Wie Frauenunterdrückung mit dem Kapitalismus zusammenhängt – und warum der Kampf dagegen nur Klassenkampf sein kann, argumentiert Yola Kipcak.
In den letzten paar Jahren haben wir riesige Bewegungen für Frauenrechte gesehen, beispielsweise als Trump in sein Amt eingeführt wurde, in Polen gegen strengere Abtreibungsgesetze und die Bewegung gegen Gewalt an Frauen in Argentinien und Mexiko. Das Bewusstsein darüber, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern heutzutage keinesfalls gegeben ist, ist auch hierzulande groß. Laut einer EU-Umfrage finden 66% der ÖsterreicherInnen, dass Ungleichheit zwischen den Geschlechtern weit verbreitet ist. Die Unterdrückung von Frauen zieht sich durch alle Sphären der Gesellschaft: Am Arbeitsplatz genauso wie durch Rollenbilder in der Gesellschaft, die die psychische und soziale Entwicklung von Frauen prägen. Sexistische Vorurteile, Übergriffe bis hin zur Gewalt gehören zum kapitalistischen Alltag.
Um den Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen zu führen ist es daher zentral, Klarheit über ihre Ursachen zu gewinnen und daraus abgeleitet die notwendigen Kampfformen zu wählen.
Der Ursprung der Frauenunterdrückung
Unterdrückung hat ihre Wurzeln in der Klassengesellschaft selbst – das gilt auch für Missbrauch, Gewalt, Sexismus und Intoleranz. Denn Frauenunterdrückung hat es nicht immer schon gegeben: In frühen egalitären Gesellschaften, die wir MarxistInnen als „urkommunistisch“ bezeichnen, gab es kein Privateigentum und somit auch keine Klassen, die ihr Eigentum schützen und andere dafür ausbeuten – und auch keine Frauenunterdrückung. Mit der Entstehung von Privateigentum und Klassengesellschaft änderte sich die Rolle der Familie wesentlich:
„Die Führung des Haushalts verlor ihren öffentlichen Charakter. Sie ging die Gesellschaft nichts mehr an. Sie wurde ein Privatdienst; die Frau wurde erste Dienstbotin, aus der Teilnahme an der gesellschaftlichen Produktion verdrängt.“ (Engels, Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates)
Es stimmt also, dass Frauenunterdrückung viel älter als das kapitalistische Wirtschaftssystem ist, nämlich so alt wie Klassengesellschaften selbst. Dennoch ist es falsch anzunehmen, wie der Feminismus es tut, dass der Kampf gegen Frauenunterdrückung in irgendeiner Form separat vom Kampf gegen den Kapitalismus geführt werden kann. Denn das herrschende System hat sich die Frauenunterdrückung völlig einverleibt.
So wie das feudale Relikt der Monarchien, die es in vielen Ländern noch gibt, heute als Stütze des Kapitalismus dient (und nicht etwa der Wiedererrichtung des Feudalsystems), so ist auch die vorkapitalistische Frauenunterdrückung fester Bestandteil und Stütze des Kapitalismus.
Die Familie im Kapitalismus
Die Familie ist eine wesentliche Säule der kapitalistische Wirtschaft, indem wichtige Arbeit von Frauen im Heim erledigt wird, ohne die Profitgenerierung der herrschenden Klasse zu beeinträchtigen. Gesellschaftliche Reproduktionsarbeit ist jene Arbeit, die an und für sich keinen Profit generiert, die jedoch nötig ist, um Menschen gesund und arbeitsfit zu halten, wie (häusliche) Kindererziehung, Pflege und Hausarbeit.
„Erst die große Industrie unsrer Zeit hat ihr – und auch nur der Proletarierin – den Weg zur gesellschaftlichen Produktion wieder eröffnet. Aber so, daß, wenn sie ihre Pflichten im Privatdienst der Familie erfüllt, sie von der öffentlichen Produktion ausgeschlossen bleibt und nichts erwerben kann; und daß, wenn sie sich an der öffentlichen Industrie beteiligen und selbständig erwerben will, sie außerstand ist, Familienpflichten zu erfüllen. Und wie in der Fabrik, so geht es der Frau in allen Geschäftszweigen, bis in die Medizin und Advokatur hinein. Die moderne Einzelfamilie ist gegründet auf die offne oder verhüllte Haussklaverei der Frau, und die moderne Gesellschaft ist eine Masse, die aus lauter Einzelfamilien als ihren Molekülen sich zusammensetzt.“ (Engels, ebd.)
