Eine aktuelle Umfrage zum Vertrauen ins politische System stellt der bürgerlichen Demokratie ein zerschmetterndes Urteil aus. Hinter diesen Zahlen steckt eine profunde Bewusstseinsentwicklung – und eine große Chance für revolutionäre Ideen. Von Yola Kipcak.
Nur noch 34% der Menschen in Österreich glauben, dass das politische System gut funktioniert – ein drastischer Abfall von vor fünf Jahren, als der Wert noch bei 64% lag, so das SORA-Institut in einer aktuellen Umfrage. Das Vertrauen in Institutionen ist ebenfalls im Sinkflug (Bundesregierung 33%/-9%, Parlament 38%/-8%, Bundespräsident 53%/-6%).
Diese Zahlen sind signifikant und spiegeln den Bewusstseinswandel in der Arbeiterklasse wider. Sie sind ein zerschmetterndes Urteil für die „liberale“ bürgerlich-kapitalistische Demokratie, die mit dem Kapitalismus in der Krise steckt.
Die Bundesregierungs-Periode im Nationalrat beträgt 5 Jahre. Seit 2017 (Schwarz-Blau) gab es sechs Bundeskanzler – drei davon allein in einem Jahr (Kurz, Schallenberg, Nehammer). Von den ursprünglichen MinisterInnen der Schwarz-Grünen Regierung sind nur noch 6 von 15 im Amt. Ein ÖVP-Korruptionsskandal jagt den nächsten; die nicht enden wollenden Untersuchungsausschüsse kratzen dabei nur an der Spitze des Eisbergs. „Neutrale“ Institutionen wie die Gerichtsbarkeit greifen zunehmend korrigierend ins politische Geschehen ein und stoßen dabei auf offenen Widerstand der hohen Politik – aktuell: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft befindet sich einmal mehr in einem öffentlich ausgetragenen Konflikt mit dem Bundeskanzleramt, an dessen Spitze sich BK Nehammer ziert, Daten auszuhändigen.
Hinter diesem politischen Kabarett, das niemanden mehr schockiert, vollführt die bürgerliche Demokratie mehr schlecht als recht ihren wichtigsten Hauptzweck: Die Rettung und Verwaltung des Krisenkapitalismus – zulasten der Arbeiterklasse. Diese Tatsache geht an den Menschen nicht vorbei.
Die für die Menschen derzeit wichtigsten Anliegen sind Teuerung (für 42%), ökonomische Ungleichheit (20%), Klimawandel (15%), der Ukrainekrieg (14%) und Zuwanderung (13%).
Die Regierung taumelt von einer Krise zur nächsten und ist zu nichts fähig, außer massive Geldgeschenke an Unternehmen zu verteilen. Der Gefahr von sozialen Unruhen und Klassenkampf sind sich die Herrschenden bewusst, weswegen zwar staatliche Einmalzahlungen wie der Klimabonus verteilt werden (ohne dabei die Profite anzutasten), doch jegliche Selbstbetätigung der Arbeiterklasse soll tunlichst verhindert werden. Oder, wie es Innenminister Karner im September formulierte: Es gehe darum „einen heißen Herbst zu verhindern.“
Die „Märkte“ zeigen ihrem politischen Personal an, dass angesichts der massiv wachsenden Staatsverschuldung Sparpolitik auf die Tagesordnung muss. Dies wird das instabile und morsche politische Gleichgewicht zum Kippen bringen: niemand hat die politische Autorität, dem Volk soziale Opfer abzuverlangen.
Der einzige Grund, warum diese marode und unbeliebte Krisenregierung jetzt noch verwaltet und schaltet, ist die fehlende Oppositionspolitik der Sozialdemokratie. Dies lenkt den latenten politischen Zorn auf die Mühlen der FPÖ, deren Vorsitzender die Partei auf einen demagogischen Oppositionskurs festgelegt hat. Niemand fordert die kapitalistische Politik der Regierung offen heraus.
Die historische Arbeiterpartei SPÖ ist in allen zentralen Fragen mit den Bürgerlichen d’accord: Der österreichischen Wirtschaftsstandort ist ihre heilige Kuh, im Ukraine-Krieg verteidigt sie den westlichen Imperialismus. Selbst der billige Ablenkungs- und Spaltungstrick der Bürgerlichen, eine rassistische Asyl- und Migrationsdebatte zu entfachen, wird von der SPÖ voll aufgenommen. In der tiefsten Krise des Kapitalismus klammert sie sich an die „Stabilität“ wie ein Ertrinkender an ein Stück morsches Holz. Aus sich selbst heraus werden diese Apparate nichts Neues hervorbringen. Die Arbeiterklasse hat politisch zurzeit keine Alternative zur Hand. Dieses Problem kann nur im Klassenkampf gelöst werden. Und dieser wird sich unvermeidlich seinen Weg bahnen.
Wir unterstützen daher enthusiastisch jeden praktischen Schritt im Klassenkampf, wie etwa den Warnstreik der Eisenbahner: Nur so können die Programme und Führungen in der Praxis abgetestet und eine politische Differenzierung vorangetrieben werden. Wir kämpfen für ein sozialistisches Programm in der Arbeiter- und Jugendbewegung. Schließ‘ dich uns an, wenn auch du das für notwendig hältst!
(Funke Nr. 209/6.12.2022)