Wer zündelt am Balkan?

Der Standard konstatiert, dass die österreichischen Truppen in Bosnien „zu wenig sind“, um das Land im Griff zu halten. Sie sollen am besten gemeinsam mit der pro-westlichen Polizei missliebige Politiker wie den Präsidenten der Teilrepublik Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, einsperren. Diese „Kremlfreunde“ seien eine „Bedrohung für die Demokratie“, so die Kriegshetzer im Standard. Von Vincent Angerer.
Die blutige Konterrevolution im Jugoslawien der 1990er-Jahre endete in Bosnien mit dem von den USA 1995 durchgesetzten Dayton-Abkommen. Dieser Vertrag spaltete das Land entlang nationaler Linien: die bosniakisch-kroatische Föderation und die serbisch dominierte RS. Nationale Identitäten wurden als verfassungsmäßige Kategorien festgeschrieben, so können in Bosnien etwa nur Angehörige der drei offiziell anerkannten „konstitutiven Völker“ – Bosniaken, Kroaten und Serben – für die höchsten Staatsämter kandidieren. Damit werden alle, die nicht einer dieser Gruppen zugeordnet werden, von zentralen politischen Positionen ausgeschlossen. Sephardischen Juden und Roma etwa werden so, obwohl sie seit Jahrhunderten in Bosnien leben, demokratische Rechte verwehrt.
Gleichzeitig wurde ein Kontrollmechanismus für die Westmächte geschaffen: das Amt des „Hohen Repräsentanten“. Er bezieht seine Autorität von UNO und EU, steht über allen gewählten Institutionen wie dem Parlament und hat weitgehende Vollmachten. Er kann demokratisch gewählte Amtsträger entlassen, Gesetze erlassen und neue Behörden schaffen. Mit der EUFOR (ca. 1500 Soldaten) steht ihm eine internationale Truppe zur Verfügung, mit der er seine Macht direkt durchsetzen kann. Der derzeitige Hohe Repräsentant ist der CSU-Politiker Christian Schmidt, sein Vorgänger war über zehn Jahre lang ein Österreicher. Auch innerhalb der EUFOR-Truppen hat Österreich eine herausragende Stellung: Es stellt mit aktuell 211 Soldaten das größte Truppenkontigent und die Kommandanten dieser „Friedenstruppen“ waren seit 2009 durchgehend Österreicher (aktuell Generalmajor Habermayer). Kurz: Bosnien ist eine international verwaltete Kolonie mit starker Beteiligung Österreichs.
Der Dayton-Vertrag bereitete auch den Boden für eine Neuaufteilung, durch die österreichische Banken zur dominierenden Kraft im bosnischen Finanzsektor wurden.
Die Einführung eines Währungsboards, das die Konvertible Mark (BAM) an die Deutsche Mark und später den Euro band, entzog Bosnien die geldpolitische Souveränität und machte das Finanzsystem abhängig von ausländischem Kapital. Der Bankensektor wurde unter westlicher Aufsicht privatisiert, wodurch sich die Austro-Banken frühzeitig Marktanteile sichern konnten.
Bereits Ende 2003 waren drei der fünf größten Banken in Bosnien österreichisch. Sie hielten fast zwei Drittel des gesamten Bankvermögens. Raiffeisen und Hypo Alpe-Adria (heute Addiko) expandierten aggressiv und wurden die führenden Finanzakteure im Land.
Ein Blick auf die Investitionen, die im Jahr 2023 nach Bosnien geflossen sind, zeigt aber einen bedeutenden Aufschwung russischer Investments: Mit 191,91 Mio. € liegt Russland an erster Stelle der Neuinvestitionen. Zwar ist der Gesamtkapitalstock des russischen Kapitals immer noch deutlich kleiner als jener Österreichs, doch das jährliche Investitionsvolumen Russlands übertrifft mittlerweile das österreichische. Auch chinesische Investments steigen kontinuierlich.
Um dagegen zu halten, stellt die EU im Rahmen ihres 6. Investitionspakets 1,2 Milliarden Euro für den Westbalkan bereit. Finanziert wird das Paket aus EU-Zuschüssen, bilateralen Beiträgen und internationalen Krediten. Es ist Teil des EU-Wirtschafts- und Investitionsplans 2021–2027 für den Westbalkan.
Der Balkan wird wieder eine umkämpfte Zone zwischen konkurrierenden Kapitalinteressen. Während der Westen (v. a. Österreich) seine Stellung verteidigt, expandiert russisches und chinesisches Kapital in strategischen Sektoren der bosnischen Wirtschaft. Das spiegelt die Geopolitik wieder – mit dem Ukraine-Krieg, Trumps Anti-EU Politik und der weltweiten Neuaufteilung der Einflusszonen gerät auch der fragile politische Kompromiss des Dayton-Abkommens unter Druck. Deswegen wird in Österreich Stimmung gemacht, um sich einen möglichst großen Anteil Bosniens zu sichern. Die EU strebt dafür aktuell eine Verdoppelung der EU-Truppen in Bosnien an.
Hinter den Phrasen von Demokratie und Recht verbirgt sich die kalte Logik österreichischer Bankenbilanzen. Unsere Herrschenden sind bereit, neue Eskalationen am Balkan zu provozieren, um die Herrschaft ihrer Banken abzusichern. Für die Völker der Region bedeuten diese nur weiteres Leid und Unsicherheit.
Milorad Dodik ist ein korrupter Gangster. Doch auf wie viele Politiker trifft diese Beschreibung ebenso zu? Sein Sturz ist nicht die Aufgabe österreichischer Interventionen, sondern der bosnischen Arbeiterklasse selbst. Wie wir aktuell in Serbien sehen, können unsere Klassengeschwister ganz gut selbst für ein menschenwürdiges Leben auf die Straßen gehen.
Die österreichische Arbeiterklasse hat kein Interesse an kriegerischen Auseinandersetzungen in Bosnien. Im Gegenteil: Die Befreiung der bosnischen Arbeiterklasse vom Imperialismus wäre ein Sieg für alle Unterdrückten – in Bosnien ebenso wie in Österreich.
Hände weg von Bosnien! Schluss mit der Kriegshetze! Bundesheer raus aus Bosnien! Für die sozialistische Balkan-Föderation!
(Funke Nr. 232/24.03.2025)