Amnesty/SJ/KPÖ: lauwarm gegen den Völkermord – für eine Massenmobilisierung am 20. September!

Ungefähr 1000 Menschen versammelten sich am Dienstag, 5. August, bei einer Kundgebung vor dem (leeren) Parlament und protestierten gegen den Genozid in Gaza. Die Hauptorganisatoren waren Amnesty International und Standing Together; unterstützt wurde der Aufruf von Links, der KPÖ und der Sozialistischen Jugend/SJ. Mit der Nationalratsabgeordneten Muna Duzdar war auch die SPÖ mit einer Rede vertreten.
Nach eineinhalb Jahren des Schweigens beteiligten sich die größeren Organisationen der Arbeiterbewegung damit erstmals an der Mobilisierung gegen den Völkermord, nachdem sie noch im Juni die Großdemonstration in Wien boykottiert haben.
Die Politik dieser Organisationen wird aber wie schon bisher davon bestimmt, was für die Bürgerlichen und ihre Medien akzeptabel ist. In Österreich ist es mittlerweile ‚erlaubt‘, von Völkermord zu sprechen und die ärgsten Exzesse Israels zu kritisieren. Keiner glaubt mehr die Propagandamärchen von Israels „Selbstverteidigung“ und die zunehmende Wut über den Genozid und die Komplizenschaft unserer Herrschenden droht, die gesellschaftliche Stabilität zu untergraben. Das sehen wir nicht nur bei unseren Arbeitskollegen und Mitschülern, sondern auch in den Umfragen. In Deutschland sind 80% gegen das militärische Vorgehen Israels und die Zustimmungswerte für die Regierung sinken immer weiter, weswegen selbst Merz sich gezwungen sieht, leicht zurückzurudern. International sehen wir breite Unterstützung für den New Yorker Bürgermeisterkandidaten Zohran Mamdani und Jeremy Corbyn in Großbritannien, die klar Pro-Palästina auftreten.
Deshalb sieht sich unsere Regierung dazu gedrängt, einen Kurswechsel zu versuchen und die bedingungslose Unterstützung für Israel abzuschwächen – in Worten. Das ist pure Heuchelei. Weil Israel der wichtigste Verbündete des Westens in der Region ist, wird sich in der Praxis an dieser Unterstützung wenig ändern – wie auch bisher noch bei jedem neuen Krieg und jeder neuen Eskalation des Völkermords unsere Regierung fest an der Seite Netanjahus stand.
In unserem Flugblatt argumentierten wir deshalb: „Sie [die Regierung] wollen nicht die Unterdrückung der Palästinenser beenden, sondern Druck auf Israel ausüben, sie auf das ‚normale‘ Maß der letzten Jahrzehnte zurückzufahren.“ Diesen Rahmen akzeptieren die Organisatoren.
Dementsprechend zahnlos war auch der Aufruf für die Kundgebung. Keine Rede davon, dass die Palästinenser seit Jahrzehnten unter Apartheid, Besatzung und Unterdrückung leiden, und auch kein Wort darüber, dass unsere Regierung diese Unterdrückung und den Völkermord von Anfang an unterstützt hat. Stattdessen wird bloß an dieselbe Regierung appelliert, sich für einen Waffenstillstand und humanitäre Hilfe einzusetzen – was ohnehin bereits die Position der Regierung ist. So kann der Völkermord nicht beendet werden.
Der Großteil der Redebeiträge folgte diesem handzahmen Konzept. Amnesty-Geschäftsführerin Shoura Hashemi entschuldigte sich zu Beginn ihrer Rede für ihr langes Schweigen und dankte denjenigen, die bis jetzt auf den Straßen waren. Zu Wort kommen sollte davon aber niemand. In langen Reden wurde auf die bekannten Verbrechen Israels hingewiesen, aber stets die „Gewalt auf beiden Seiten“ verurteilt und damit Vertreibung und Genozid mit dem Widerstand dagegen gleichgesetzt. Ein Redner wollte sich gar nicht festlegen und sprach, während die Menschen in Gaza systematisch erschossen, bombardiert und ausgehungert werden, von einem „dringenden Verdacht auf Völkermord“.
