Die schwarz-grüne Regierung steht. Wir haben uns das Regierungsprogramm und die Perspektiven für die Regierung genauer angesehen. Jetzt gilt es, die Arbeiterbewegung kampffähig zu machen. Die Funke-Redaktion analysiert.
Das Kabinett Kurz II ist eine Regierung des Angriffs auf die Arbeiterklasse in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Ihr Programm zeichnet das Ziel einer unbedingten Profitmaximierung für das Kapital vor. Mit der Übernahme des Innenministeriums und einer Reihe von Law-and-Order Gesetzen richtet die ÖVP den Staatsapparat weiter für einen möglichen Einsatz zur Überwachung und Repression von sozialen Bewegungen unter der festen Kontrolle der Partei her.
Die Grünen sind dabei als Koalitionspartner der neue Rammbock für all diese Politik. Durch Identitätspolitik verschleiert („gegen das Patriachat“), wird der Rassismus als liberale Staatsräson festgeschrieben, der „Kampf gegen den Klimawandel“ wird zur Rechtfertigung für Geschenke an das Kapital. Damit ist die neue Regierung in ihrem Programm eine fast nahtlose Fortsetzung der schwarz-blauen Regierung – nur unter geänderten ideologischen Vorzeichen.
Es werden im Programm die Fühler aber auch wieder in die anderen politischen Lager ausgestreckt. So wird im festgehalten, dass die Koalitionspartner Gesetze im Falle einer „Migrationskrise“ auch eigenständig ins Parlament bringen können – ein Freibrief für die ÖVP, zusammen mit der FPÖ solche Gesetze zu beschließen. Und es finden sich, im Gegensatz zum letzten Regierungsprogramm, auch positive Bezugnahmen zur „Sozialpartnerschaft“. Das alles dient der Vorbereitung auf eine neue, tiefe Wirtschaftskrise, in der das österreichische Kapital alle politischen Kräfte rund um die „Rettung des Wirtschaftsstandortes“ mobilisieren wird müssen.
1. Regierung der Reichen
2. Profitmodell „green“
3. „Migrationsstrategie“, Staatssicherheit und ideologischer Kampf
4. Liberaler Rassismus
5. Türkis-grüner Feminismus: Frauen ans Pflegebett, Vorsorge privat, Verarmung aller Arbeitenden
6. Klarheit über die Grünen
7. Arbeiterbewegung: Aufwachen!
8. Schockstarre und Wahltaktik
9. Für Klassenkampf und sozialistischen Neustart!
Regierung der Reichen
Industrie und EU-Kommission jubeln über die gelungene Umfärbung des Bürgerblocks. „Die Einigung zwischen ÖVP und Grünen auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung ist aus Sicht der Industrie zu begrüßen“, so die Industriellenvereinigung (IV). Die Industriellen und Reichen haben allen Grund zum Jubeln.
Mit der Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 % fällt die Entlastung bei der zentralen Unternehmenssteuer zudem besonders großzügig aus, dies entspricht einer Reduktion der Steuerbelastung für Unternehmen von 1,5-2 Mrd. € jährlich.
Die geplante Entlastung der Lohnsteuer hingegegen fällt für die untersten zwei Lohnsteuer-Kategorien so klein aus, dass die kalte Progression nicht ausgeglichen wird. Die niederen EinkommensbezieherInnen zahlen also auch nach der kommenden Reform mehr Lohnsteuer als nach der letzten Entlastung.
Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zum ausgeglichenen Budget, dem Sinken der Staatsschulden und dem Sinken der Steuerquote – das heißt alle Maßnahmen sollen ohne neuem Geld durchgeführt werden. Laut dem Bundeskanzler geht sich aufgrund des Wirtschaftswachstums, der niederen Arbeitslosigkeit und durch Effizienzsteigerungen im Budget trotzdem alles aus.
Dies ist kein frommer Wunsch, sondern eine blanke Lüge. Die Weltwirtschaft taumelt ständig am Abgrund, und 350.000 Arbeitslose sind 100.000 mehr als vor noch 10 Jahren. Unabhängig davon wann die nächste Krise ausbricht, ist das Regierungsprogramm so konzipiert, dass es jedenfalls keinerlei Spielraum gibt, soziale Problemstellungen (Pflege, Pension …) der Gesellschaft zu lösen. Die Diktatur der leeren Kassen wird in allen sozialen Bereichen aufrechterhalten.
