Die Bürgerlichen warnen vor „Falschinformationen“ und „ausländischem Einfluss“ auf Social Media und setzen Schritte zur Einschränkung von Meinungsfreiheit. Doch sie selbst untergraben jedes Vertrauen in Establishment und Medien. Von Valentin Iser.
Am 13. März stimmte die überwältigende Mehrheit im US-Kongress für ein Gesetz, das effektiv die Nutzung von TikTok in den Vereinigten Staaten unterbinden würde. Die chinesischen Entwickler des Mutterkonzers ByteDance könnten ja insgeheim von der Kommunistischen Partei in China kontrolliert werden, so das Hauptargument. In China selbst werden westliche Plattformen wie Instagram, YouTube oder Wikipedia seit Jahrzehnten durch die „Große Firewall“ blockiert – ironisch, dass sich der US-Kongress jetzt auf ähnliche Methoden stützen möchte. Wenn das Gesetz auch vom Senat angenommen wird, sähe sich ByteDance gezwungen, TikTok (einer westlichen Firma) zu verkaufen, was als unwahrscheinlich gilt – das Gesetz ist also eine de facto Verbannung TikToks aus den USA.
Soziale Medien erleichtern die Kommunikation und Meinungsäußerung von Millionen von Menschen weltweit. Das ist aber den herrschenden Klassen überall ein Dorn im Auge. Inmitten der anhaltenden kapitalistischen Krise bricht das Vertrauen in die bürgerliche Demokratie und ihre Institutionen und Medien auf der ganzen Welt ein. Etwa vier von zehn US-Amerikanern haben gar kein Vertrauen mehr in die Medien. In Österreich hält etwa jeder Zweite Printmedien für nicht ausreichend glaubwürdig. Jugendliche wenden sich dadurch eher sozialen Medien als Informationsquelle zu, die aber in Umfragen trotzdem nicht mehr Vertrauen genießen. Anhand der einseitigen Berichterstattung aller bürgerlicher Medien zum Massaker in Gaza ist dieses Misstrauen nur verstärkt worden. Zuletzt hatte der Hashtag #FreePalestine über 300 Millionen Views auf der Plattform TikTok und auf Instagram finden sich 9 Millionen Posts mit diesem Hastag – trotz nachgewiesener aktiver Versuche beider Plattformen, pro-palästinensischen Accounts mit der Löschung zu drohen oder sie zu entfernen.
Das passt den Bürgerlichen gerade im weltweiten „Superwahljahr“ gar nicht ins Bild, denn sie brauchen ihre Medien, um die öffentliche Meinung zu formen und Soziale Medien sind etwas, das sie nicht so direkt kontrollieren können. Die Republikanerin Nikki Haley forderte ein Verbot von TikTok und meinte, durch jede halbe Stunde auf der App werde man „um 17% antisemitischer, mehr pro-Hamas“.
Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, versucht gerade seine Plattformen zu „entpolitisieren“ und wird „politische Inhalte“ – es ist unklar, wie das überhaupt definiert sein soll – in Zukunft gar nicht mehr anzeigen, außer Nutzer stellen dies gezielt ein. Russland wiederum hatte den Sprecher von Meta zuletzt auf eine Fahndungsliste gesetzt, nachdem sie Meta zuvor als „terroristisch und extremistisch“ einstuften.
Und auch die EU plant jetzt eine Regelung, die unter dem Vorwand, Wahlwerbungen transparenter zu gestalten, unter anderem aus dem Ausland gesponserte Wahlwerbungen drei Monate vor einer Wahl verbieten soll. Sie geben dabei selber zu, worum es ihnen geht: das „Vertrauen der Bürger in Wahlkampagnen stärken“, sprich: sie hinter dem eigenen wirtschaftlichen und militärischem Block vereinen und „vor ausländischem Einfluss schützen“. Auch in Österreich meinte Generalmajor Vorhofer im Ö1 Journal, „Präventivmaßnahmen“ seien sinnvoll, denn es werde von außen versucht, „in die Gefühlswelt der Menschen einzudringen“. Er fürchtet, Menschen könnten Informationen erhalten, die dazu führen, dass sie „die Handlungsweise der NATO oder der EU hinterfragen“.
Sosehr Soziale Medien auch ein Werkzeug zur Agitation oder Kommunikation sein können, liegen sie derzeit völlig unter der Kontrolle von kapitalistischen Riesenkonzernen. Nur unter Arbeiterkontrolle könnten sie tatsächlich der Gesellschaft dienen. Darum ist es so wichtig, dass die Arbeiterklasse über ihre eigenen Medien verfügt, wie hier in der Form einer unabhängigen Arbeiterzeitung. Deswegen bau die Arbeiterpresse auf!
(Funke Nr. 222/27.03.2024)