Mit Benkos Signa erlebt die Republik Österreich die größte Pleite ihrer Geschichte. Der Bankrott in Zeitlupe zerrt ins Scheinwerferlicht, was normalerweise nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt ist: wie die Bourgeoisie ihre Profitinteressen mittels des Staatsapparat durchsetzt. Der Fall der Signa wird die wirtschaftliche und politische Krise noch weiter vertiefen. Von Laura Höllhumer.
Rene Benko hat mit dem größten Immobilienkonzern Europas eine finanzielle Zeitbombe aufgebaut. Signa soll mindestens 13 Mrd. Euro an Schulden angehäuft haben, die Geldgeber sind weltweit 130 Einzelpersonen, Banken und Versicherungskonzerne, u.a. in Moskau und Nahost. Der größte Gläubiger in Österreich ist der Raiffeisenkonzern, der Benko 1,2 Mrd. geliehen hat. Kurz vor den Pleiten soll Benko noch 300 Mio. € aus dem Signa-Firmengeflecht in seinen persönlichen Einflussbereich verschoben haben (Financial Times 25.1.2024).
Das Ende vom Immo-Boom
Benkos Strategie bestand darin, Gewerbeimmobilien zu kaufen und durch Sanierungen, Vermietungen oder Neubauten zu verteuern und auf dieser Basis neue Kredite aufzunehmen. Dieses Geschäftsmodell funktionierte, solange das Geld bei Investoren locker saß und die Preise für Immobilien stiegen. Seit letztem Jahr sind die Nachfrage und Preise nach (insbesondere Gewerbe-) Immobilen aber eingebrochen und die Kredite haben sich verteuert, die Profitabilität des Kartenhauses war nicht mehr gegeben.
Im Jahr 2020 schüttete die Signa-Gruppe noch 200 Mil. Euro an Dividende an die Anleger aus. Und das, ohne überhaupt große Verkäufe von Immobilien zu tätigen, der Gewinn ergab sich allein dadurch, dass der Wert der Immobilien am Papier erhöht wurde. Ermöglicht wurde das durch ein “barockes” Firmengeflecht aus 1000 Sub-Unternehmen, die sich gegenseitig Immobilien vermieten oder verkaufen und so für hohe Bewertungen sorgten. Eine Verurteilung wegen Korruption 2012 legt nahe, dass politische Verbindungen dabei schon immer Teil der Signa-Geschäftsstrategie waren.
Benkos Arm in den Staat
Ein Beispiel aus der Praxis: Signa erwarb 2013 für 130 Millionen Euro die ehemalige Zentrale der Österreichischen Postsparkasse, ein Jugendstil-Wahrzeichen Wiens. Sechs Jahre später wurde mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG, Teil der staatlichen ÖBAG) ein ungewöhnlich langer Mietvertrag über 99 Jahre vereinbart. Diese Vermietung verdoppelte den Wert des Gebäudes in den Büchern.
Benko dürfte für diesen lukrativen Deal seine Beziehungen spielen lassen haben: Er hatte persönliche Verbindungen zu Stadlhuber (Chief Executive der BIG) und gleichzeitig zu Thomas Schmid (ÖBAG-Chef). Wie die geleakten Schmid Chats offenlegen, bestanden diese “persönlichen Verbindungen” zu diesen hohen öffentlichen Funktionären in Einladungen zum Luxusurlaub auf die Yacht, zur Jagd und Jobangeboten. Ein ähnlicher Deal wurde für eine weitere Immobilie vorbereitet, aber nach der Entlassung von Thomas Schmidt („Wir sind die Huren der Reichen“) plötzlich ohne Angabe von Gründen gestoppt. Stadlhuber wurde kurz nach dem Deal Chefmanager der Signa (FT 14.12.23).
Im Zuge des Kaufs einer Kika/Leiner Immobilie, den Sebastian Kurz eingefädelt hat, beschrieb dieser das Verhältnis der Politik zu Unternehmern wie Rene Benko so:
“Der Zugang der Bundesregierung ist, eine serviceorientierte Verwaltung anzubieten. Das gilt insbesondere für Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch für Unternehmen, wenn es um die Rettung von heimischen Arbeitsplätzen geht.”
Heute ist Kika/Leiner insolvent, viele Arbeitsplätze sind verloren, aber Rene Benko verdiente daran 300 Mio. €.
Wenn man solche Deals macht, ist es natürlich auch vorteilhaft, Fürsprecher in der Justiz zu haben. Justizinterne Dokumente legen nahe, dass Benko einen solchen im kürzlich verstorbenen Sektionschef der Sektion IV „Strafrecht“ im Justizministerium Christian Pilnacek hatte. Dieser soll die Einstellung einer Ermittlung wegen Bestechung angeordnet haben, obwohl alles für eine Anklage vorlag (Standard 12.01.24).
