Über die Uni-Encampments schreibt ein Twitter-User: „Wann werden endlich alle lernen zu Pro-Hamas-Demonstrationen nicht ‚propalästinensische Demonstrationen‘ zu sagen? #Uniproteste“. ZIB 2-Anchorman Armin Wolf antwortet: „Gute Frage.“
Die einfache Antwort: Obwohl es hierzulande eine felsenfeste nationale Einheit gibt (sie besteht aus den Politikern aller Parlamentsfraktionen, den etablierten Medien – ganz egal ob „Qualitäts“- oder Boulevardpresse –, selbstgefälligen Meinungsmachern und eifrigen Polizisten), die Israels terroristische Kriegsführung nahezu bedingungslos rechtfertigt und verteidigt, lassen sich die meisten normalen Leute von deren extrem einseitiger Berichterstattung nicht (mehr) so ohne weiteres mitreißen.
Dagegen hilft auch nicht das gemeinsame Wording, das sich in den bürgerlichen Medien etabliert hat. Solidaritätsdemos mit den Palästinensern werden gerne als „Anti-Israel“-Demos, ihre Teilnehmer als „Israelhasser“ (z.B. Presse, 6.5.2024) oder „Hamas-Versteher“ (z.B. Standard, 1.12.2023) bezeichnet. Du demonstrierst gegen das Massaker in Palästina? Dann bist du Teil des „Judenhasses im Herzen Wiens“ (Profil, 14.10.2023).
Das Ziel dieser Formulierungen ist es, negative Emotionen zu wecken und so die Sache der Palästinenser mit dem Antisemitismus zu verknüpfen. Es ist die ideologische Vorarbeit für tatsächliche Repression. Bevor die Wiener Polizei das Protestcamp an der Hauptuni räumte, wurden die Studierenden zuerst tagelang öffentlich verleumdet.
Die Meinungen, die es in die Zeitungen schaffen, stehen so wie unsere Regierung stramm auf Seiten Israels. Der eingangs erwähnte Twitterant sprach aus, was wohl die Logik in den Redaktionsstuben bestimmt:
„Ich bin ein vehementer Gegner von Benjamin Netanjahu und seiner rechtsradikalen Minister-Bagage, aber ich bin davon überzeugt, dass kein israelischer Ministerpräsident (egal, aus welchem politischen Lager) den Krieg anders führen würde.“
So ist es. Deshalb wird jede Stimme, die das Leid der Palästinenser anspricht, diskreditiert – sei es der Demonstrant auf der Straße oder Omri Boehm bei den Wiener Festwochen. Deshalb kommt die Berichterstattung nicht ohne Verdrehungen, Weglassungen oder glatte Lügen aus. Und nicht ohne zu jammern, dass die Mehrheit dieses Spiel durchschaut.
Willy Hämmerle