Profitmodell „green“
Das Maßnahmenpaket „Klima“ kann die Klimakrise nicht einmal ansatzweise lösen. Dies ist jedem Menschen, der rechnen kann, klar – es handelt sich hier um ein Projekt „grüner“ Umverteilung von unten nach oben.
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CO2 und Strom: Subventionen für Private
Die ab 2022 vorgesehene, in den kommenden Monaten zu entwickelnde CO2-Bepreisung legt klar fest, dass es zu keiner Profitschmälerung für einzelne Unternehmen kommen darf. Falls sie kommt, wird sie also zu einer Konsumentensteuer werden.
Die Co2-Reduktion in der Produktion soll durch „technologische Innovation“ bewerkstelligt werden. Die Kosten der Entwicklung und Anwendung neuer Verfahren sollen für die einzelnen Unternehmen kostenneutral durch „Förderungen“, „Investitionsprämien“, „Abdeckung von Mehrkosten für die Technologieentwicklung“ und „Anreizsysteme“ erfolgen, also von der Arbeiterklasse finanziert werden.
Abgerundet wird dieses Programm durch „konsequentes Eintreten für CO2-Zölle auf europäischer Ebene“, also den aktiven Eintritt der EU in die internationalen Handelskriege. Mittels dieser Strategie soll Österreich zu einem weltweit führenden Anbieter für „Green Technology“ werden.
Auch bei der Stromerzeugung soll die Umstellung auf 100% erneuerbare Energie bis 2030 durch Subventionen für private Betreiber bewerkstelligt werden.
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Keine Beschleunigung des Bahnausbaues
Ein massiver Ausbau der Schieneninfrastruktur ist nicht geplant, es wird schlicht fortgeschrieben was von Vorgängerregierungen bereits eingeleitet wurde. Die Regierung bekennt sich zur ÖBB als zentralem Akteur, hier werden „Effizienzsteigerungen“ gefordert – das heißt die ÖBB soll wohl selbst für Angebote wie das 1-2-3€-Ticket aufkommen.
Gleichzeitig ist ein Ausbau (genannt „Lückenschlüsse“) von Autobahnen und Flughägen nicht ausgeschlossen, denn die „Wettbewerbsfähigkeit“ steht im Mittelpunkt. Bahnanschlüsse von Betrieben werden subventioniert.
Die „Green Economy“ entpuppt sich als Füllhorn, das über die Industrie und Kapitalbesitzer ausgeschüttet wird. Hier werden neue Geschäftsfelder mittels öffentlicher Gelder geschaffen und zur Marktreife gebracht und zusätzlich bestehende Technologien zur Steigerung des privaten Profit subventioniert. Die Dynamisierung der Wirtschaft unter dem Adjektiv „green“ (-Bonds, – supporting factor, -meetings, -events, -sport, -finance agenda, -jobs, -deal, -care, -IT. -Economy Made in Austria,…) zieht sich durchs Regierungsprogramm wie der Schimmelpilz durch den Gorgonzola.
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Deregulierung
Wenn man noch die Adjektive „ökologisch“ und „grün“ dazu nimmt, landet man zuletzt sogar bei der Reform des Mietrechtes, das ebenso nach diesem Kriterium neugestaltet werden soll. Gemeint ist oft aber nur die Deregulierung. Dies wird etwa bei der Gewerbeordnung und der Zurückdrängung von Finanzmarktregulierungen klar. „Grüne“ Kredite sollen in Zukunft von Banken mit niedrigeren Sicherheitsstandards vergeben werden können. Die grüne Kreditblase lässt grüßen.
Die Umwandlung des Staatapparates in eine Serviceagentur für Unternehmen (insbesondere für „Start-ups“, denen ein ganzes Kapitel gewidmet ist) wird durchgehend vorangetrieben. Dieser Ansatz geht soweit, dass in Gründung befindliche Schattenbanken und Kryptowährungs-Spekulationsfirmen Einzelbetreuungsservice von der Finanzmarktaufsicht bekommen sollen, um ihre parasitären Geschäfte legal aufsetzen zu können.
Die „Green Economy“ soll also durch kräftige staatliche Finanzierung und -servicierung ins Rollen gebracht werden. Kosten und Risken tragen die Allgemeinheit.
„Migrationsstrategie“, Staatssicherheit und ideologischer Kampf
Das Motto von Türkis-grün lautet, dass Österreich sich aussucht, wer hierherkommt, wer bleiben darf, wie sich diejenigen zu verhalten haben.
