeit), der die Arbeiterfamilien ausgesetzt sind, bei weitem nicht abgegolten. Im europäischen Vergleich war dies aber ein Teilerfolg. Dort gelang es den Kapitalisten besser, ihre Profite dadurch zu schützen, indem Lohnabschlüsse hintangehalten und niedrig wurden. Dies ist ein Zeichen des gesellschaftlichen Gewichts der Gewerkschaftsbewegung in Österreich und ein Problem für die Kapitalisten in Österreich.
2024 waren auch die Lohnverhandlungen im Frühjahr, die normalerweise ruhiger und geordneter ablaufen, geprägt von Kampfmaßnahmen. Das Flugpersonal der AUA führte Ende März mit 36 Stunden den längsten Streik der Konzerngeschichte. Bei den Fahrradboten, der Chemischen Industrie und den Speditionsarbeitern wurden Betriebsversammlungen und Warnstreiks organisiert (3 dieser 4 Sektoren sind Teil der Gewerkschaft Vida, die einen aktivistischeren Zugang zu gewerkschaftlicher Organisierung entwickelt hat).
Bei den Herbstlohnrunden, als es darum ging, gesellschaftliche Stabilität für die Regierungsverhandlungen sicherzustellen, trat die Gewerkschaftsführung aber aktiv demobilisierend auf. Das zeigte sich durch die Absage der GÖD-Demo und dem schnellen Abschluss bei SWÖ und Handel (wo sich die Verhandlungen das letzte Jahr über das heilige Weihnachtsgeschäft zogen).
2023 gab es die zweithöchsten Streikzahlen seit 1973, die höchsten seit 2003 (Pensionsreform). 2023: 110.401 Streikende; 98.605 Streiktage; 12,0 Streikminuten pro Beschäftigten in Österreich. Im Vergleich 2003: 779.182 Streikende; 1.305.466 Streiktage und 196,8 Streikminuten pro Beschäftigten. Generell ist es jetzt so, dass jede relevante Kollektivvertragsverhandlung begleitet wird von Mobilisierungen von zumindest den Betriebsräten und dass diese Mobilisierungen neue Sektoren (Lieferanten, Handel) erfassen. Bei ARDO in Niederösterreich hat ein Teil der Belegschaft 2023 (letztlich erfolglos) zwei Wochen für eine außertourliche Lohnerhöhung gestreikt. Die Gewerkschaft PRO-GE unterstützte den Streik, orientierte die Arbeiterführung aber auf eine legalistisch begründete Passivitätstaktik, was jeden Erfolg unmöglich machte.
Der Teilerfolg von 2023 hat aber viele Haken und Ösen, die eine Schwächung der Gewerkschaften anzeigen und große Niederlagen vorbereiten. Erstens gibt es viel Kleingedrucktes im KV, etwa den Umstand, dass in den schwächeren KVs nur noch KV-Löhne (also Mindestlöhne) und nicht die IST-Löhne vereinbart werden. Damit gibt es viele Arbeiter, die gar keine Lohnanpassung bekommen. Im Metaller-Sektor wurden „Öffnungsklauseln“ vereinbart, also die Möglichkeit, dass Unternehmen aus den Lohnanpassungen aussteigen, wenn es „die wirtschaftliche Situation des Betriebes“ erfordert, viele nehmen dies in Anspruch. Die nächste Schwächung ist, dass viele Kollektivverträge über den Zeitrahmen von 2 Jahren abgeschlossen wurden: Metaller-Sektor 2023, Handel und Beamten 2024 … Beim Flugpersonal der AUA wurde sogar auf 3 Jahre abgeschlossen, inklusive „Friedenspflicht“. Die Kalkulation von Seiten der Gewerkschaftsführung dabei ist zweierlei: Dass man während der Krise (niederes Produktionsniveau schwächt die Arbeiter) nicht verhandeln muss und zweitens, dass man dadurch Stabilität für Unternehmen und die Regierungsbildung herstellt.
Marxisten sind prinzipiell gegen langfriste Abschlüsse, weil Klassenfriede (Nicht-Mobilisierung) immer die Macht der Unternehmer stärkt und die Macht der Arbeiterklasse paralysiert. Diese Schwächung wird sich in den kommenden Kollektivvertragsverhandlungen manifestieren. Es wird sich bei den Metallern zeigen, dass die Zahl der organisierten Betriebe gefallen und inzwischen noch mehr Betriebsräte vor dem Druck der Geschäftsleitungen eingeknickt sind. Und eines ist klar: Die kommenden Metallerverhandlungen werden inmitten einer unerwartet tiefen und langen Krise stattfinden. Die Unternehmer gehen jetzt schon aggressiv vor, etwa durch massenweise Änderungskündigungen zur Unterlaufung der letztjährigen Vereinbarung im Metallerbetrieb TCG Unitech in Oberösterreich (Akzeptanz einer Änderungskündigung oder Entlassung) oder der Pleite von KTM vor der Auszahlung des Weihnachtsgeldes. Dieser Niedergang eröffnet aber auch Spielräume für die Zuspitzung in Betrieben, weil die Autorität der Betriebskaiser über die Belegschaft schwindet.
