Der Jahresgewinn des letztlich von den Raikas kontrollierten Konzerns der Raiffeisenbank International (RBI) konnte von 1,37 Mrd. € (2021) auf 3,63 Mrd. € (2022) gepumpt werden. Emanuel Tomaselli über Krieg, Profite und die Rolle von Freundschaften.
Die Bedeutung des Russlandgeschäftes für Österreichs Spitzenbanker zu erahnen ist einfach. Die RBI Rossija erzielte einen Reingewinn von 2,06 Mrd. €, dies sind fast 60% des Gesamtprofites der Bank. Belarus (97 Mio. €) und die Ukraine (65 Mio. €) tragen weitere 160 Mio. € zum Gewinn bei. Wenn man den Sondereffekt des Zufallsgewinns aus dem Verkauf der bulgarischen Tochterbank der RBI (453 Mio. €) abzieht, ergibt sich, dass die Profite im Kriegsgebiet 72% des Gewinnes aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Bank ausmachen.
Die RBI habe im vergangenen Jahr auf die Anwerbung neuer Kunden in Russland verzichtet, und das Kreditvolumen in Russland um 23% verringert, so die Banker. Trotzdem verzeichnet die Russland-RBI eine Verdoppelung (205%) des Zinsüberschusses auf 1,5 Mrd. € (im Gesamtkonzern: plus 52%). Auf 2 Mrd. € verfünffacht (plus 478%) hat sich der Ertrag aus Provisionen. Die Kosten sind weit weniger stark gestiegen und so wurde der Gesamtgewinn um 434% gesteigert.
„Krieg ist schrecklich, schrecklich profitabel“ analysierte Lenin den Imperialismus. Wie wir seit Kriegsbeginn argumentieren, ist er für einige Aktionäre in Österreich besonders profitabel. Dies ergibt sich aus der Geschichte des österreichischen Imperialismus noch vor 1914. Österreichs Unternehmen waren die ersten, die sich in der Krise und dem Zusammenbruch des Stalinismus in die ehemaligen Kronländer der Monarchie, angefangen mit Ungarn, wagten. Mit der Konsolidierung des Kapitalismus in dieser Region übernahmen in den meisten Märkten größere westliche Kapitalgruppen die Führungsrolle. Österreichs Manager zogen immer weiter in den Osten und die Tiefen des Balkans. Die RBI eröffnete ihre russische Tochterbank 1996, inmitten des Zerfalls und des Chaos. Heute ist sie die größte Auslandsbank in Russland.
Ohne politische Protektion und Freundschaften auf beiden Seiten ist für die Banker hier nichts zu machen. Die Gewinne der RBI sind das Ergebnis von Kriegswirtschaft und Sanktionen. Unter dem Druck der westlichen Sanktionen und Enteignungen erzwingt der russische Staat Währungsumtausch in Rubel; die Abkoppelung russischer Banken vom Zahlungssystem SWIFT macht die RBI zu einer der wenigen Schlupflöcher für Geldüberweisungen zwischen Russland und dem Westen. Dies ist hochprofitabel, wie die Explosion der Provisionserträge der RBI zeigt.
Die Financial Times berichtet, dass 40-50% des gesamten Geldverkehrs zwischen Russland und dem Rest der Welt über die RBI läuft und beruft sich dabei auf eine anonyme Quelle im Management. Die Bank selbst beziffert ihren Anteil zwischen 25 und 30% des Geldverkehrs in westlichen Währungen. Eine Überprüfung dieser Zahlen ist der Öffentlichkeit nicht möglich. Klar ist, dass US-amerikanische Banken den Rest dieser hochprofitablen Geschäfte kontrollieren dürften und dafür die aktive Unterstützung Joes Bidens haben, wie Die Presse berichtete. Die RBI-Manager hingegen erhielten jüngst einen Brief vom US-amerikanischen Finanzministerium, ein Verfahren das üblicherweise Sanktionen vorangeht. Zur Erinnerung: der ukrainische Staat hat bereits fünf von sechs Vorstandsmitgliedern der RBI mit Sanktionen belegt, nur das ukrainische Vorstandsmitglied der Bank wurde ausgenommen.
Ein weiteres Problem der Banker ist, dass sie in Russland Kapitalverkehrskontrollen unterliegen und den Profit nicht aus dem Land herausbringen können. Daher die Idee eines „Gefangenenaustausches“ der russischen RBI-Profite mit den Resten der russischen Sberbank Europe, die in Wien firmiert. Die Sberbank wurde 2022 durch die westlichen Sanktionen bankrottiert, sitzt aber noch auf beträchtlichen Geld-Vermögenswerten, auf die der russische Eigentümer nicht zugreifen kann. Dieses kreative Manöver soll unter direkter Leitung des RBI CEO Johann Strobl und russischer Mitspieler entworfen worden sein. Der Geheimnisverrat des „Project Red Bird“ getauften Unterfangens dürfte also weit oben in der Bankenhierarchie erfolgt sein. Dies unterstreicht die Aussage des anonymen Informanten der Financial Times: „Wir sind strategisch komplett gespalten.“
Im Geschäftsbericht 2022 rechnet der Vorstand damit, dass die „Provisionserträge“ der Bank heuer wieder um 50% steigen werden. Das zeigt, dass die Hasardeure im Managment der RBI jedenfalls am russischen Markt bleiben möchten und keinesfalls einen „strategischen Rückzug“ planen, wie sie auch auf Journalistenfragen antworten. Inwieweit das möglich sein wird, ergibt sich aus dem weiteren Verlauf der imperialistischen Auseinandersetzung um die Ukraine. Warum die österreichische Regierung jedoch bemüht ist, die Wogen zwischen Russland und dem Westen zu glätten, dürfte nun allen Lesern klar sein. Wir Marxisten schüren keine Illusionen in einen Frieden zwischen den Räubern, sondern kämpfen für das einzige nachhaltige Friedensprogramm: die Verstaatlichung aller Banken und Konzerne unter Kontrolle der Arbeiterklasse.
(Funke Nr. 212/21.3.2023)