Generalstreik in Italien
In den letzten Wochen haben wir in einer Reihe von Ländern gewaltige Solidaritätsdemonstrationen mit Palästina gesehen. Der Generalstreik in Italien hat dabei gezeigt, mit welchen Mitteln diese Bewegung tatsächlich erfolgreich sein kann. Von Konstantin Korn
Entfacht hat sich diese Massenbewegung rund um die Global Sumud Flotilla, die mit 42 Schiffen die israelische Seeblockade gegen Gaza zu durchbrechen versuchte und so zum Fokuspunkt der Palästinasolidarität wurde. Den Stein ins Rollen brachte Ende August die Rede eines Hafenarbeiters in Genua, der klarstellte, dass er und seine Kollegen diesen wichtigen Hafen blockieren würden, wenn die IDF die Flotilla stoppt.
Einen Monat lang weitete sich die Bewegung immer mehr aus. Ein Streikaufruf der kleinen, linken Basisgewerkschaft USB stieß bereits auf ein riesiges Echo. Diesen Protesttag am 22. September beschrieben unsere Genossen als „Dammbruch“ (siehe Funke, Nr. 237). Doch ein großes Manko war die Gespaltenheit der Gewerkschaften, was lange Zeit eine gemeinsame Mobilisierung verunmöglichte. Diese bürokratische Spaltung stieß auf großes Unverständnis, und vor allem die Führung der größten Gewerkschaft, der CGIL, kam aufgrund ihrer zögerlichen Haltung extrem unter Druck. Wir wissen, dass in etlichen Betrieben streikbereite Kollegen auch gegen den Willen der CGIL-Führung die Initiative ergriffen und eigenständig zum Streik mobilisierten.
Eine Petition unserer Schwesterpartei PCR für einen gemeinsamen Generalstreik erhielt binnen kürzester Zeit die Unterstützung von hunderten Betriebsräten aus ganz Italien. Nach dem erfolgreichen Streik vom 22. September war klar, dass sich die CGIL dem Druck aus den Betrieben wird beugen müssen. Der Streik in Solidarität mit der Global Sumud Flotilla konnte nur ein gemeinsamer Streik von CGIL und USB sein. Wie schon in der Vergangenheit, als Italien große Klassenkämpfe erlebte, erzwangen also die Arbeiter von unten die gewerkschaftliche Einheit.
Eine ganz besondere Rolle in diesem Prozess spielten die Hafenarbeiter, die selbst vorzeigten, wie man mit gezielten Blockadeaktionen die israelische Kriegsmaschinerie treffen kann. Von ihnen ging auch die Initiative für eine internationale Hafenarbeiterkonferenz aus, wo beschlossen wurde, diese Kampfmethoden im gesamten Mittelmeerraum anzuwenden. Dieser Teil der Arbeiterklasse hat eine enorme strategische Bedeutung und kann die Lieferketten im modernen Weltkapitalismus jederzeit lahmlegen. In diesem Kampf wurde die reale Macht der Arbeiterklasse spürbar.
Der Generalstreik am Freitag, dem 3. Oktober, war ein totaler Erfolg mit 2 Millionen Menschen auf der Straße in über 100 Städten. Die rechte Regierungschefin Meloni machte sich lustig über die Streikenden, denen sie unterstellte, sie würden „ein langes Wochenende feiern“. Am Tag darauf wurde sie eines Besseren belehrt, als in Rom noch einmal 1,5 Millionen demonstrierten. Die Straße forderte dabei nicht nur „Free Palestine“, sondern auch den Rücktritt von Meloni. Diese Massenmobilisierung wird von einer neuen Generation getragen. Sie ist für sich genommen schon ein Ereignis von enormer Bedeutung. Sie widerlegt all jene Skeptiker in der Linken, die glauben, dass mit den Wahlsiegen rechter PopulistInnen der Faschismus besiegelt sei. Nach Jahren der Lethargie ist die Massenbewegung wieder zurück. Und sie ist gekommen, um zu bleiben. Mario Iavazzi, der die Gewerkschaftsarbeit der PCR koordiniert, betont, dass diese positive Entwicklung jetzt durch systematische Arbeit an der Basis konsolidiert werden muss: „Nur mit Versammlungen in den Betrieben, durch Koordination über gewählte Delegierte und eine demokratische Organisation der Bewegung wird es möglich sein, diesen Kampf auf ein Niveau zu heben, das es braucht, um die Regierung Meloni besiegen zu können.“
Die reformistische Linke ist angesichts dieser Entwicklung sehr verwirrt. Sie haben den Massen über Jahre die Schuld für die Krise der Linken gegeben und ihnen unterstellt, unpolitisch und unsolidarisch zu sein. Wie ist es dann möglich, dass wir plötzlich den größten politischen Generalstreik im Zeichen der internationalen Solidarität seit Menschengedenken sehen? Sollten die italienischen Arbeiter nicht besser für ihre eigenen sozialen Anliegen kämpfen?
Was große Teile der alten Linken nicht verstehen wollen, ist, dass rund um den Kampf gegen den Genozid noch viel mehr verhandelt wird. Zwei Jahre lang waren wir Zeugen der Heuchelei und Doppelmoral der bürgerlichen Medien und des gesamten Establishments, das den Völkermord in Gaza politisch, diplomatisch und militärisch unterstützt hat. Deshalb haben die Palästinademos unmittelbar den Charakter von Antiregierungsprotesten bekommen. Und hier ist eine neue Generation zu politischem Leben erwacht, dass in Zukunft auch für die unmittelbaren eigenen sozialen Interessen kämpfen wird.