„Die Gewerkschaftsbürokratie sieht ihre Hauptaufgabe darin, den Staat aus der Umklammerung des Kapitalismus zu ‚befreien‘, seine Abhängigkeit von den Trusts zu mildern und ihn auf ihre Seite zu ziehen. Diese Einstellung entspricht vollkommen der sozialen Lage der Arbeiteraristokratie und Arbeiterbürokratie, die beide um einen Abfallbrocken aus den Überprofiten des imperialistischen Kapitalismus kämpfen. Die Gewerkschaftsbürokraten leisten in Wort und Tat ihr Bestes, um dem ‚demokratischen‘ Staat zu beweisen, wie verlässlich und unentbehrlich sie im Frieden und besonders im Kriege sind.“ (Trotzki, Die Rolle der Gewerkschaften im imperialistischen Niedergang) Mit der Etablierung der „Sozialpartnerschaft“ wurde dieser Zugang institutionalisiert, der Preis, den die Arbeiterbewegung dafür zahlte, ist die völlige Entdemokratisierung der Gewerkschaften und Betriebsräte.
In Österreich wurde dies weitgehender als in anderen Ländern vollzogen, statutarisch niedergeschrieben und realpolitisch gelebt. Natürlich heißt dies nie (auch in Zeiten der Hochkonjunktur), dass der ökonomische Klassenkonflikt damit völlig stabilisiert ist. Es ist auch nicht denkbar, dass eine Gewerkschaft ihren Klassencharakter verliert. Ein Gewerkschaftsapparat ist immer von der (zumindest) passiven Zustimmung der Arbeiterklasse abhängig. Ohne diese verliert er die Verhandlungsmacht gegenüber den Kapitalisten und wird in ihren Augen als Garant (und Kostenfaktor) des profitablen Klassenfriedens nutzlos.
Die gesamte Arbeiterbürokratie lechzt danach, nach 7 Jahren Oppositionsbank wieder auf Regierungsebene in die Sozialpartnerschaft eingebunden zu werden und die Arbeiterkammer als „ihren“ Teil des Staatsapparates abzusichern. Doch wenn die Regierungsbildung gelingt, werden sie leere Kassen vorfinden. Das Geld für die Milderung des Klassenkonfliktes durch staatliche Gelder wurde bereits eingeschränkt (Kurzarbeit, Auffangstiftungen etc.), und wird von NEOS noch knapper gehalten werden. Es herrscht Unmut und Panik unter gewerkschaftsnahen Verhandlern im SPÖ-Team, weil sie unter einem unauflösbaren Druck stehen. Die unmittelbare Basis der Gewerkschaftsbürokratie (Betriebsratskaiser und ihre nächste soziale Basis von Beschäftigten mit Altverträgen) steht in Wirklichkeit diametral gegen die Interessen des westlichen Imperialismus. Diese Leute wollen keinen Ausstieg aus dem Verbrenner und v.a. billige Energie. Stattdessen müssen sie eine Politik mittragen, die die Profitabilität ihrer Unternehmen drückt und werden im Ausgleich keine Ressourcen bekommen, um die Krise wie gewohnt friedlich zu managen. Die langersehnte SPÖ-Regierungsbeteiligung (sofern sie zustande kommt) wird ein politisches Desaster auf allen Ebenen der Arbeiterbewegung. Dies ist die Basis dafür, dass das Neue geboren wird.
Ökonomische Krisenzeiten haben im Allgemeinen einen dämpfenden Faktor auf den Klassenkampf, Beschäftigte sehen sich unter Druck, ihren Arbeitsplatz zu behalten. Allerdings, nichts ist einseitig und alles konkret.
Massenentlassungen und Betriebsschließungen sind immer Anlass für eine starke Erregung und Politisierung der Arbeiterklasse. Gerade hier hat die Gewerkschaftsbürokratie nichts anzubieten. Ihr einziger Ansatz ist: Rechtsberatung, Arbeitsstiftung. Wenn die Arbeitslosigkeit niedrig ist, kann dies ein Ausweg für einzelne sein, nicht aber wenn ein großer Arbeitgeber ganz zusperrt und die Arbeitslosigkeit überall steigt. In den 2000er Jahren gab es nur vereinzelte Arbeitskämpfe gegen Betriebsschließungen und Entlassungen. 2014 in einem Mödlinger Metallerbetrieb (Funke 123), in Kärnten gab es einen spontanen Sit-In gegen eine Betriebsschließung. Im weiteren Krisenverlauf ist angelegt, dass solche Arbeitskämpfe stark zunehmen und bitter geführt werden.