Immer wieder wurde die Zweistaatenlösung und die Anerkennung eines palästinensischen Staates als Antwort präsentiert, insbesondere von Muna Duzdar. In ihrer Rede huldigte sie der „vernünftigen“ Nahostpolitik Bruno Kreiskys, die von Sebastian Kurz zerstört worden wäre. Jetzt allerdings, mit der SPÖ in der Regierung, käme die Vernunft langsam wieder zurück – und damit die Zweistaatenlösung. Diese Position teilt auch die KPÖ.
Was eine Anerkennung Palästinas als Staat an der mörderischen Politik Israels ändern würde, bleibt man uns aber schuldig. Die ganze Geschichte der letzten 30 Jahre zeigt, dass die Zweistaatenlösung eine reine Illusion und in der Praxis gescheitert ist. Der Beginn ihrer Umsetzung mit dem Oslo-Abkommen von 1993 zementierte die Unterdrückung der Palästinenser ein und bereitete den Boden für weitere Vertreibung, Zersiedelung und den jetzigen Völkermord.
[Zur gescheiterten Zweistaatenlösung haben wir in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Artikeln veröffentlicht – eine Auswahl befindet sich am Ende des Artikels.]
Mit diesem opportunistischen Zugang gegenüber den Bürgerlichen hatten die Organisatoren der Kundgebung den ca. 1000 Teilnehmern – viele davon frisch politisiert und zum ersten Mal auf der Straße – nichts anzubieten, außer „ein Zeichen zu setzen“. Während die Reformisten ihre „späte Einsicht“ nun in Worten (ob öffentlich, wie der VSStÖ Uni Wien, oder nur im persönlichen Gespräch) bedauern, sagen sie nichts darüber, dass sie die Repression gegen die Palästinabewegung und die damit einhergehende rassistische Politik der Regierung ideologisch gedeckt oder mit Ausschlüssen (SPÖ) und Gruppenauflösungen (SJ Wien) direkt mitgetragen haben.
Damit provozieren die Reformisten den Zorn derjenigen, die für die Freiheit Palästinas kämpfen wollen, die dem Druck standhielten und sich schon früher auf die Straße trauten. Diese Stimmung fand ihren Ausdruck in einem kleinen, aber energischen „Intifada-Block“ aus dem Umfeld der Studierenden rund um das Palästinacamp, die Sprechchöre gegen den Völkermord riefen und Amnesty, Standing Together, KPÖ und SJ lautstark kritisierten. Dieser Block schaffte mit einigen Slogans (z.B. „Klassenverräter!“ oder „Blut an euren Händen!“) aber in erster Linie Verwirrung bei vielen Teilnehmern, für die der politische Gehalt dieser Auseinandersetzung nicht greifbar war. Das liegt auch an der fehlenden Perspektive für die nächsten Schritte der Bewegung: „Anti-Slogans“ und Rufe über Verrate zeigen nicht auf, was der Weg vorwärts ist und helfen daher auch nicht, den bremsenden Einfluss des Reformismus zu überwinden.
Aufgabe der Kommunisten ist es, Klarheit in der Bewegung zu schaffen. Wir stehen für eine revolutionäre Lösung: Der Sturz des Kapitalismus in den arabischen Ländern und darüber hinaus, der Sturz des zionistischen Regimes in Israel und die Bildung einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens. Diese Perspektive erfordert einen entschlossenen Kampf gegen „unseren“, den westlichen Imperialismus, durch dessen Unterstützung Israels Völkermord überhaupt erst ermöglicht wird.
Es braucht einen grundlegenden Kurswechsel in der Arbeiterbewegung und in der Linken – nicht nur in Worten, sondern in Taten. Rihab Tuomi, Vorsitzende der SJ Wien, hielt auf der Kundgebung die radikalste Rede. Sie sprach (als Einzige) vom Zusammenhang zwischen Kapitalismus, Imperialismus, Unterdrückung und Völkermord und verurteilte die Heuchelei der westlichen Regierungen, wofür sie auch den lautesten Applaus bekam.
Aber daraus fließt, dass man einen offenen Kampf gegen die eigenen Kapitalisten und insbesondere gegen die eigene Regierung organisieren muss, auch wenn die eigene Mutterpartei Teil dieser Regierung ist. Das gilt nicht nur für die Palästinafrage, sondern auch für den Kampf gegen Aufrüstung, Sparprogramme und die kommenden Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Jugend. Doch davon war keine Rede – in keiner einzigen Frage vertreten die reformistischen Organisationen die unabhängigen Klasseninteressen der Arbeiter, sondern ordnen sich den Kapitalisten unter.
