Die Lehren der Gen Z Revolutionen
			
		
	
						
			
		
	
						Auf der ganzen Welt sehen wir eine Welle von Revolutionen, Massenbewegungen und Aufständen, die die herrschende Ordnung erschüttern. Von Serbien bis Spanien, von Madagaskar bis Marokko, von Italien bis Indonesien. Was sie alle gemeinsam haben, ist die explosive Wut der Jugend, die überall an vorderster Front in den Kampf tritt. Von Mio Purgathofer
Innerhalb von nur 48 Stunden stürzte die nepalesische Gen Z die Regierung. Das zeigt den enormen Kampfeswillen der Jugend, der das Regime nichts zu bieten hat außer steigende Arbeitslosigkeit, Teuerung und Korruption. Ohne großartige Organisierung stürmten die Massen, einem Aufruf auf der Plattform Discord folgend, auf die Straße und setzten schließlich das Parlament in Brand.
Die Macht lag auf der Straße und die revolutionäre Bewegung hatte die Chance, ihre eigene revolutionäre Regierung durchzusetzen, doch sie waren sich dessen nicht bewusst. Anstatt auf die eigenen Kräfte zu vertrauen, wurde auf Discord eine Übergangspremierministerin „gewählt“. Sushila Karki ist ehemalige Vorsitzende Richterin am Obersten Gerichtshof (kaum eine Institution repräsentiert so sehr die herrschende Ordnung, weshalb auch dieses Gebäue von den Protesten in Brand gesetzt wurde). Vorerst konnte sie die Massen beruhigen, indem sie Wahlen für nächsten März sowie Korruptionsuntersuchungen gegen drei ehemalige Minister ankündigte. Doch die Massen haben nicht gekämpft, um ein paar schwarze Schafe auszusortieren, sondern in den Worten eines nepalesischen Jugendlichen: Damit das ganze Land „korruptionsfrei wird und jeder einen einfachen Zugang zu Bildung, Krankenhäuser, Medizinversorgung und eine glückliche Zukunft genießen kann.“
Die Situation erinnert an den Sturz der Premierministerin Hasina in Bangladesch 2024. Nach dem ersten Sieg der Bewegung schloss die Führung der Studierenden ein Abkommen mit dem Militär und akzeptierte eine Übergangsregierung eines Bankers, in der sie symbolische Posten erhielten. Schließlich wurde die Herrschaft einer korrupten Clique durch die einer anderen ersetzt.
Das zeigt sehr deutlich, dass der Sturz einer verhassten Regierung nicht ausreicht, um die sozialen Probleme zu lösen. Es braucht den Sturz des Systems, das ständig Korruption und Ungleichheit aufs Neue hervorbringt: des Kapitalismus. Solange die reichsten Familien des Landes und die Imperialisten an der Macht bleiben, sind die Massen zu Elend und Armut verdammt. Nur mit der Enteignung der großen Banken und Konzerne können die Massen tatsächlich das Land entwickeln, den Lebensstandard heben und eine „glückliche Zukunft genießen“.
Das Geschilderte begrenzt sich nicht auf Asien oder die sogenannte Dritte Welt. Dieselbe Wut und Massenbewegungen gegen ein verrottetes System finden auch in Europa statt. Fast ein Jahr lang kämpfen die Massen in Serbien. Die Bewegung gegen die korrupte Vučić-Regierung wurde letzten November durch den Einsturz des Bahnhofsvordachs in Novi Sad, bei dem 16 Menschen getötet wurden, ausgelöst. Sie begann mit Blockaden und Besetzungen der größten Unifakultäten im Land und breitete sich wie ein Lauffeuer in ganz Serbien aus. Immer wieder sind Hunderttausende im ganzen Land auf die Straße gegangen und auch zum Jahrestag am 1. November werden erneut Massenmobilisierungen stattfinden. Gegen Repression wurden Selbstverteidigungskomitees gegründet, die Aktionen, Demos und Blockaden wurden demokratisch in den Massenplena der Bewegung (Zborovi) beschlossen.