Unser programmatischer Ansatz ist: Öffnung der Geschäftsbücher – die Profiteure sollen zahlen. Verstaatlichung des Unternehmens. Weiterführung/Umrüstung des Betriebes unter Kontrolle der Beschäftigten und der Arbeiterorganisationen. Keine Abisolierung des kämpfenden Betriebes, sondern Einbettung des Arbeitskampfes in die breitere Gewerkschaftsbewegung.
Arbeitsbedingungen sind für Arbeiter, besonders für ältere, ein essentielles Problem. Im öffentlichen Dienst herrscht akuter Personalmangel. Der Bereich ist demografisch überaltert, ein Produkt vorangegangener Sparmaßnahmen. Bei Bahn und öffentlichem Verkehr, in den Krankenhäusern, in den Kindergärten und Schulen etc. wird in den kommenden Jahren weiter ein eklatanter Personalmangel herrschen. Die (Schicht-)Arbeit wird dadurch unkalkulierbar, der Druck auf individuelle Beschäftigte groß und für viele unbewältigbar. Physisch bedingte Krankenstände (in allen Berufsgruppen) haben sich im vergangenen Jahrzehnt daher mehr als verdoppelt – aber auch die Kampfbereitschaft. Die Gewerkschaft hat hier nichts anzubieten und ist weit von den Bedürfnissen der Kollegen weg. Charakteristisch dafür ist der Pflegebereich.
Zudem steigt in allen Bildungseinrichtungen ein immenser Druck auf das Personal, um die ideologische Herrschaft der Bourgeoise zu verteidigen. Besonders greifbar ist dies in der Palästinafrage, aber es geht viel tiefer. Die Gesellschaft, von der Keimzelle der Familie bis hin zur herrschenden Ideologie, ist in der Krise. Es genügt nicht mehr, dass das Bildungspersonal Kinder und Jugendliche ausbildet, sondern es muss sie überwachen und korrigieren. Schon in den Kindergärten werden Pädagoginnen darauf eingeschult „Beunruhigung“ von Kindern zu vermeiden und „Aktivismus“, die „Vorstufe von Radikalismus“, zu erkennen, zu dokumentieren und rechtzeitig einzudämmen. Von jedem Gesichtspunkt her wird die Arbeit im einst „privilegierten“ öffentlichen Bereich zu einem ständigen Eiertanz von steigenden Anforderungen und weniger Ressourcen. Es ist kein Zufall, dass der öffentliche Bereich und dort neue Schichten (wie Krankenpfleger) an die Spitze von Klassenkämpfen gedrängt wurden. Die Gewerkschaftsführungen und Apparate im öffentlichen Bereich (GÖD und younion) sind gleichzeitig jene, die am offensivsten an der Sozialpartnerschaft festhalten und Konflikte mit dem Arbeitgeber vermeiden wollen.
Wir konnten in den letzten Jahren bereits eine Differenzierung in Teilen der Gewerkschaftsbewegung beobachten. Das Basis-Netzwerk in der SWÖ, Bildung im Mittelpunkt, Schule brennt, ÖLI-UG, die Liste Solidarität stellen den Alleinvertretungsanspruch der Gewerkschaftsbürokratie in Frage. Dies wird sich auf neue Schichten der Klasse ausweiten, an Spontaneität gewinnen und Härte zunehmen und auch neue Formen finden. Den letzten Hinweis dafür lieferte eine Kindergartenpädagogin, die auf einer vom Land Kärnten organisierten Fachtagung spontan auf die Bühne ging und unter tosendem Applaus der Kolleginnen die Wahrheit über die tägliche Unmöglichkeit professionellen Arbeitens aussprach. Der Apparat arbeitet immer mit den gleichen Mitteln: Kooptierung (Korrumpierung), Einschüchterung von einzelnen Aktivisten und durch die Verhinderung und Einschränkung von Demokratie (z.B.: Statutenänderung der younion, um die Revolutionären Kommunisten von der Gewerkschafsführung auszuschließen, Verbot an die Aktivgruppe im SWÖ, sich außerhalb der Gewerkschaftsräume zu treffen).
Es braucht eine organisierte Opposition in den Gewerkschaften, die gegenüber der Bürokratie den Führungsanspruch erhebt – keine „Parallelgewerkschaften“, dieser Ansatz ist linksradikal und opportunistisch zugleich.
