Klimaschutz am Altar des Imperialismus geopfert

In den vergangenen Monaten hat sich die Weltpolitik dramatisch verändert. Wirtschaftliche Krisen, geopolitische Spannungen und militärische Aufrüstung erschüttern Europa. Während bürgerliche Medien täglich über neue Zölle, Krieg und Aufrüstung berichten, ist ein Thema fast vollständig aus den Schlagzeilen verschwunden: der Kampf gegen die Klimakrise. Von Valentin Starlinger.
Das ist kein Zufall. Noch vor wenigen Jahren inszenierte sich die Europäische Union als globale Vorreiterin des Klimaschutzes. Doch nun zeigt sich: Auch „Klimaziele“ sind bloß leere Versprechen, die dem Kapital geopfert werden, sobald sie den Profiten im Weg stehen.
Ein aktuelles Beispiel: Eigentlich hätten Europas große Autobauer dieses Jahr 16 Milliarden Euro Strafe wegen der Nichteinhaltung von CO₂-Grenzwerten zahlen müssen. Die EU plant nun, diese Strafen auszusetzen. Es ist ein Freifahrtschein für Emissionen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit.
Auch der längst überfällige Plan der EU-Kommission, wie bis 2040 eine Reduktion der CO₂-Emissionen um 90% gegenüber 1990 erreicht werden soll, wird verschoben. Gesetze, die im April hätten abgestimmt werden sollen und Unternehmen zu mehr Transparenz und Verantwortung gezwungen hätten, wurden gleich um 2 Jahre verschoben. Immer mehr Staaten äußern Unmut über mögliche Konsequenzen der Klimagesetzgebung. Der deutsche Politiker der Europäischen Volkspartei Peter Liese sagt dem Tagesspiegel etwa klar:
„Ich halte ein Klimaziel von 70% für 2035 für realistisch. 2040 können wir maximal 85% innerhalb der Europäischen Union erreichen, ohne die Gefahr einer Deindustrialisierung heraufzubeschwören.“
Das Bild, das gezeichnet wird: Zu viel Klimaschutz führt zur Deindustrialisierung. Eigentlich ist das genaue Gegenteil der Fall. Wenn wir ernsthaftes Interesse daran haben, unsere Gesellschaft umweltfreundlich umzugestalten, ist das ein gesellschaftlicher Kraftakt, der enorme industrielle Kapazitäten und Investitionen erfordert. Von neuen Bahnnetzen, Dämmung von Häusern und erneuerbaren Energien bis hin zu neuen Produktionsmethoden in der Industrie.
Allein in Wien sind noch rund eine halbe Million Gasthermen in Betrieb. Die Umstellung auf erneuerbare Wärmequellen würde nicht nur die Umwelt entlasten, sondern auch unzählige Arbeitsplätze schaffen. Doch im Kapitalismus fehlt der Anreiz dafür. Denn ökologische Nachhaltigkeit bringt keinen kurzfristigen Profit.
Die Deindustrialisierung Europas ist keine Folge „zu ambitionierter Klimaziele“, sondern direkte Konsequenz des Kapitalismus. Die Monopole und Banken verlagern das Geld dorthin, wo sie am meisten Profite machen können. Das machen sie, indem sie Produktionsstandorte in Billiglohnländer verlagern, während hier die Infrastruktur verrottet.
Dadurch sind viele westliche Unternehmen heute kaum mehr konkurrenzfähig. Vor allem in den Bereichen der Erneuerbaren Energien (Solar, Wind), E-Autos und Batterien hinken sie China massiv hinterher. Deshalb wird etwa in Europa nicht nur nicht mehr in diese Bereiche investiert, sondern um bestehende Großkonzerne zu schützen, wird, wie anfangs erwähnt, Politik gemacht, die die Klimakrise noch zusätzlich befeuert. Die neue geopolitische Lage und angekündigte Zölle werden all diese Entwicklungen nur verschärfen. Milliarden Euro, die beim Klimaschutz „fehlen“, sollen jetzt für Aufrüstung verwendet werden.
Das klingt sehr ernüchternd und viele Menschen denken: „Es wird eh das getan, was möglich ist.“ oder: „Es ist sowieso zu spät.“ Dem muss man mit einem entschiedenen Nein antworten. Wir verfügen über das Wissen, die Technologie und die Produktionsmittel, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden.
Für kurzfristige Profite werden aktuell Werke geschlossen oder auf Rüstungsproduktion umgestellt. Würden die Arbeiter diese besetzen, die Kapitalisten enteignen und sie unter Arbeiterkontrolle stellen, könnten sie stattdessen sofort beginnen, die Produktion auf Züge, Windkraftanlagen, Wärmepumpen oder Solarpanels umzustellen.
In der EU sind derzeit fast 11 Millionen Menschen arbeitslos. Gleichzeitig bleiben 23 % der Produktionskapazitäten ungenutzt. Auch das ist kein Naturgesetz – es ist ein Skandal und ein Verbrechen, dass dieses Potential nicht zu unserem Besten genutzt wird.
Die Kapitalisten und die aktuellen Politiker werden ihren Kurs nicht ändern. Sie haben im Kapitalismus auch gar keine andere Wahl. Nur ohne Profitzwang in einer demokratisch organisierten Planwirtschaft können wir wirklich Veränderung erreichen. Und das ist keine Utopie! Die selbst geschaffenen Krisen des Kapitalismus werden weiter, und immer mehr auch bei uns im Westen, Massenbewegungen und Revolutionen auslösen. Wir müssen jetzt beginnen, uns zu bilden und zu organisieren, um darauf vorbereitet zu sein. Damit wir diese dann zum Erfolg führen können.
(Funke Nr. 233/24.04.2025)