Serbien: Alle Macht den Zborovi!

Das bürgerliche Establishment in Serbien – und darüber hinaus – ist sichtlich nervös. Die Bewegung hält nun bereits 10 Monate an. Von Vincent Angerer.
Versuche des Regimes, die Revolution im Juli durch Polizeigewalt zu beenden, führten nur zu einem neuen Aufschwung. Die Gerichte ließen Anfang August eine Reihe enger Vertrauter Vučićs verhaften – de facto ein Versuch, die Bewegung durch Konzessionen zu beruhigen. Aktuell setzt Vučić wieder auf weitflächige Polizeigewalt sowie den (noch schüchternen) Einsatz des Militärs. Doch weder Zuckerbrot noch Peitsche können die Bewegung stoppen.
Das schiere Ausmaß der staatlich orchestrierten Gewalt geht auch an westlichen Medien nicht vorbei: Die ARD-Tagesschau berichtet, dass Vučić „fallen könnte“, und kritisiert die EU dafür, dass „kein Wort der Unterstützung aus Brüssel“ kommt. Der Grund ist einfach: Die Ausbeutung der Lithiumreserven in Serbien wurde vor kurzem zum Projekt von strategischem Interesse für die EU erklärt. Neben Serbien stehen auch Kobaltminen in Sambia sowie Graphitminen in der Ukraine auf dieser Liste. Die EU – außenpolitisch an allen Fronten unter Druck – hat nicht die Kraft, in Serbien einen Regimechange zu wagen. Dementsprechende Initiativen von Österreichs Außenministerin Meinl-Reisinger wurden daher auf Eis gelegt.
Stattdessen sicherte Bundeskanzler Christian Stocker am 13. August bei einem Staatsbesuch in Belgrad die Teilnahme Österreichs an der Expo 2027 zu. Diese Expo ist ein Prestigeprojekt, das die Position westlichen Kapitals in Serbien stärken soll. Damit zeigen sie klar, dass sie hinter Vučić stehen – und offenbaren ihren wahren Charakter. Es geht nicht um Menschenrechte, sondern um Schürfrechte.
Die konservierende Rolle des Westens ist ein Faktor für die neue Zuspitzung in Serbien. Die Haltung der EU beraubt den liberalen Flügel der Bewegung in Serbien der politischen Perspektive eines reformierten bürgerlichen Regimes in Serbien. Doch es fehlt ein revolutionäres Programm, das den wahren Grund für die Politik der EU aushebeln kann: das kapitalistische Wirtschaftssystem.
Gleichzeitig radikalisieren sich die Massen angesichts der manischen Umschwünge zwischen Zuckerbrot und Peitsche durch Vučić weiter. Die Massen greifen immer direkter zur Gewalt — so wurden Parteizentralen in einer Reihe von Städten angezündet und zerstört. Am Wochenende des 17. August gab es abermals mehr als 170 Proteste im ganzen Land. Teilweise kam es zu regelrechten Straßenschlachten. Vučić reagiert mit verschiedenen Mitteln auf diese Proteste – einerseits mit brutaler Gewalt, andererseits durch die Mobilisierung seiner Unterstützer sowie durch den plötzlichen Aufruf an die Studentenbewegung, sich einem TV-Duell mit ihm zu stellen. Letzteres Angebot wurde sofort mit einem Konter abgelehnt: ein TV-Duell gerne, aber nur, wenn Vučić Neuwahlen ausschreibt.
Vučić selbst wirkt immer nervöser, und die Möglichkeit seines Sturzes wird greifbarer. Er könnte tatsächlich in nächster Zeit von der Bewegung gestürzt werden — der anhaltende Druck der Massen, ihr Trotzen der Polizeigewalt und die breite Unterstützung der Bewegung machen dies möglich.
Doch gleichzeitig müssen wir eines feststellen: Der Grund, weshalb Vučić bis jetzt noch nicht gestürzt wurde, ist das Fehlen eines Programmes für den ersten Tag danach. Vučić könnte womöglich auch ohne ein solches Programm gestürzt werden, doch dies wird die zugrunde liegenden Probleme nicht lösen. Der Kapitalismus in Serbien braucht ein hartes und korruptes Regime, um seine arbeiterfeindliche Politik aufrechtzuerhalten. Vučić ist keine Abweichung, sondern nur Ausdruck des Kapitalismus am Balkan.
Das kommunistische Programm lautet:
(Funke Nr. 236/28.08.2025)