Die Perspektiven wären nicht vollständig, wenn wir nicht den Platz der RKP darin beschreiben würden. Der kommunistische Turn der IMT zur RKI war eine Notwendigkeit, um sich scharf von der Fäulnis des historischen Reformismus abzugrenzen. Wir wenden unser Gesicht jener Avantgarde und jenen Bewegungen zu, die aktiv einen Ausweg aus der Krise des Kapitalismus suchen. Die Methoden der „Bist du Kommunist?“-Kampagne sind einfach und erfolgreich, weil ständig neue Menschen selbständig zu dieser radikalen Conclusio kommen und ein ihnen entsprechendes politisches Angebot suchen. Wir werden diese Methode beibehalten, und jede Genossin und jeder Genosse kann sie umsetzen. Das Gewinnendste ist immer der persönliche Enthusiasmus für die Revolution – selbst wenn man nicht alle Fragen ad hoc sortiert hat und beantworten kann.
Der Anspruch der „Partei“ ist aber ein umfassender, dem wir kollektiv ständig adäquater gerecht werden müssen. Die RKP ist ein ideologisch, politisch und organisatorischer völlig selbstständiger Teil der Arbeiterbewegung. Das müssen wir vor der Bewegung „beweisen“, sonst wäre es nur Angeberei. Dies ist in erster Linie eine programmatische Frage. Kein ernsthafter Klassenkämpfer kann von uns erwarten, alle (oder sogar nur einige) Probleme der allgemeinen Bewegung zu lösen. Aber wir können die Wahrheit sagen, die Probleme der Bewegung benennen und eine relevante Programmatik entwickeln, eine Methodik vorschlagen und ja, in einigen Feldern praktische Schritte setzen, in der Jugend und in Hochburgen unserer Verankerung. Dies ist nicht wenig! Letztendlich jedoch kann nur die Masse der Arbeiterklasse die Probleme lösen, wenn sie aus dem Dämmerschlaf erwacht und massenhaft in die Arena der Revolution eintritt.
Währenddessen: Die Krise des Reformismus (inklusiven seiner linkeren Schattierungen), die Abwesenheit von Massenkämpfen der Arbeiterklasse, der zunehmende ideologische Druck der herrschenden Klasse etc. kann zu einer opportunistischen Haltung innerhalb von Bewegungen und (scheinbar) progressiven Trends verleiten sowie zu blindem Aktivismus. Dies schadet der Arbeiterbewegung, weil sie notwenige politische Klärung verzögert und Kräfte verausgabt, statt sie zu sammeln.
Die Klimabewegung hat sich in mehrere Teile gespalten, weil auf Basis des Kapitalismus objektiv keine Lösung des Problems möglich ist. Die Mehrheitsfraktion FFF degenerierte zum proimperialistischen NGO-Feigenblatt, andere Teile entwickelten radikalaktivistische Ansätze und stecken in einer terminalen Krise (die Letzte Generation Österreich verkündete ihre Selbstauflösung). Die ehemalige Frontfigur Greta Thunberg aber wandte sich dem Antiimperialismus und der Arbeiterklasse zu, nur um sich dann in Georgien auf die Seite des westlichen Imperialismus zu stellen. Die Palästinabewegung wird von BDS und identitätspolitischen Ansätzen (unausgesprochen religiöse Kräfte) nebeneinander dominiert, aber dies schwächt die Bewegung, wie der Unistreik in Kanada zuletzt bewiesen hat: Die BDS-Bürokraten boykottierten die Streikbewegung, weil es ihre Mini-Bürokratenrolle der Divestment-Verhandlungen gegenüber der Uni-Verwaltung untergrub. Die Schlussfolgerung ist klar: Wir vertreten immer das revolutionäre Programm und suchen die politische Auseinandersetzung mit kleinbürgerlichen, reformistischen etc. Strömungen und Massenorganisationen aktiv – ohne die Einheit im Kampf zu gefährden, sondern im Gegenteil, wir suchen sie zu befördern.
Arbeiter und Arbeiterinnen, die jeden Tag müde nach Hause gehen und die besten Aktivisten einer jeden Bewegung haben einen ernsthaften Zugang zu Philosophie und Programm. Dies sind die Genossen und Genossinnen, die wir in den Reihen der RKP organisieren und ausbilden. Die RKP imitiert nicht die historischen reformistischen Parteien, sondern sie baut eine Partei nach dem Muster Lenins auf – eine Kaderpartei von harten Klassenkämpferinnen und Klassenkämpfern. In den gegebenen Bedingungen der organischen Krise werden sich viele Chancen, Kämpfe, Möglichkeiten auftun, mehr als wir nutzen können! Der zentrale Leitgedanke jeden Tuns ist die ruhige und sichere Herausbildung der RKP. Die Arbeiterklasse wird die Revolution machen, aber die Partei, die sie braucht, um zu siegen, die können nur wir vorbereiten!
Beschlossen am 1. Parteitag der RKP, 16. März 2025