Dies bedeutet harte Hand gegen Asylsuchende: elektronische Überwachung der Grenzen, grenznahe Asylzentren, das Promoten von Frontex (inklusive Rückschiebungen vom Meer zurück in die Herkunftsländer), Widerstand gegen Abschiebung bedeutet lebenslanges Einreiseverbot nach Österreich etc.
„Sicherungshaft“ und Bundestrojaner stehen wieder auf der Tagesordnung. Der Zusatz, dass diese Gesetze „verfassungsmäßig“ verfasst werden müssen, dürfte der Grünen Hoffnung geschuldet sein, dass der Verfassungsgerichtshof weniger politisch biegsam ist, wie sie selbst.
Was das „Interesse Österreichs“ ist wird klar ausgesprochen: Durch den Verstärkten Import rechtloser Arbeitskräfte wird der Arbeitsmarkt von unten erodiert. Saisoniers-Kontingente für Landwirtschaft und Tourismus werden ausgeweitet, und die Mangelfachkräfteliste wird erweitert.
Das Programm verspricht eine „Fachkräfteoffensive für Österreichs Unternehmen“ durch gezielten Arbeitskräfte-Import. Die Anträge der Arbeitgeber aus Ländern außerhalb der EU werden von den Behörden innerhalb von 10 Werktagen bearbeitet.
Einkommensgrenzen werden reduziert, der Nachweis, dass die rechtlosen Arbeitskräfte in „ortsüblicher Unterkunft“ wohnen sollen, wird gestrichen. Das heißt: migrantische Arbeitskräfte sollen gezielt importiert, zu niedrigeren Löhnen angestellt werden und müssen keine menschenwürdige Unterkunft mehr bereitgestellt bekommen.
Liberaler Rassismus
Gleichzeitig wird die Wohnbevölkerung Österreichs in einer Kampagne von liberalem Rassismus durchzogen. Die Ausweitung des Kopftuchverbots an Schulen ist dabei die Spitze eines ganzen Maßnahmen-Bündels das sich der zwangsweisen Durchsetzung „unseres Gesellschaftsmodelles“ verschreibt.
Laut dem Bundeskanzler geht es gegen „importierte Machokulturen“ und ein „falsches Rollenverständnis von Zuwanderkulturen“.
Der politische Islam wird ab dem Kindergarten entgegengetreten, aber dieser Kampfbegriff ist nur die Deckung eines breiteren ideologischen Kampfes gegen
„Weltanschauungen, die in Widerspruch zu unseren demokratischen Werten und unserer liberalen Grundordnung stehen“. Diese „dürfen in Schulen nicht verbreitet werden. Präventive Maßnahmen im Bildungsbereich, die das Abdriften von Kindern und Jugendlichen in radikale Milieus möglichst früh verhindern, sind auszubauen.“
Dies betrifft auch den Kampf gegen „links“ wie der Bundeskanzler die Regierungspolitik aus-twittert.
#HassimNetz ist ein widerliches Phänomen unserer Zeit. So etwas darf bei uns keinen Platz haben! Wir werden konsequent gegen Hass im Netz vorgehen – egal ob von links, islamistisch oder rechts. @Alma_Zadic & alle anderen, die davon betroffen sind, haben meine volle Unterstützung!
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) January 9, 2020
Dass der Antifaschismus in Form einer inhaltsentleerten Gedenkkultur zur Staatsaufgabe erklärt wird ist hier nur die Flankendeckung dafür, dass jede politische Alternative zu den real existierenden kapitalistischen Verhältnissen als pauschal verdächtig eingestuft wird.
Türkis-grüner Feminismus: Frauen ans Pflegebett, Vorsorge privat, Verarmung aller Arbeitenden
Die zentrale Rolle der Arbeit der Frau in der Kindererziehung, Pflege und Haushalt wird anerkannt. Hier werden nun Maßnahmen gesetzt, die finanziell Zulasten der männlichen Partner gehen – eine öffentliche Infrastruktur, um solche Arbeiten zu vergesellschaften, findet hingegen keine Erwähnung. Im Regierungsprogramm zeigt sich das liberale Gesicht des Feminismus.
Beispielsweise kommt ein automatisches Pensionssplitting für die Kindererziehung. Dies heißt, dass für eine Periode von zehn Jahren die erworbenen Pensionsansprüche von Mutter und Vater geteilt werden. So erhöht sich der Pensionsanspruch der Mutter auf Kosten jener des Vaters. Diese Form der „Gerechtigkeit“ zieht sich durch. Etwa soll der abschlagsfreie Pensionsantritt nach 45 Beitragsjahren („Hacklerregelung“) abgeschafft werden, was Werner Kogler damit argumentiert, dass dieser hauptsächlich Männern zu Gute komme.
