Österreich hat eine der ältesten Kommunistischen Parteien der Welt, die aber schon in der Zwischenkriegszeit eine unbedeutende Kraft war.
„Lernet Russisch!“ war die Parole, die nach dem Sieg der Russischen Revolution in Wien von der revolutionären Linken ausgegeben wurde. Es besteht kein Zweifel, dass 1917/18 unter dem Eindruck des Krieges die Masse der Arbeiterschaft eine sozialistische Umwälzung anstrebte und große Sympathien mit der Arbeiterregierung unter Lenin und Trotzki hegte. Wenn dem so ist, drängt sich die Frage auf, warum sich trotzdem keine starke Kommunistische Partei (KP) etablieren konnte.
Frühgeburt
Damit ein Baby gesund zur Welt kommen kann, braucht es gewisse Voraussetzungen. Die genetischen Grundinformationen müssen passen und die Schwangerschaft muss komplikationsfrei verlaufen. Dies gilt auch für politische Organisationen. Im Fall der Gründung der KPÖ fehlten aber wichtige Voraussetzungen. Zunächst einmal ist es eine Tatsache, dass, anders als in der russischen Sozialdemokratie, wo die Bolschewiki schon rund 15 Jahre zielgerichtet auf die Herausbildung einer revolutionären Führung hingewirkt hatten, die Linke in der österreichischen Arbeiterbewegung nie ein eigenständiges Profil entwickelte und nur ein sehr oberflächliches Verständnis von Marxismus hatte. Erst im Krieg formierte sich mit den „Linksradikalen“ in der sozialdemokratischen Jugendbewegung eine Strömung, die dem Beispiel der Bolschewiki folgte. Sie fiel jedoch der Repressionswelle nach dem Ende des Jännerstreiks 1918 zum Opfer und konnte in den Tagen der Revolution im Herbst 1918 keinen Einfluss nehmen. Die prominenten VertreterInnen der SP-Linken (allen voran Friedrich Adler) waren, anders als Rosa Luxemburg & Co. in Deutschland, nicht bereit, mit der Sozialdemokratie zu brechen und ließen sich von der Parteiführung wieder einbinden.
Dies führte dazu, dass die Gründung der KPÖ am 3.11.1918 von einer zahlenmäßig unbedeutenden, von der Arbeiterschaft völlig isolierten Kleinstgruppe von Kaffeehaus-RevolutionärInnen ausging. Relevantere Teile der revolutionären Linken weigerten sich anfangs bei diesem Projekt mitzumachen und organisierten sich teilweise in einer eigenen Organisation, der „Föderation revolutionäre Sozialisten – ‚Internationale‘“(FRSI). Der Großteil verblieb aber in der Sozialdemokratie und versuchte dort eine Mehrheit von ihren Ideen zu überzeugen.
Frühlingserwachen
Im Frühling 1919 kam die KPÖ aber dann doch in die Gänge. Die Ausrufung der Räterepubliken in Ungarn und Bayern sorgte für Rückenwind. Die Arbeiterräte gewannen nun auch in Österreich an Fahrt. Die Kriegsheimkehrer, die in der russischen Kriegsgefangenschaft Kommunisten wurden, füllten nicht nur das Heer der Arbeitslosen, sondern auch die Reihen der neuen Partei. Vor allem unter denjenigen Teilen der Arbeiterschaft, die am meisten unter dem Elend der unmittelbaren Nachkriegsordnung litten, machte sich eine Ungeduld breit, die Wasser auf die Mühlen der KPÖ-Propaganda war. Während die Mehrheit der ArbeiterInnen der austromarxistischen Perspektive eines „demokratischen Weges zum Sozialismus“ Gefolgschaft leistete, wollte eine Minderheit nicht länger warten und mit den Herrschenden Tacheles reden. So kam die KPÖ im Frühjahr 1919 sprunghaft auf bis zu 40.000 Mitglieder. Die Sozialdemokratie war in dieser Phase gezwungen, lang und breit der eigenen Basis zu erklären, dass man dieselben Ziele verfolge wie die Kommunisten. Lenin und Trotzki wurden in der Arbeiter-Zeitung als Vorbilder aller klassenbewussten ProletarierInnen gefeiert.
Eine wirkliche Massenbasis bekam die KPÖ in dieser Phase nicht, was sie durch pseudorevolutionäre Ungeduld wettzumachen versuchte. Ein Aufstandsversuch im Juni 1919 scheiterte dann auch kläglich. 12 Tote waren die Bilanz dieses Abenteuers. Mit der Niederlage der ungarischen Räterepublik fiel die KPÖ, die eher eine lockere Bewegung war als eine revolutionäre Partei nach bolschewistischem Konzept, wie ein Soufflée in sich zusammen, nachdem zu früh das Backrohr geöffnet wurde.