Wir sagen daher: „Wer gegen den Völkermord, für die Befreiung der Palästinenser und gegen Sparpolitik und Rassismus ist, muss hier in Österreich gegen den Kapitalismus und gegen die ÖVP-SPÖ-NEOS-Regierung kämpfen.“
Mit dieser Position sind RKP-Aktivisten mit einem eigenen Block, Flugblatt und unserer Zeitung (von der wir 90 Stück verkaufen konnten) auf der Kundgebung aufgetreten. Wir sind auf viel Interesse und Zuspruch gestoßen, doch es war deutlich, dass auch Unsicherheit und Verwirrung herrschen. Mit 1000 Teilnehmern war die Kundgebung auch deutlich kleiner als die Großdemo im Juni.
Das ist kein Wunder. Die Bewegung ist isoliert, weil die Linke völlig entwaffnet und in der Defensive ist. Sie hat den andauernden Lügen über den Völkermord in Gaza und der liberalen Hetze gegen den angeblichen Antisemitismus nichts entgegenzusetzen und ändert daher nur in dem Maße den Kurs, wie es die Herrschende Klasse erlaubt. Keine der großen Arbeiterorganisationen hat den Lügen, dem Rassismus und dem Spardruck der Regierung etwas entgegengesetzt.
Es ist bezeichnend und beschämend gleichzeitig, dass so im völlig von chauvinistischer Kriegshetze dominierten Israel jüdische Jugendliche sich trauen, für ihre Ablehnung von Völkermord und Zionismus ins Gefängnis zu gehen und auf Demos von Faschisten und Polizei verprügelt zu werden, während KPÖ und SJ im sicheren Österreich (wo nur die zukünftige Karriere und das Wohlwollen der liberalen Zeitungen auf dem Spiel steht) erst nach 1,5 Jahren verschämt gegen den Genozid Stellung bezogen haben, zaghaft mobilisieren und, wie im Falle der SJ, nicht einmal mit eigenen Fahnen zur mitorganisierten Kundgebung kommen.
Dabei ist völlig klar, dass die Stimmung in Österreich eine ganz andere ist: Die Mehrheit der Arbeiter, Schüler und Studierenden in Österreich ist trotz jahrelanger Propaganda wütend über Rassismus und Einsparungen, gegen den Völkermord und will die Befreiung der Palästinenser. Dieser Wille muss zum Durchbruch kommen. Es gibt das Potenzial für eine Massendemonstration, das gilt es zu nutzen!
Es bräuchte einen nationalen Aktionstag, für den breit in den Betrieben, Schulen und auf den Plätzen mobilisiert wird. Wenn zehntausende Menschen gemeinsam auf die Straße gehen, wäre ein für alle Mal klargestellt, was das Kräfteverhältnis in Österreich trotz der Propagandalawine der letzten Jahre wirklich ist.
Der nächste Ansatzpunkt dafür ist die Großdemonstration am 20. September in Wien. Das Ziel muss sein, ganze Schulklassen, Kurse und Belegschaften im Kampf gegen den Völkermord, gegen den Rassismus und gegen die Sparregierung zu mobilisieren und die Demo zu einer Massendemonstration der Arbeiterklasse und Jugend zu machen, zu der systematisch in Betrieben und unter der Jugend in ganz Österreich mobilisiert wird.
Wir rufen alle Organisationen der Arbeiterbewegung dazu auf, sich (nicht nur in Worten, sondern vor allem in Taten!) unzweideutig gegen die Bundesregierung und auf die Seite der Palästinenser zu stellen. Wo die Führungen das ablehnen, bremsen oder praktisch blockieren, ist es notwendig, Opposition dagegen zu organisieren und auch als Teilorganisation oder auch Individuum einen Schritt vorwärts zu machen. Die wichtigste Aufgabe ist die sichtbare und offene Kampfeinheit aller Kräfte der Arbeiterbewegung und Linken, die gegen den Völkermord sind, um die Massen zu mobilisieren.
Wir sind überzeugt davon, dass auf der grundlegenden Basis des Internationalismus alle Sozialisten und Kommunisten, die es ernst meinen, praktisch zusammenarbeiten können, um dem Kampf gegen den Völkermord auch in Österreich zum Durchbruch zu verhelfen.