Ob die Polizei reformieren oder abschaffen und was das konkret bedeutet, bleibt eine Gretchenfrage in der Linken. Dies zeigt auch die Debatte innerhalb der Sozialistischen Jugend Wien, wie Martin Halder berichtet.
Die Polizei ist als zentraler Bestandteil des bürgerlichen Staatsapparats ein Unterdrückungsinstrument der herrschenden Klasse, der in letzter Instanz die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung garantieren soll. Dies zeigen auch die aktuellen die Erfahrungen des Klassenkampfs: Auf jede Massenbewegung antworten die Herrschenden mit brachialer Gewalt. Dies sah man jüngst besonders eindrücklich in Kolumbien oder Myanmar. Aber auch die häufigen Fälle von Repression gegen Linke, Jugendliche und Migranten zeigen dies.
Rund um die Black Lives Matter-Bewegungen entstand eine breite internationale Debatte darüber, wie sich die Linke zur Polizei positionieren soll, so auch in der Sozialistischen Jugend.
Auf der Landeskonferenz der SJ Wien Ende Mai standen sich hierzu zwei Positionen inhaltlich gegenüber. Auf der einen Seite ein Leitantrag der SJW-Führung, welcher gegen den Rassismus in der Polizei „verpflichtende Schulungen“ und „unabhängige Behörden“ forderte. Doch das Problem ist eben nicht, dass die PolizistInnen zu wenig geschult sind, sondern, dass ihr Verhalten genau der letztendlich gewollten, unterdrückerischen Rolle der Institution Polizei entspricht. Derartige Forderungen, die diesen unterdrückerischen Zweck „wegreformieren“ wollen, sind daher extrem utopisch.
Auf der anderen Seite wurde eine Resolution der SJ Landstraße diskutiert, in der klar der Klassencharakter der Polizei („die gewaltvolle Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung“) benennt und die Unmöglichkeit ihrer Reformierung festhält. Diese Position hätte so einen klaren Schritt nach vorne in der Positionierung der SJW dargestellt, auch wenn wir kritisieren würden, dass auch sie nicht konsequent in der Klassenanalyse ist, da sie versucht, den Staatsapparat in gute (Rechtsstaatlichkeit) und schlechte (Polizei) Teile aufzutrennen.
In diesem Sinn unterstützen wir als Funke-Strömung diese Resolution, betonten gleichzeitig aber die Notwendigkeit aus einer abstrakt richtigen Position auch praktische Konsequenzen zu ziehen. Wir hielten fest, dass die SPÖ geführte Wiener Stadtregierung jederzeit die Möglichkeit hätte, z.B. die Ausführung des Corona-Maßnahmengesetzes dort zu unterbinden, wo es als repressives Instrument gegen Jugendliche eingesetzt wird. Konkret forderten wir die SPÖ Wien auf „über diesen Weg keine Verbote/Beschränkungen von Demonstrationen und Treffen von Jugendlichen im Freien zu verhängen oder zu bestrafen.“
Nach einer hitzigen Debatte zur gesamten Resolution und der schwammigen Kritik, sie sei zu lang und habe keine Forderungen, wurde sie mit 42 zu 39 Stimmen knapp abgelehnt.
Das Ergebnis zeigt die Relevanz dieser Debatte, die auf jeden Fall weitergeführt werden muss. Denn eine klare Position zum Klassencharakter der Polizei und des bürgerlichen Staates insgesamt ist für SozialistInnen von zentraler Bedeutung. Ohne marxistische Analyse wird man unausweichlich zu falschen Schlussfolgerungen kommen. Selbst Nurten Yılmaz, die sich von allen SPÖ-Abgeordneten am deutlichsten gegen die Polizeigewalt am 1. Mai in Wien ausgesprochen hat, gibt sich enttäuscht darüber, dass die Polizei eigentlich die Menschenrechte zu schützen hätte.
Stattdessen sollten wir jedes Ereignis von Polizeirepressionen nicht nur dazu nutzen, um die unterdrückerische Rolle der Polizei als Institution aufzuzeigen, sondern auch um konsequent dafür zu argumentieren, dass die Arbeiterbewegung einen politischen Kampf gegen jegliche Repressionen führen muss, mit dem letztendlichen Ziel der Überwindung des Kapitalismus und seines unterdrückerischen Apparates: des bürgerlichen Staates.
(Funke Nr. 195/1.7.2021)