Die finanzielle Umverteilung findet also nicht zwischen Arbeit und Kapital statt, sondern zwischen Mann und Frau innerhalb der Arbeiterklasse.
Gleichzeitig soll zudem auch Profit für den Finanzsektor rausschauen. Für Pensionen und Pflege sollen mittels dem Promoten von Privatversicherungen (dafür gibt es eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen) individuell finanziell vorgesorgt werden. Eine Ausweitung der solidarisch finanzierten Absicherung ist nicht vorgehen.
Die Pflegearbeit an sich wird, deutlicher als in der türkis-blauen Regierungsgrundlage, als familiäre Aufgabe begriffen. Im Regierungsprogramm Schwarz-Blau stand noch:
„Die Pflege zu Hause und in den entsprechenden stationären Einrichtungen ist mittel- und langfristig abzusichern.“
Jetzt heißt es:
„Stärkung der Pflege zu Hause durch Angehörige – Reform der 24-Stunden-Betreuung, um den Bereich Pflegeheime zu entlasten“.
Dafür werden kleine Zuckerl geboten, die die Rolle der Frau der Arbeiterklasse am Pflegebett jedoch nur zementieren („Pflege-Daheim-Bonus“) und ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben verbauen.
Zusammenfassend: die gesellschaftliche Herausforderung einer alternden Gesellschaft sollen also individuell durch familiäre Gratisarbeit und aus privaten Ersparnissen am Finanzmarkt (Zusatzversicherungen) gemeistert werden. Gleichzeitig sollen die Arbeitsbedingungen für (großteils weibliche) Heim-PflegerInnen gedrückt werden.
Die hier skizzierten Politikansätze der Entsolidarisierung und Individualisierung von Risiko (Familienhintergrund, Geschlecht, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Geburtsort,…) ziehen sich stringent durch das Regierungsprogramm.
Im Bildungsbereich soll etwa in der dritten Klasse Volksschule eine „Kompetenzüberprüfung“ stattfinden, die gemeinsam mit dem Zeugnis der vierten Klasse Volksschule den weiteren Bildungsweg des Kindes vorzeichnet.
Oder etwa die Erhöhung des Druckes auf Arbeitslose: „Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können.“
Klarheit über die Grünen
Diese Regierung ist die fast nahtlose Fortsetzung ihrer Vorgängerkoalition. Für uns MarxistInnen ist dies keine Überraschung. Die Grünen sind und waren eine kleinbürgerliche Partei ohne organische Verknüpfung mit der Arbeiterklasse.
Die kleinbürgerliche Basis, der sie sich verpflichtet fühlen, ist mit Start-Ups, „Förderung von Journalistinnen“ (sic Regierungsprogramm!), KünstlerInnen, grünen Kleinanlegerprojekten (etwa im Alternativenergiebereich) u.ä. zufrieden.
Als die drei Hauptargumente für ihre Regierungsbeteiligung werden genannt:
1. Die Alternative wäre eine Neuauflage von Türkis-Blau gewesen, was zu verhindern gewesen sei,
2. das Wahlergebnis von 14 % beinhaltet eine demokratische Verpflichtung Staatsverantwortung zu übernehmen. Auf die Kritik, dass das Programm ein lupenrein konservativ-rechtes sei wird
3. argumentiert, dass die Arbeit jetzt ja erst beginne. Ein zentraler Teil dieser Arbeit sei die „Diskursverschiebung“ weg von der FPÖ.
Spätestens beim dritten Argument sind alle prominenten Grünen KritikerInnen eingeknickt. Die als links geltende neo-Parlamentarierin El-Nagashi tröstet sich etwa so über den antirassistischen Bankrott ihrer Partei:
„Ich fordere das schon lange und werde ab Tag 1 daran arbeiten:
– Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung
– Stärkung von Diversität in der Verwaltung und in staatsnahen Betrieben
– interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung und im Selbstverständnis von Fachpersonal im öffentlichen Dienst
– Bildungsarbeit gegen Antisemitismus und Rassismus“
Die politische Konzeption der Linken innerhalb der Grünen lautet also, dass man die finanziellen Möglichkeiten einer Beteiligung an einer stramm-rassistischen Regierung verwendet, um ausgewählte MigrantInnen in ihrem individuellen gesellschaftlichen Aufstieg zu fördern und einen abstrakten „diskursiven“ anti-Rassismus voranzubringen.
