RBI: Sanktioniert vom Westen, enteignet vom Osten

Die Raiffeisen – die größte Bankengruppe Österreichs – konnte lange vor allem in Russland gute Geschäfte machen. Doch Österreich erweist sich als zu kleiner Faktor in der Weltarena: Die Profite der Raiffeisen werden zwischen Ost und West zerrieben. Von Martin Halder.
Die Raiffeisenbank International (RBI) witterte ein gutes Geschäft: Im Jänner und Februar 2022 transportierte sie 9 Mrd. Euro-, Dollar- und Franken-Banknoten nach Russland. Die Manager in Wien kalkulierten richtig: Bargeld wird im Krieg immer benötigt. Darüber hinaus blieb die RBI nach dem Ukraine-Krieg als größte westliche Bank in Russland, was ihr allein im Jahr 2022 einen Rekordgewinn von über 2 Mrd. € bescherte.
Doch die RBI kann auf ihre russischen Profite nicht zugreifen, da ein imperialistischer Krieg nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich geführt wird: Russland verhängte Kapitalverkehrskontrollen, der Westen Wirtschaftssanktionen. Die Austro-Banker bräuchten einen Deal mit den USA und mit Putin, das ist unmöglich.
Letztes Jahr wurde ein derartiger Deal versucht: Der russische Konzern Rasperia hätte seine in Österreich eingefrorenen Anteile am Baukonzern STRABAG (mehrheitlich im Eigentum von NEOS-Finanzier Haselsteiner und der Raiffeisen NÖ-Wien) an die RBI-Russland verkauft. Doch dieser „Geiselaustausch“ (eingefrorene Strabag-Anteile in Österreich gegen eingefrorenes RBI-Geld in Russland) scheiterte unter Druck der USA und der Europäischen Zentralbank. Unterdessen hatten US-Banken kaum Probleme dabei, ihre Russlandgeschäfte neu zu ordnen.
Anfang des Jahres machte Rasperia schließlich kurzen Prozess und klagte die RBI erfolgreich vor einem russischen Gericht. Der russische Miteigentümer der STRABAG bekam 2,044 Mrd. € Schadensersatz für seine eingefrorenen STRABAG-Anteile zugesprochen. Dadurch musste der RBI-Konzern im 2. Quartal 2025 einen Nettoverlust von 557 Mio. € bilanzieren.
Um ihrerseits auf die beschlagnahmten Vermögenswerte von Rasperia in Österreich zugreifen zu können, planten die STABAG-Eigentümer eine Klage in Amsterdam und die Raiffeisen eine weitere Klage vor dem Handelsgericht in Wien. Doch das stellt sich als kompliziert heraus. Erstens hat Rasperia ihrerseits bereits in Russland eine neue Klage eingebracht, nach der der RBI ein Bußgeld von einer Mrd. € droht, sollte an den Gegenklagen in Europa festgehalten werden. Zweitens: Wenn die Raiffeisen in Wien klagen sollte, geht es im Kern darum, dass die RBI ihr Eigentumsrecht an den umstrittenen Strabag-Aktien gegenüber den Sanktionsmächten EU und USA durchsetzt. Ob sich ein Wiener Richter traut, das Sanktionsregime der EU und der USA für die Raiffeisen zu durchlöchern, ist angesichts der geopolitischen Lage Österreichs sehr unklar.
Dieses Vorgehen Russlands ist nicht neu. Nachdem im Dezember 2023 der OMV-Anteil eines Gasfelds in Jamal-Nenzen (Russland) enteignet wurde und die OMV in Wien um Schadensersatz klagte, wurde von russischen Gerichten auch ein Bußgeld verhängt. Doch die OMV hatte das „Glück“, nach der Enteignung des Gasfelds kein weiteres Vermögen in Russland zu besitzen, das enteignet hätte werden können. Die RBI hingegen hat noch mindestens 4 Mrd. € auf der Russischen Zentralbank. Daher zog sich die Raiffeisen bereits aus der Klage in Amsterdam zurück (bleibt nur die Haselsteiner-Familie übrig) und reichte die Klage am Handelsgericht Wien immer noch nicht ein. Ein Nachsatz: Das Gas aus dem Jamal-Komplex soll in Zukunft über die neue Pipeline „Power of Siberia 2“ nach China fließen.
Außerdem gibt es in Russland weitere Schadensersatzklagen gegen die RBI: von Rasperia (339 Mio. €) und vom Pharmaunternehmen R-Pharm International (337,5 Mio. €). Der RBI-Vorstand ist paralysiert wie ein Kaninchen vor der Schlange.
Die Raiffeisen verliert einen beträchtlichen Teil ihres Geschäftsmodells und muss sich auf die Suche nach neuen profitablen Anlagemöglichkeiten machen. Geprägt von harten Rückschlägen auf Auslandsmärkten (neben Russland musste sie Belarus aufgeben und in Polen und Ungarn wird ihr zu Leibe gerückt), richtet sie ihren Blick vermehrt auf den Inlandsmarkt. Zuletzt forderte die Raiffeisenbank NÖ-Wien etwa die Privatisierung und Deregulierung der Pensionen.
In der Raiffeisen-Zeitung wird vom dänischen Modell geschwärmt, wo der Pensionstopf, mit dem an der Börse spekuliert wird, zwanzig Mal so hoch ist. Was sie unter den Tisch fallen lassen: In Dänemark wird das Pensionsantrittsalter sukzessive auf 70 Jahre erhöht und der dänische Pensionsfonds hat allein aufgrund des Einbruchs einer Aktie (Novo Nordisk) in den letzten 12 Monaten um 657 Mio. € verloren.
Bertolt Brecht hat die Rolle dieser Gauner auf den Punkt gebracht:
„Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank.“
Wir stehen für die Verstaatlichung und Zentralisierung der Banken unter der Kontrolle der Beschäftigten und der Arbeiterbewegung: der einzige Garant, dass dieser obszöne Reichtum in Bildung, leistbaren Wohnraum und öffentlichen Verkehr fließt.
(Funke Nr. 237/24.09.2025)