Die Kollektivvertragsverhandlungen für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ) haben begonnen. Mit der bisherigen Strategie des Verhandelns hinter verschlossenen Türen können keine Verbesserungen erreicht werden. Es braucht die umfassende Organisierung der gegebenen Kampfbereitschaft. Von Sarah Ott (Betriebsrätin bei LOK).
Personalmangel, Arbeitsverdichtung, Krankenstände und vermehrte Krisen prägten nicht nur die Pandemiejahre, sondern gehören seither zum Alltag.
Die letzten beiden KV-Verhandlungen brachten einen Abgleich der rollierenden Inflation und einige kleinere Verbesserungen im Rahmenrecht, trotzdem bleibt das Einkommen im Sektor weiterhin 20% unter dem Durchschnitt (die diesjährige Gewerkschaftsforderung von 6,1% ist daher kein weiter Wurf). Die Strategie der Gewerkschaftsführungen von GPA und vida war es, lediglich auf die Verhandlungen zu setzen und Mobilisierungen nur in sehr kleinem Rahmen – und auf Druck aktiver Betriebsrätinnen – zuzulassen.
Die Forderungen nach gewerkschaftlicher Demokratie und Kontrolle der Verhandlungen, die wir bei jeder Gelegenheit einbringen, werden von oben tendenziell ignoriert und stets behindert. So werden Protokolle von (Wahl-)Konferenzen nicht, oder nur mit monatelanger Verspätung, an uns ausgeschickt. Bei der österreichweiten BR-Konferenz im Zuge der letztjährigen KV-Verhandlungen gab es keine Diskussionsmöglichkeiten oder Austausch darüber, wie am besten mobilisiert werden könnte, obwohl wir das bereits im Vorfeld mehrfach eingefordert hatten. Eine schon geplante gemeinsame Aktion von Metallern, Handel und SWÖ in Tirol wurde aufgrund des frühen Abschlusses im SWÖ letztes Jahr von oben wieder abgesagt.
Angesichts der Regierungsbildung und bevorstehender Sparmaßnahmen, ist der Druck auf eine „ruhige KV-Runde“ heuer besonders groß. Aber schon in den letzten Jahren fand ein Abschluss immer in der 3. Verhandlungsrunde statt, und ohne dass zuvor das Arbeitskampfpotenzial ausgeschöpft wurde – sehr zum Unmut der Beschäftigten!
Was es braucht, ist eine Eskalationsstrategie und die aktive Mobilisierung der Beschäftigten durch die Aktivistinnen. Bereits nach der Forderungsübergabe sollten Betriebsversammlungen stattfinden, bei denen die Forderungen und ein möglicher Kampfplan diskutiert und Streikbeschlüsse gefällt werden. Nach der ersten Verhandlungsrunde braucht es öffentliche Aktionen und Kundgebungen, um den Druck zu erhöhen. Nach der zweiten Verhandlungsrunde müssen erste (Warn-)Streiks organisiert werden. Außerdem sollten die Aktionen mit dem Handel, wo fast zeitgleich verhandelt wird, koordiniert werden. Mit den Methoden der Gewerkschaftsführung kann man nicht gewinnen. Wir müssen eine systematische Opposition aufbauen, die für eine kämpferische Gewerkschaft eintritt und selbstbewusst eine andere Herangehensweise durchsetzt.
Wir brauchen die Kontrolle über unseren Arbeitskampf. Wir müssen auch selbst entscheiden können, ob wir mit dem Verhandlungsergebnis einverstanden sind oder für mehr kämpfen wollen. Darum braucht es eine Abstimmung über das Verhandlungsergebnis, bevor ein Kollektivvertrag angenommen wird. In den Wiener Privatspitälern gab es eine solche Urabstimmung, und sie erzielten den besten Abschluss des laufenden Jahres; warum freiwillig darauf verzichten?!
(Funke Nr. 227/07.10.2024)