Gleichzeit wird akzeptiert, dass die große Politik die Spaltung der Arbeiterklasse durch Rassismus und unsoziale Maßnahmen fortführt. Anti-Islam und die staatliche Durchsetzung der „österreichischen Tradition“ wird zur Staatsideologie erhoben.
Die Krux dabei ist, dass dies für den Moment durchgeht, weil die Arbeiterbewegung und Linke keine politische Alternative formulieren können, sondern die ideologischen Schwächen El-Nagashis teilen.
Ein Bruch mit Identitätspolitik und Liberalismus, eine Hinwendung zur Arbeiterklasse und ihren Organisationen ist notwendig, um den kommenden Angriffen etwas entgegensetzen zu können.
Arbeiterbewegung: Aufwachen!
Von AK, über ÖGB, allen Teile der SPÖ bis zur Linken außerhalb von ihr: alle diese Akteure vermeiden es, in klare Opposition zu dieser Regierung zu gehen.
Die Führungen der Gewerkschaften streben organisch zu einer Zusammenarbeit mit dem Staatsapparat, mit dem sie ihren gesellschaftlichen Einfluss gegenüber steigender Aggression der Bosse stabilisieren wollen.
Einige positive Nennungen der „Sozialpartnerschaft“ im Regierungsprogramm und ein freundlicher Umgang mit den Spitzen von ÖGB und AK sind hier die Karotte für eine wohlwollend-abwartende Haltung der Gewerkschaftsspitzen.
Die SPÖ-Führung scheint froh zu sein, endlich aus den Schlagzeilen verschwunden zu sein und hofft, dass sie sich als „sachliche Opposition“ irgendwie erholen kann, ohne eigenständige Positionen zu formulieren (wozu sie aufgrund des anhaltenden Richtungsstreit schlicht nicht fähig ist).
In nicht allzu langer Zeit wird sich das Stressniveau in der Parteizentrale und im Wiener Rathaus wieder massiv steigern, wenn das Projekt einer bunten (türkis-grün-pinken) Rathaus-Eroberung klarere Formen annimmt.
Für uns ist klar, dass die verblieben sozialen Errungenschaften Wiens sowohl gegen die aktuelle Politik der SPÖ-Spitze, als auch gegen eine Regierungsübernahme durch die bürgerlichen Parteien verteidigt werden müssen.
Die sozialpartnerschaftliche Orientierung der Gewerkschaften und die liberal-sozialpartnerschaftliche Ausrichtung der SPÖ-Spitze sind die wichtigste Ursache dafür, dass die Arbeiterklasse Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen und des Lebensstandards unter den ständigen Angriffen der Unternehmer und ihrer Parteien nicht aufhalten kann. An diesen Umständen kann man nicht vorbei gehen, sondern man muss sie ins Visier nehmen.
Der monatelange Arbeitskampf den KrankenpflegerInnen im KAV ist nur das Beste, aber nicht das einzige Beispiel dafür, dass Lohnabhängige erfolgreiche Kämpfe führen können. Andere Betriebskonflikte und Auseinandersetzungen, das Ringen um die Kollektivverträge (aktuell in der Sozialwirtschaft), politische Verschiebungen bei Betriebsratswahlen etc. zeigen an, dass die Arbeiterklasse einen Ausweg aus der Defensive sucht und danach strebt, Führungen herauszubilden, die Erfolge organisieren können.
Die kommenden Angriffe der Regierung und die angekündigten Entlassungswellen (bei Magna, AUA,…) bieten objektiv viele Ansatzpunkte die Klassenauseinandersetzung anzuheizen und das Selbstbewusstsein unserer Klasse aufzurichten.
Politisch ist die Orientierung auf einen sozialistischen Neustart der Arbeiterbewegung dringend notwendig – und das geht nur über eine direkte Konfrontation mit den Rechten in Sozialdemokratie und Gewerkschaft.
Schockstarre und Wahltaktik
Die Linke außerhalb der SPÖ teilt alle ideologischen und politischen Schwächen der Sozialdemokratie, ohne jedoch eine Verankerung in der Arbeiterklasse zu haben, oder diese überhaupt anzustreben.
