Gewalt an Frauen radikal bekämpfen
In den letzten Wochen schockierten mehrere Fälle brutaler sexueller Gewalt die Öffentlichkeit. Zuerst Missbrauchsfälle in SOS-Kinderdörfern, dann der „Fall Anna“, bei dem zehn Jugendliche von der Anklage der sexuellen Nötigung und Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung eines zwölfjährigen Mädchens freigesprochen wurden. Das Vertrauen in die Justiz ist erschüttert, das Establishment bemüht sich nun verzweifelt um Schadensbegrenzung. So wurden bei einem weiteren Fall weitaus härtere Urteile gefällt, bei dem eine Lehrerin über Monate von einer Gruppe Jugendlicher erpresst, vergewaltigt und bestohlen worden war. Von Yola Kipcak
Geschlechtsspezifische Gewalt durchzieht unsere Gesellschaft. Während in den Medien vor allem migrantische Jugendbanden als Täter in den Mittelpunkt gerückt werden, womit auf ungustiöse Weise der rassistische Kulturkampf der Regierung untermauert wird, liegt statistisch die größte Gefahr im Familien- und Bekanntenkreis. Medial wenig Beachtung findet die systematische Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz. Jüngst fand eine Studie, dass in NÖ 57% der Frauen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren. Nur ein geringer Anteil von Frauen mit Gewalterfahrung wendet sich an Behörden. Bei Vergewaltigungen gibt es eine geschätzte Anzeigequote von nur 1:11, von diesen führen unter 10% zur Verurteilung. Dabei wurden laut einer Studie aus dem Jahr 2021 8,7% der Frauen über 15 Jahre in Österreich bereits vergewaltigt.
Unsere Sparregierung rühmt sich nun mit dem geplanten „Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen“ 2026-29.Im Grunde die Umsetzung einer verpflichtenden EU-Richtlinie. Ende des Jahres soll es Details geben.
Die gesamte Debatte, von EU-Richtlinien über Regierungsprogramm bis zu Experteninterviews und Fernsehdiskussionen, wird von der Annahme dominiert, dass psychische Probleme und mangelnde Bildung, insbesondere der Männer, sowie Geschlechterstereotype die Ursache für Gewalt an Frauen sind, also vor allem ideologische Erklärungen für Unterdrückung.
Während diese Aspekte zweifellos wirkmächtige Faktoren sind, ignoriert der bürgerliche Ansatz die tieferliegenden Wurzeln von Gewalt an Frauen im Kapitalismus völlig. Die kulturelle Unterdrückung der Frau wird durch die Rolle der Familie im Kapitalismus permanent reproduziert. Die Frau als Sexobjekt, als Arbeitsinstrument oder als Eigentum ist untrennbar mit dem kapitalistischen Familienmodell verknüpft und verkehrt sich in Gewalt, nicht selten aufgrund von Überlastung durch Pflege, Krankheit oder finanziellen Druck. Der hohe Anteil ermordeter Frauen über 60 (mehr als die Hälfte 2025) unterstreicht das. Wir müssen das System radikal stürzen, um uns zu befreien.
Die Antwort der ÖVP-SPÖ-NEOS-Regierung liegt hingegen in administrativen und legalistischen Detailveränderungen. Als großen Wurf präsentierte die Regierung die Einführung des Straftatbestands „Penisbilder Versenden“. Für einige Debatten sorgt derzeit auch die Idee des Prinzips „Ja heißt Ja“ statt „Nein heißt Nein“ für die gerichtliche Behandlung von Sexualstraftaten. Dabei soll entscheidend sein, ob das Opfer aktive Zustimmung zu sexuellen Handlungen gegeben hat, anstatt in erster Linie zu eruieren, ob diese aktiv abgelehnt worden sind. Die konkrete juristische Ausgestaltung ist noch offen und umstritten. Dass Gewaltfälle aufgrund der beträchtlichen Hürden niemals einen Gerichtssaal erreichen, bleibt hier außen vor. Die lange Liste an Schulungsideen für allerlei Personal (Polizei, Justiz usw.) wird die Bittstellerposition von Frauen gegenüber Institutionen ebenfalls nicht ändern.
Während einzelne dieser Maßnahmen mehr oder weniger Erleichterung schaffen können, besteht die gesamte Herangehensweise darin, im bürgerlichen Staatsapparat das zentrale Instrument im Kampf gegen Gewalt zu sehen.
Doch genau dieser Staatsapparat bereitet unter der Ägide derselben Regierungen in Bund und Ländern derzeit massive Angriffe auf die Lebensgrundlagen von Frauen und Mädchen vor. Fehlende Stabilität und Zukunftschancen, Einsparungen im Gesundheits- und Bildungssystem, Kürzungen bei Familienbeihilfe, Mindestsicherung und Pensionen, Angriffe auf Löhne und Steigerung der Arbeitsintensität bzw. -zeit. All das erhöht den Druck auf Familien und damit auch die Gefahr von Gewalt an Frauen.
An dieser konkreten Wirklichkeit muss der Kampf gegen Gewalt an Frauen und gegen Sexismus ansetzen.
Was es braucht, ist ein vollumfängliche, öffentliche, hochqualitative und ausfinanzierte Pflege-, Gesundheits-, und Kinderversorgung sowie Schulen; adäquate Löhne und leistbare Mieten. Nur so kann der materielle Druck auf die Familie systematisch abgebaut werden. Psychologische Zerrüttung, chauvinistische Verhaltensmuster und Genderstereotype sind Ausdruck des Systems, nicht seine materielle Grundlage.
Gewalt an Frauen muss radikal bekämpft werden: in ökonomischen, ideologischen und kulturellen Klassenkämpfen und zwar kraft der Solidarität der Arbeiterklasse, nicht mit staatlich verordneten Fortbildungen.
Es herrscht in der Arbeiterklasse und Jugend ein brennender Hass auf die Ungerechtigkeiten und die Gewalt vor, massenhaft junge Frauen politisieren sich mit dem Wunsch, gegen Sexismus zu kämpfen.
Die Revolutionärin Rosa Luxemburg schrieb einmal: „Die jetzige kraftvolle Bewegung der Millionen proletarischer Frauen, die ihre politische Rechtlosigkeit als ein schreiendes Unrecht empfinden, ist ein solches untrügliches Zeichen, daß die gesellschaftlichen Grundlagen der bestehenden Staatsverordnung bereits morsch und ihre Tage gezählt sind.“
Damals ging es um das fehlende Frauenwahlrecht. Heute haben Frauen in Österreich auf dem Papier die gleichen Rechte wie Männer, doch umso deutlicher wird dadurch, dass die Frauenbefreiung eine soziale, keine juristische Frage ist.
Es wäre die Aufgabe der Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen, aktive Organisierung, Bildung und Selbstverteidigung sowie Schutz von Frauen voranzutreiben, anstatt sich vom kapitalistischen Staatsapparat bereitwillig instrumentalisieren zu lassen, wie die SPÖ, Gewerkschaftsspitzen und auch KPÖ in Graz und Salzburg es tun.
Als Kommunistinnen und Kommunisten decken wir die tiefliegenden Ursachen der Unterdrückung und geschlechtsspezifischen Gewalt im Kapitalismus auf und formulieren ein Programm sowie Methoden des kollektiven Kampfes dagegen. Als Kommunistinnen verstehen wir uns als Kämpferinnen unserer Klasse. Wir wollen so viele Frauen wie möglich dazu inspirieren, sich selbst zu ermächtigen und zu organisieren. Die Frau frei vom Mann, beide frei vom Kapital!