Raiffeisen: Die fetten Jahre sind vorbei

Der Raiffeisenkonzern ist die größte und politisch bedeutendste Bankengruppe Österreichs. Er ist an Agrarkonzernen, Immobilien, Industrie und nicht zuletzt Medien wie etwa dem Kurier beteiligt. Der Konzern spiegelt den Abstieg des österreichischen Kapitalismus wider. Von Martin Halder.
In den letzten Jahren verzeichnete die Raiffeisenbank International (RBI), die von den acht Raiffeisen-Landesbanken kontrolliert wird, Rekordprofite – vor allem in Russland. Während die meisten westlichen Banken sich seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 aus dem russischen Markt zurückzogen, blieb die Raiffeisen als größte Auslandsbank vor Ort und regelte 40-50% des Zahlungsverkehrs zwischen Russland und dem Rest der Welt (Financial Times).
So konnte die RBI ihren Gewinn im Jahr 2022 auf 3,63 Mrd.€ nahezu verdreifachen, wobei das Russlandgeschäft 2,06 Mrd.€ (57%) dazu beisteuerte, Belarus und die Ukraine weitere 162 Mio. Euro. Auch in den darauffolgenden Jahren boomte das Geschäft.
Doch die Finanzierung eines imperialistischen Krieges ist eine risikoreiche Angelegenheit, vor allem wenn man keinen mächtigen Nationalstaat hinter sich hat. Im Wettstreit der Großen wird das österreichische Kapital gefressen.
Die RBI Russland ist ein perfektes Beispiel dafür. Sie ist von russischen Kapitalverkehrskontrollen und westlichen Sanktionen gleichzeitig betroffen. 5 von 6 Bankvorständen wurden mit westlichen Sanktionen belegt, und das US State Department und die EZB üben starken Kontrolldruck aus. Die RBI kann ihr Geld nicht ohne Deal mit Putin und Trump aus dem Land bringen. Insgesamt sind es über 6 Mrd.€, die für die RBI unerreichbar im Niemandsland liegen.
Nun hat der russische Konzern Rasperia, der dem Oligarch Deripaska gehört, Anfang dieses Jahres kurzen Prozess gemacht und die RBI erfolgreich vor einem russischen Gericht geklagt. Der russische Miteigentümer des Baukonzerns STRABAG (der mehrheitlich dem NEOS-Finanzier Haselsteiner und der Raiffeisen NÖ-Wien gehört) hat somit von der RBI 2,044 Mrd.€ Schadensersatz für westliche Sanktionen zugesprochen bekommen. Damit verliert die RBI ein Drittel ihres Vermögens, das bei der Russischen Zentralbank liegt, die restlichen 4 Mrd.€ bleiben nicht abrufbar.
Etwas mehr als 1 Mrd.€ will die Raiffeisen durch Klagen gegen die Vermögenswerte von Rasperia in Österreich zurückholen. Hier kann man sich darauf verlassen, dass die österreichischen wie die russischen Gerichte sorgsam die Sicherheit der hauseigenen Profitinteressen garantieren werden.
Auch auf der anderen Seite der Front – im Kriegsgebiet Ukraine – ist die Raiffeisen gut investiert und das Geschäft scheint noch zu laufen: Hier wurde 2024 neben Rumänien (+17,1%) und Serbien (+12,5%) die Bilanzsumme mit 11,5% am stärksten erhöht.
Doch in Russland wird die Raiffeisen jedenfalls aus dem Markt gedrängt: Das Kreditvolumen wurde im Vorjahr bereits um 30% reduziert und die EZB fordert weiterhin eine Reduktion um 65% bis 2026. Der Aufsichtsratspräsident Erwin Hameseder fasst es so zusammen:
„Die RBI ist in die Mühlen der Geopolitik geraten. Das hat auch das Geschäftsjahr 2024 enorm beeinflusst.“
Weiters zog sich die RBI bereits vollständig aus Belarus zurück, was sich mit 830 Mio. negativ auf das Konzernergebnis auswirkt. In Polen ist die Raiffeisen mit tausenden Zivilklagen wegen spekulativer Fremdwährungskredite konfrontiert (die Katze lässt das Mausen nicht, diese Art der Kredite waren ein zentrales Element der österreichischen Bankenkrise ab 2008). Die Summe, die allein 2024 in Form einer Rückstellung für diesen Streitfall reserviert wurde, beträgt 649 Mio. Euro.
Auch im Inland trüben sich die Wirtschaftsaussichten ein. Bei der Raiffeisen Niederösterreich-Wien hat sich der Gewinn (Konzernergebnis nach Steuern) auf 434,7 Mio.€ halbiert, da eine der größten Beteiligungen der Landesbank, die süddeutsche Baywa AG, knapp an der Zahlungsunfähigkeit vorbeischrammte und sich nun in einem schmerzhaften Sanierungsverfahren befindet.
Doch Russland bleibt der schwerste Schlag für die RBI: Ihr Gesamtgewinn hat sich 2024 so auf 1,16 Mrd. € mehr als halbiert. Gleichzeitig zahlt die RBI satte 605 Mio.€ an Dividenden aus, eine Steigerung von 41%! In anderen Worten: Während die Profite sinken, werden die privaten Taschen der Aktionäre bis zum Bersten gefüllt. Warum?
Unter anderem profitieren davon die Raiffeisenlandesbanken, die Hauptaktionäre der RBI. Wir sehen, der österreichische Imperialismus wird zunehmend auf seine Ausgangsposition der ländlichen Agrargenossenschaften und seine „traditionellen“ Märkte in Zentraleuropa und dem Balkan zurückgedrängt. Österreichs Kapitalismus ist, wie wir immer betonten, vom Ende des Freihandels und der neuen Ost-West-Konfrontation besonders betroffen. Der Bankenkonzern muss sich auf die verstärkte Ausbeutung der heimischen Arbeiterklasse konzentrieren, um seine Profite zu stabilisieren.
Die Raiffeisenbank steht nicht kurz vor der Pleite, doch die Einschnitte in den Profit sind beträchtlich. Und schließlich ist der Zweck einer Bank im Kapitalismus – vom Kriegsgebiet in Osteuropa bis zur Milchproduktion in Niederösterreich – seinen Anteil am Profit einzustecken.
Sinkt die Profitmarge, sucht sich das Kapital neue, profitablere Anlagemöglichkeiten. Der Chef der Landesbank NÖ-Wien, Michael Höllerer, meint etwa, dass das „Geschäftsmodell Österreich“ überdacht werden muss und verlangt nach einer „Pensionsreform mit Ausbau der privaten und betrieblichen Vorsorge und mehr Deregulierung.“
Das ist die Logik des Kapitals: Wenn man nicht mehr beim russischen Kriegsgeschäft mitschneiden kann, dann muss die Altersversorgung dem Kapitalmarkt geöffnet werden, um mit dem Pensionsgeld spekulieren zu können.
Wenn eine Bank so „bankrott“ ist, dass sie derartige neue Geschäftsfelder politisch durchsetzen muss, dann ist die einzige vernünftige Idee die Verstaatlichung dieses Bankenkomplexes und die Weiterführung unter der Kontrolle der Beschäftigten. So kann das Vermögen, das größer als die Hälfte der österrischischen Wirtschaftsleistung ist, dazu verwendet werden, das gesellschaftliche und kulturelle Niveau zu heben, statt es hinunterzudrücken.
(Funke Nr. 234/28.05.2025)