In der Stadt Čačak stimmte der lokale Zbor für die Absetzung des Bürgermeisters und organisierte Demonstrationen vor seinem Büro, um ihn zum Rücktritt zu zwingen. Die Zborovi sind Ansätze einer Regierung der Massen, die demokratisch die Gesellschaft nach den eigenen Bedürfnissen verwalten können.
Doch trotz des langen Atems der serbischen Revolution, wurde die Regierung Vučić noch nicht gestürzt. Das liegt daran, dass die Frage, was danach kommen soll, programmatisch nicht geklärt ist. Die Erfahrung vom Sturz Milosevics in den 2000ern hat es klar gemacht, dass ein Machtwechsel da oben nicht ausreicht. Doch in der Bewegung fehlt ein kommunistisches Programm für einen Weg vorwärts.
Anfang September wurde die Besetzung der philosophischen Fakultät (Novi Sad) von der Polizei gewaltsam geräumt. Schon davor ist es zu immer gewaltsameren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die Studierenden haben einen Deal mit dem Rektorat der Fakultät geschlossen und stellen eine Wahlliste zusammen, mit der sie Vučić bezwingen wollen.
Statt die Bewegung zu demobilisieren und sie in parlamentarische Kanäle zu lenken, braucht es eine Ausweitung der Massenmobilisierung und ihrer Organe: Die Zborovi müssen auf alle Arbeitsplätze ausgeweitet und auf der Basis ein revolutionärer Generalstreik organisiert werden. Dafür argumentieren die Genossen der jugoslawischen Sektion der RKI!
Die Gen Z Revolutionen entzünden sich an der offensichtlichen Barbarei im Kapitalismus, entweder Korruption wie in Nepal, oder der Profitlogik, die Menschenleben kostet wie in Serbien. Gleichzeitig gibt es kein Vertrauen in das bestehende Establishment oder politische Parteien, die Anliegen der Massen zu lösen.
Die Jugend, die nichts zu verlieren hat, steht an vorderster Front. Und natürlich macht sie auch Fehler. Aber die zentrale Verantwortung tragen die Führungen der Arbeiterparteien und Gewerkschaften, deren Aufgabe es eigentlich wäre, diese Kämpfe zu führen. Stattdessen desorganisieren sie die Kämpfe und stehen manchmal sogar auf der anderen Seite – in Nepal wurde eine von Kommunisten (Stalinisten) geführte Regierung gestürzt!
Revolutionen sind keine Einakter. In Bangladesch, Nepal und Madagaskar wurden die korrupten Regierungen gestürzt. Die Massen haben ihre Kraft getestet und einen Sieg errungen. Doch der alte Staatsapparat und die herrschende Klasse haben ihre Macht noch in der Hand. Ähnlich der russischen Februarrevolution 1917, wo nach dem Sturz des Zaren eine kapitalistische Übergangsregierung an die Macht kam und sogar eine kurze Periode der Reaktion folgte.
Der Sieg über den russischen Kapitalismus wurde erst im Oktober erreicht, als der alte Staatsapparat durch die Macht der Arbeiterräte ersetzt wurde. Auch damals spielte die Jugend eine wichtige Rolle. Dieser Sieg war nur möglich, weil die Bolschewiki, die Unterstützung der Arbeiterklasse, der Bauern und Unterdrückten gewonnen hatten und die Revolution mit einem klaren Programm anführten.
Das muss eine Lehre für uns Revolutionärinnen und Revolutionäre auf der ganzen Welt sein. Die Bedingungen, die diese Gen Z Revolutionen hervorgebracht haben, sind in allen Ländern präsent. Vor allem die Jugend kann und wird nicht warten, die Probleme sind zu drängend.
Doch damit Bewegungen nicht einfach eine korrupte Regierung durch die nächste ersetzen, sondern die Ursachen von Ausbeutung sowie Unterdrückung tatsächlich beseitigen können, braucht es eine revolutionäre Partei, die sich auf diese Prozesse bewusst vorbereitet.
Mit dieser Perspektive bauen wir die Revolutionäre Kommunistische Partei auf. Wenn du das auch so siehst, tritt uns bei – die Zeit läuft!