Einheitsfront
Der Prozess der Weltrevolution hatte 1919 einen schweren Rückschlag erlitten, die bürgerliche Ordnung konnte sich – nicht zuletzt dank der Rolle der Sozialdemokratie – wieder halbwegs stabilisieren. Die von Lenin und Trotzki geführte Kommunistische Internationale (Komintern) sah sich daher gezwungen, ihre Taktik zu ändern. Durch geduldiges Erklären und eine Einheitsfrontpolitik sollten die Kommunistischen Parteien die Massen für ihr Programm zu gewinnen versuchen. Für die Führung der KPÖ war diese taktische Wende ein Buch mit sieben Siegeln. Sie setzte weiterhin auf den Aufbau eigener „roter“ Gewerkschaften und auf den Boykott von Parlamentswahlen. Diese Methoden unterzog Lenin in seinem Buch „Linksradikalismus – Kinderkrankheiten des Kommunismus“ einer scharfen Kritik. Darin schrieb er: „Der rechte Doktrinarismus (der Sozialdemokratie, Anm.) hat sich darauf versteift, einzig und allein die alten Formen anzuerkennen, und hat völlig Bankrott gemacht, weil er den neuen Inhalt nicht bemerkte. Der linke Doktrinarismus versteift sich darauf, bestimmte alte Formen unbedingt abzulehnen, weil er nicht sieht, daß der neue Inhalt sich durch alle nur denkbaren Formen Bahn bricht, daß es unsere Pflicht als Kommunisten ist, alle Formen zu meistern und es zu lernen, mit maximaler Schnelligkeit eine Form durch die andere zu ersetzen, unsere Taktik einer jeder solchen Änderung anzupassen, die nicht durch unsere Klasse oder nicht durch unsere Anstrengungen hervorgerufen worden ist.“
Stalins Musterschüler
Erst mit dem Übertritt der „Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft revolutionärer Arbeiterräte“ (SARA) unter Josef Frey setzte sich ab 1921/22 die von Lenin vorgeschlagene Methode in der KPÖ durch und zeigte auch Erfolge. Doch schon ein Jahr später brachte die bürokratische Einflussnahme der neuen Komintern-Führung (Sinowjew) eine Abkehr von diesem Kurs. Von außen wurde gezielt ein Fraktionskampf angezettelt und eine Politik der „Einheitsfront von unten“ befördert, die eine Karikatur der Politik von Lenin und Trotzki darstellte. Diese Auslegung der Einheitsfront kam einem Ultimatum an die sozialdemokratische Basis gleich, sich der KPÖ und ihren Organisationen (wie den Roten Gewerkschaften) anzuschließen. Kein Wunder, dass damit die Isolation der KPÖ nur verschärft wurde. Von der Komintern von oben beförderte Fraktionskämpfe und ein ultralinker Kurs, wonach die Sozialdemokratie am Weg sei, „selbst immer offener die Rolle des Faschismus zu übernehmen“, verdammten die KPÖ zu völliger Bedeutungslosigkeit.
Von diesem Zeitpunkt an dominierte in der KPÖ eine Führung, die jede politische Wendung des Kreml guthieß. Mal marschierte die Partei ins linksradikale Eck, dann war sie wieder Vorreiterin einer opportunistischen Linie, die die KPÖ letztlich zu einer reformistischen Partei machte, die sich am liebsten als staatstragende Gründungspartei der Zweiten Republik darstellte. Spätestens mit dem Fall der Berliner Mauer gab sie selbst jede kommunistische Rhetorik auf.
(Funke Nr. 176/28.8.2019)
Weitere Artikel in der Reihe:
- Teil 1: Die revolutionäre Geburt der Republik
- Teil 2: Revolutionäre Fieberschübe
- Teil 3: Eure „Ordnung“ ist auf Sand gebaut
- Teil 4: Luxemburg, Liebknecht und die deutsche Revolution
- Teil 5: Zwischen Republik und Rätedemokratie
- Teil 6: Die Revolution befreit die Frauen
- Teil 7: Die Föderative Ungarische Sozialistische Räterepublik
- Teil 8: Die gescheiterte Sozialisierung
- Teil 9: Als in Bayern die Kommunisten regierten
- Teil 10: Linksradikale Kinderkrankheiten