Nachdem die KPÖ den Einzug in den Nationalrat verpasst hat, zieht die Führung der KPÖ völlig falsche Schlussfolgerungen. Statt den Kommunismus stark zu machen, will sie jetzt verstärkt karitative Kleinstarbeit leisten. Von Christoph Pechtl.
Jeder Mensch versteht, dass – auch wenn KP-Bundessprecher Tobias Schweiger jetzt den Parlamentsparteien noch so eindringlich „auf die Finger schaut“ – die Miete dadurch nicht leistbarer wird. Vor allem wenn diese von Experten (Sprecher des Finanzkapitals) wöchentlich aufgefordert sind, noch höhere Beträge einzusparen. Schweiger räsoniert hingegen im Podcast der Jungen Linken (eine von zwei Jugendorganisationen der KPÖ), dass die Arbeiterklasse einfach seine Ideen nicht verstehen könne. Eine „Gesellschaft, die auf Solidarität und Freiheit gleichzeitig aufbaut“, das können die Arbeiter einfach nicht aus ihrer Lebensrealität begreifen, erklärt er. „Der Vorteil der Rechten, ideologisch, ist, dass rechte Ideologien aus den bestehenden Verhältnissen heraus logischer sind […].“
Solche Ideen können wahrlich nur dem Kopf eines Politikwissenschafts-Studenten entspringen. Die Arbeiterklasse arbeitet und kooperiert jeden Tag miteinander und versteht sehr gut, dass man nur gemeinsam die Verhältnisse biegen kann. Ohne organisierten Druck der Arbeiterklasse ist auch parlamentarische Politik nur ein prinzipienloser Kuhhandel unter den Herrschenden selbst. Für Verbesserungen muss man kämpfen, um zu gewinnen, muss man sich politisch stark machen und zusammenschließen. Von solcher Erkenntnis unberührt folgert Schweiger, dass die Aufgabe der Kommunistischen Partei nun ist, karitative Projekte umzusetzen, um den Arbeitern zu lehren, solidarisch miteinander zu sein.
Caritas oder Kommunismus?
Dieser pädagogische Heilsarmee-Kurs wird nun von der Parteispitze bis hin zur Jugendorganisation durchgesetzt. So diskutieren die Jungen Linken in ihrem Bundesausschuss: „Wie können wir im Alltag der Menschen nützlich sein?“ und folgern: „Wir müssen Projekte aufbauen, die Menschen ihre Wirkmächtigkeit spüren lassen.“ Gratis Pizza ist dabei erst der Beginn einer großen Vision. So meint Schweiger:
„Es geht um Gemeinschaftsgefühl. […] Jetzt sind die kommunalen Küchen z.B. nur der allererste Schritt, den wir wollen. Was wir wollen, ist, dass die Partei, die KPÖ die zentrale, die logische, die bequeme, aber auch die starke Infrastruktur ist, die entlang der Menschen die Interessen ihres Alltags gemeinschaftlich organisieren können.“
Der KPÖ geht es so nicht darum, Parteimitglieder etwa in den Kindergärten politisch und gewerkschaftlich zu stärken, sondern darum, das Fachpersonal aufzufordern, nach dem Dienst noch „kostengünstige Kinderkinos“ der Partei zu veranstalten. Glaubt man tatsächlich, dass dadurch von der Lohnarbeit gedrückte Elementarpädagogen endlich einen solidarischen Umgang miteinander lernen werden?
Was tun?
All diese Ideen sind in der Geschichte der Arbeiterbewegung längst widerlegt worden. Schon Lenin führte in seinem Buch „Was tun?“ einen unerbittlichen Kampf gegen die „Ökonomisten“, die wie Schweiger und Co. ihre eigene politische Rückständigkeit mit der Rückständigkeit der Arbeiterklasse verwechselten. Auch sie meinten, die Arbeiter würden die drängenden politischen Fragen nicht begreifen, weshalb man die revolutionäre Propaganda und Agitation einstellen und sich stattdessen nur auf „konkrete“ und „praktische“ Hilfeleistungen konzentrieren soll. Hinter diesen Phrasen steckte das Ausweichen vor einem Kampf mit der Kapitalistenklasse. Um sich den Liberalen anzubiedern, erklärten sie, die Arbeiterklasse solle sich nur um die „alltäglichen Probleme“ kümmern, während den Bürgerlichen die große Politik überlassen werden soll.
In selber Manier erinnert Günther Hopfgartner, Vorsitzender der KPÖ, an das programmatische Dokument „Für eine solidarische Gesellschaft“, das am letzten Parteitag der KPÖ beschlossen wurde: „der Neoliberalismus [behauptet sich] als hegemoniales, materielles und geistiges System einer umfassenden Entsolidarisierung der Gesellschaft.“ Bevor man über den Sozialismus träumen dürfe, brauche es daher erst eine solidarische Gesellschaft, also einen solidarischen Kapitalismus, der eben nicht neoliberal ist.
Wie viele „solidarische“ Etappen die Arbeiterklasse durchlaufen muss, bevor die KPÖ-Führung sich trauen wird, den Kampf gegen die Bürgerlichen aufzunehmen, bleibt unklar. Die solidarische Gesellschaft ist nämlich nicht „eine alternative Gesellschaft“, auch nicht die „Idee einer alternativen Gesellschaft“, sondern nur die „Idee von der Möglichkeit einer alternativen gesellschaftlichen Entwicklung“. Niemand (wahrscheinlich auch nicht Günther Hopfgartner) weiß, was das bedeuten soll.
Bis zur „solidarischen Gesellschaft“ gibt die KPÖ jeden eigenen Klassenstandpunkt auf, um für Wohlwollen in der Redaktion vom „Standard“ zu sorgen, rechtfertigt dies aber mit dem angeblich niedrigen Bewusstsein der Arbeiterklasse. Man unterstützt die eigenen Kriegstreiber in der Ukraine… aber nur, weil die Arbeiterklasse nicht versteht, dass das ein sinnloses imperialistisches Gemetzel ist! Man verweigert Solidarität mit Palästina… aber nur, weil den Massen die Araber ohnehin egal sind! Zu den kommenden Einsparungen und der rassistischen Hetzkampagne der Bürgerlichen muss man schweigen… sonst verliert man noch Wähler! Aber was bleibt Tobias Schweiger übrig? Wenn er die Wahrheit sagen würde, verstünde ihn ja niemand – so sagt er.
Die RKP lehnt diesen unaufrichtigen und herablassenden Zugang zur Arbeiterklasse und Jugend ab. „Nützlich“ für die Arbeiterklasse zu sein bedeutet nicht, die letzten Krümel „solidarisch“ zusammenzukratzen. Es bedeutet, politische Klarheit zu schaffen und die Arbeiterklasse und Jugend in der Klassenauseinandersetzung zu stärken. So wird die Perspektive des Sozialismus in unserer Lebenszeit eine konkrete Perspektive. Wer aber nicht einmal bereit ist, zu erklären, dass sich keines der großen Probleme der Arbeiterklasse im Kapitalismus lösen lässt, ist unfähig, die Lage der Arbeiterklasse zu verbessern.
(Funke Nr. 228/09.11.2024)