Die Linke hat keine Klassenanalyse. Wir müssen aber klar sagen: Diese Regierung ist durch und durch ein Projekt des Kapitals, eine Bürgerblockregierung, die sich selbst in Nuancen nur minimal von Schwarz-Blau unterscheidet. Die Regierung ist nicht „hier positiv, dort negativ“, „unzureichend“, „ein Ausverkauf der Grünen“ oder empfänglich für Druck von unten: Sie ist vollständig abzulehnen.
Hat man auch hier keine Anti-Körper gegen die liberale Diskurs-Ideologie, und steht somit mit den Grünen auf der gleichen ideologischen Ebene. Die Orientierung der Politik auf „Erzählungen“, individuelle Mehrfachunterdrückung („Intersektionalität“), „Identität“ und die Methode der Quoten für Frauen und Minderheiten als Ansatz zur Veränderung der Gesellschaft werden von der Mehrheit der Linken mit dem linkeren Teil der Regierung geteilt.
Diese moralische Kritik an rechter Politik, ohne dem Fundament der Klassenanalyse, verhindert, den türkis-grünen Bürgerblock klar als politisch feindlich zu erkennen und zu benennen, was aber eine Voraussetzung wäre, um eine gesellschaftliche Opposition gegen diese Regierung zu organisieren. Die Anti-Regierungsproteste verpuffen mit dem Wegfallen der moralischen Empörung gegen die FPÖ.
Politisch ist die Orientierung auf den Staatsapparat und eine „elektorale (auf Wahlen orientierte) Strategie“ ein ergänzendes Hemmnis:
Bei der außerparlamentarischen Linken (LINKS) und der KPÖ besteht wiederum die Hoffnung, dass man die kommende Krise der Grünen und die anhaltende Krise der Sozialdemokratie nutzen könnte, um eine Repräsentanz im Wiener Gemeinderat zu erlangen.
Diese Orientierung löst jedoch kein einziges Problem für die Arbeiterklasse. Welchen Unterschied würde eine Handvoll linkere Abgeordneten im Wiener Gemeinderat machen? Keine.
Ein Blick über den nationalen Tellerrand macht klar: Die Zeit der Mosaik-Linken, die darauf verzichtet, eine aktive Rolle in der Klassenauseinandersetzung zu suchen – und stattdessen den Widerstand gegen die Angriffe des Kapitals nur parlamentarisch „repräsentieren“ will, ist abgelaufen.
Mit dieser Orientierung haben sich die Linksparteien Syriza (Griechenland) und Podemos (Spanien), die als Vorbild für solche Linksprojekte dienen, für die Arbeiterklasse als nutzlos erwiesen (wie auch die kommunalen BürgerInnen-Listen in Spanien und Katalonien). Der französische Versuch von Jean-Luc Mélenchon hebt nicht ab. Die LINKE in Deutschland steckt in einer tiefen politischen Krise und kann vom Einbruch der SPD nicht profitieren.
In Österreich kann ein solches Wahlprojekt, das mit der Aufbruch-Konferenz 2016 gestartet wurde, nicht mehr als Tragödie, sondern nur als Farce überhaupt erst beginnen.
Für Klassenkampf und sozialistischen Neustart
Die grünen Moralblasen werden zerplatzen und mit ihr wird Sebastian Kurz‘ momentane Arroganz verblassen. Die Realität des krisenhaften Kapitalismus und der Regierungspolitik wird die Arbeiterklasse zwingen zu kämpfen. Dies ist die politische Perspektive, der sich Linke verschreiben müssen.
Erinnern wir uns zurück: vor drei Jahren versammelte sich die Linke gesamthaft hinter einem Wahlaufruf für Van der Bellen, um Österreich vor einem Rechtsruck zu bewahren. Derselbe Bundespräsident lobt nun die zweite Regierung mit geplanten Angriffen auf die Arbeiterklasse und dezidiert rassistischem Regierungsprogramm an.
Es ist eine große Ehre, #Österreich wieder als Bundeskanzler dienen zu dürfen. Mein Team und ich werden weiterhin das Beste geben, um unseren Kurs für Österreich fortzusetzen! ?? pic.twitter.com/UmLpUwMtT3
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) January 7, 2020
Die Orientierung auf die „kleineren Übel“, an die angeblich klassenunabhängige, aber eigentlich bürgerliche, „Vernunft“ und die abstrakte politische Orientierung auf „progressive Politik“ hat den Weg in dieses aktuelle Ausgeliefertsein geebnet.
Die Arbeiterbewegung braucht stattdessen ein klassenkämpferisches, sozialistisches, revolutionäres Programm, um den kommenden Angriffen etwas entgegensetzen zu können. Mach mit beim Funke!