Mit der Regierung Kurz erlangte nicht nur Benko, sondern eine ganze Gruppe neu aufgestiegener Austrokapitalisten eine direkte politische Interessensvertretung. Frank Stronach (Magna), Mateschitz (Red Bull), Novomatic-Boss Johann Graf, Signa-Chef Rene Benko, Steyr-Eigentümer Sigi Wolf, KTM-Chef Pierer, Wire-Card Manager Jan Marsalek, etc. machten alle ihr Vermögen in den 1990ern und 2000ern. Benko war Teil eines Netzwerkes mit organischer Verbindung zu russischem Kapital, Signa lieh sich 2021 80 Millionen von der teilstaatlichen russischen Bank VTB. Geschäfte mit der Spionagefirma DSIRF rücken die Signa in die Nähe zu Jan Maslek, dem ehemaligen Finanzvorstand des deutschen Skandalunternehmens Wirecard, der seit 2020 auf der Flucht und mutmaßlich in Russland untergetaucht ist (Standard 03.05.23). Mit Benko erleidet ein weiterer ehemaliger Aufsteiger Schiffbruch.
Regulierung, Moral oder Enteignung?
Die Signa Pleite ist nur der sichtbarste Ausdruck der tiefen Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Heute ist der Immobiliensektor genauso hoch verschuldet wie vor der Wirtschaftskrise 2008, als der Zusammenbruch des Immobooms eine weltweite Wirtschaftskrise auslöste. Die Ära der niedrigen Zinsen schuf unzählige aufgeblähte Unternehmen, die nur durch niedere Zinsen profitabel bilanzierten. Dies war (finanz-)politisch von allen politischen Akteuren auch genau so gewollt. Gleichzeitig steht das sinkende Schiff Signa auch für den Zustand des österreichischen Kapitalismus im Besonderen: die goldenen Jahre sind vorbei, die gerade noch so profitablen Beziehungen zu Russland wurden zum Mühlstein, der ihn nach unten zieht.
Wer hofft, Rene Benko würde jetzt seine gerechte Strafe bekommen, der liegt falsch, er wird am Ende noch immer Multimillionär sein. Laut Justizministerin Alma Zadic und der Arbeiterkammer sollen aber höhere Strafen auf Bilanzsäumigkeit solche spekulativen Geschäfte in Zukunft verhindern. Aber wenn die Enthüllungen aus dem Fall Signa eines deutlich zeigen, dann dass es für Arbeiter falsch ist, auf den bürgerlichen Staat zu hoffen. Es gibt kein Gesetz, das nicht durch Schlupflöcher umgangen wird, und die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus kann man gesetzlich nicht wegregulieren. Und im Zweifelsfall wissen Männer wie Benko, wie sie sich ihre Freunde im Staatsapparat und allen Parteien zu Nutze machen, um den persönlichen Schaden gering zu halten.
Benko, in der Vergangenheit um PR und Society-Auftritte nie verlegen, tritt seit dem Zusammenbruch seines Imperiums nicht mehr öffentlich auf. Stattdessen reiten seine Bezahljünger aus. SPÖ-Schwergewicht Alfred Gusenbauer etwa scheint zahlreiche politiknahe Geschäfte von Signa in vier verschiedenen Funktionen (aktienrechtlich alles legal, was er betont, und wir nicht bezweifeln) extrem erfolgreich „beraten“ haben. Er hat neue Zahlungsforderungen von 6,3 Mio. € an das Pleiteunternehmen eingebracht, und macht weiter PR für das Unternehmen (und sich selbst). Auch Sebastian Kurz hofft noch 1,65 Mio. Vermittlungsprovisionen aus der Konkursmasse herauszuschinden.
SPÖ-Chef Andreas Babler betont seine moralische Empörung, die Notwendigkeit von Reichensteuern etc., ohne jede weitere Konsequenzen zu ziehen, etwa in der eigenen Partei. Die moralische Empörung dient nur dazu, die Tatsache zu übertünchen, dass der Reformismus angesichts der realen Machtverhältnisse im Kapitalismus komplett kapitulieren muss. Alfred Gusenbauer hält sich hingegen nicht mit Spekulationen über moralische Prinzipien auf, ihn leitet „das nackte Interesse, die bare Zahlung“ (Marx). Damit hat er den Kapitalismus besser verstanden als jeder Moralapostel.
Der einzige Weg so eine Bereicherung auf Kosten der Arbeiterklasse zu beenden, ist, dass die Arbeiter selbst die Kontrolle über die Wirtschaft übernehmen und dafür die großen Konzerne enteignen und unter demokratische Kontrolle stellen. Ein erster Schritt ist die Öffnung aller Geschäftsbücher durch die Organisationen der Arbeiterbewegung. In den Pleiteunternehmen der Signa-Handelgruppen sollten die Belegschaften alles noch vorhandene Eigentum in Beschlag nehmen, um nicht einmal mehr als Kollateralschaden unter die Räder zu kommen.
(Funke Nr. 220/26.1.2024)