Steigende Arbeitslosigkeit, Massenentlassungen und Pleiten: Die Krise der österreichischen Wirtschaft wird immer spürbarer. Dahinter steckt die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit inmitten einer globalen Überproduktionskrise und dass der Standort gleichzeitig geopolitisch zwischen „Ost“ und „West“ zermalmt wird. Das wird den Klassenkampf anschieben. Von Laura Höllhumer.
Nach dem Scheitern der Kika/Leiner Sanierung im November und dem Verlust von 1.400 Jobs, kam es Ende November zu einer Reihe von Massenentlassungen, Pleiten und Betriebsschließungen: Der oberösterreichische Autozulieferer TCG Unitech meldete 882 von 960 Mitarbeiter beim AMS an. Die kollektivvertragliche Gehaltserhöhung im Metallbereich von 4,8% sei ein Problem aufgrund der schwierigen Lage in der Autoindustrie. In Einzelgesprächen mussten sich die Arbeiter entscheiden: Lohnkürzung oder Kündigung. Eine Woche später kündigt der Autozulieferer Schaeffler an, sein Werk in Berndorf mit 580 Mitarbeitern zu schließen und die Produktion nach Rumänien zu verlegen. Das Siemens-Werk für industrielle Stromversorgung in Wien wird bis Ende 2026 schließen, wodurch 178 ihre Anstellung verlieren, ebenso der Faserhersteller Solmax in Linz (ehem. OMV), was 100 Arbeiter vor die Kündigung stellt. Und wenige Tage später meldete der oberösterreichische Motorradhersteller KTM Insolvenz an. Von den insgesamt 4.000 Beschäftigen wurden 750 bereits gekündigt und auch einige Zulieferbetriebe in Tirol und der Steiermark haben ebenfalls bereits Entlassungen angemeldet.
Die Krise ist nun voll da und die Arbeitslosenzahlen sind bereits deutlich angestiegen. Ende November waren rund 384.000 Personen arbeitslos oder in Schulung gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht das einem Plus von gut 31.400 Personen, also einem Zuwachs von 8,9%.
Österreichs Wirtschaft schrumpft 2024 mit -0,8% das zweite Jahr in Folge, das ist die längste Rezession der Nachkriegszeit. Ganz Europa wird aktuell von einer Wirtschaftskrise erfasst, wobei Österreichs Wachstum EU-weit den vorletzten Platz belegt. Die Industrieproduktion sinkt, ebenso die Aufträge der Bauwirtschaft. Der Handel leidet unter dem sinkenden Inlandskonsum aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit und steigender Arbeitslosigkeit.
Die Industrie und der Export nehmen in Österreich einen zentralen Stellenwert ein. 28,1% des BIPs kommt aus der Industrie, und der Warenexport (inkl. Agrarprodukte) erwirtschaftet alleine 42% vom BIP. Die Wertschöpfung, also der Wert der produzierten Waren, brach in der heimischen Industrie im ersten Quartal 2024 um 5% ein, somit deutlich stärker als in Deutschland (-2,6%) und im EU-Durchschnitt (-2,5%). Die wichtige Metalltechnische Industrie verzeichnet im 1. Halbjahr 2024 einen Produktionsrückgang von 10,1%, und berichtet im Herbst vom „niedrigsten Auftragsbestand seit Krisenbeginn“ und dem „Aufbau hoher Lagerkapazitäten“ (also nichtverkaufte Waren).
Krise der Autoindustrie
Österreich hat vom Jänner bis August 2024 um 4,4% weniger Waren exportiert als vor einem Jahr. Der ausschlaggebende Faktor dafür ist die Krise im Hauptexportland Deutschland, wohin 30% der österreichischen Exporte gehen – vorrangig Maschinen und Autoteile für die Autoindustrie. Deutschlands Autoindustrie steht schwer unter Druck: Erstmals in der Geschichte von Volkswagen wird der Konzern drei Fabriken in Deutschland schließen. In Österreich arbeiten etwa 900 Unternehmen mit 81.000 Beschäftigten spezifisch im Auto-Zulieferbereich, 6.200 Arbeiter sind in der Zulieferung für VW beschäftigt.
In der europäischen Autoindustrie realisieren sich alle Krisentendenzen gleichzeitig. Globale Überproduktion verschärft durch Handelskriege, der politisch eingeleitete Umstieg auf E-Mobilität bis 2035, die Technologie- und Produktionsführerschaft Chinas in der E-Mobilität, fallender Massenkonsum, stark steigende Kosten in der Produktion durch die Explosion der Energiepreise, 30 Jahre niedrigerer Produktivitätszuwachs als bei den Konkurrenten USA und China, zuletzt fallende Arbeitsproduktivität, gestiegene Kosten durch Erhöhung der Zinsen und vor allem keine Aussicht auf eine Ausweitung des Marktes, sondern ein chaotisches Schrumpfen, verstärkt und unkalkulierbar wegen des politischen Machtringens zwischen den Großmächten.
Hohe Lohnstückkosten, hohe Energiekosten
Aber warum gerät speziell der österreichische Standort so stark ins Hintertreffen? Neben den Arbeitskosten und der EU-Regulatorik nennt Voestalpine-Chef Eibensteiner die Energiekosten als Hauptproblem. Ablesen lässt sich das an den Lohnstückkosten, also den Kosten pro produzierter Ware – eine zentrale Kennziffer für die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt. Diese sind seit Beginn des Ukrainekrieges in Österreich deutlich stärker gestiegen, als in anderen Ländern. Der Grund dafür liegt in den überdurchschnittlichen Preissteigerungen und der fallenden Auslastung der Betriebe aufgrund der früher eingetretenen Krise.
In keinem EU-Land sind die Gaspreise so stark gestiegen wie in Österreich: Im Zeitraum von Jänner 2021 bis Februar 2024 lag der EU-Durchschnitt bei +65%, in Österreich stiegen die Preis um +201% (also eine Verdreifachung). Der Anteil von russischem Gas lag im September 2024 weiterhin bei 86%. Das Problem der hohen Energiekosten wird sich auch im kommenden Jahr nicht lösen, sondern mit dem Ausfall der russischen Gaslieferungen nochmal verschärft stellen. Das soll auch die Inflation wieder auf 2,5% im Jänner 2025 hochtreiben.
Obwohl die Prognoseinstitute einmal mehr Wirtschaftswachstum in einem halben Jahr ankündigen, gibt es keine faktenbasierten Indikatoren, die das untermauern würden. Im Gegenteil vertieft sich die Krise und Österreich ist der große Verlierer. Angesichts dessen ist Klassenkampf vorprogrammiert.
(Funke Nr. 229/12.12.2025)