Das heißt, während der Kapitalismus durch die (öffentliche) Lohnarbeit von Frauen die Grundlage für ihre Befreiung zwar geschaffen hat, wird diese gleichzeitig dadurch verunmöglicht, dass Reproduktionsarbeit nach wie vor primär privat in der Familie verrichtet wird. Ein wesentlicher Schritt zur Selbstbestimmung über das eigene Leben für Frauen ist daher, ihrer Unterdrückung die ökonomische Grundlage zu entziehen: Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss gesellschaftlich organisiert werden. „Mit dem Übergang der Produktionsmittel in Gemeineigentum hört die Einzelfamilie auf, wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft zu sein. Die Privathaushaltung verwandelt sich in eine gesellschaftliche Industrie. Die Pflege und Erziehung der Kinder wird öffentliche Angelegenheit…“, bringt es Engels auf den Punkt. Wir fordern daher:
- die Anpassung der Kollektivverträge im Handel sowie in Sozial- und Gesundheitsberufen auf die Höhe des Metaller-KVs
- den bedarfsdeckenden Ausbau öffentlicher Pflegeplätze
- ganztägige und kostenlose Kinderbetreuung für Kinder nach dem Auslaufen des Mutterschutzes
- kostengünstige kommunale Catering-Services für Haushalte
- kommunale gemeinnützige Unternehmen, die Essensversorgung und Reinigung von Haushalten anbieten
„Reservearmee“ Frauen
Zusätzlich dient die „Rolle der Frau in der Familie“ im Kapitalismus dazu, Arbeiterinnen gegen Arbeiter auszuspielen: Bei steigender Arbeitslosigkeit dienen niedrig bezahlte Arbeitskräfte (Frauen, MigrantInnen) als Druckmittel, um das generelle Lohnniveau zu senken. Die Schlechterbezahlung von Frauen wird einerseits durch die niedrige Entlohnung in „weiblichen“ Berufen wie Pflege, Erziehung und Handel zementiert, die noch dazu eine hohe Zahl an Teilzeitstellen verzeichnen.
Doch nicht nur: Die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau (der „Gender Pay Gap“) betragen in Österreich 22,2%. Fast 2/3 dieses Unterschiedes können jedoch statistisch nicht auf Teilzeit/Vollzeit, Branche, Ausbildungsniveau u.ä. zurückgeführt werden – d.h. es handelt sich dabei um strukturelle Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt aufgrund ihres Geschlechts.
Braucht man jedoch mehr Arbeitskräfte, etwa in „Mangelberufen“ wie Tourismus und Pflege, die sich durch schlechte Bedingungen und niedrige Löhne auszeichnen (was ursächlich mit dem „Mangel“ zusammenhängt), werden Frauen gezielt rekrutiert: So das geplante „Migrants Care“ Programm der Regierung, das dem Bereich der Pflege noch mehr migrantische Arbeiterinnen zuführen soll. Schon jetzt wird die mobile Pflege zu 99% von osteuropäischen Pflegerinnen verrichtet.
Spaltung der Arbeiterklasse
Die Spaltung der Arbeiterklasse entlang von Geschlechterlinien wird durch „frauenpolitische“ Maßnahmen gefördert, die Männer und Frauen gegeneinander ausspielen: Gemeint sind solche Maßnahmen, die, anstatt die Last der Arbeiterfamilie insgesamt zu verringern, die Position von Frauen auf Kosten der Männer verbessern.
Dazu zählt beispielsweise das Pensionssplitting, das die aktuelle Regierung auch ausweiten und automatisieren will, sprich ohne die Notwendigkeit einer Beantragung. Hier werden die Pensionsansprüche jenes Elternteils, das in Jahren der Kindererziehung gearbeitet hat, auf beide Eltern aufgeteilt. Das heißt der arbeitende Elternteil (meist Männer) verzichtet auf einen Teil des Pensionsgeldes, anstatt dass eine öffentlich finanzierte Pension, die ein Altern in Würde ermöglicht, für alle Menschen bereitgestellt wird.
Auch Rufe nach einer „Aufteilung der Hausarbeit“ zwischen den Geschlechtern, statt einer Vergesellschaftung derselben, geht in dieselbe Richtung. Denn auch in einem vorurteilsfreien Haushalt, in dem sexistische Rollenbilder von den Partnern nicht vertreten werden gilt: realistisch betrachtet wird diejenige Person die Hausarbeit verrichten, die weniger Lohnarbeitsstunden hat – was überwiegend Frauen sind, die mehrheitlich Teilzeit arbeiten. Dies tun sie nicht zuletzt, da Männer mit besseren Löhnen ein höheres Familieneinkommen garantieren können.
Klasse gegen Klasse!
Diese ökonomischen und sozialen Druckmittel bedeuten, dass wirkliche Kontrolle über die Gestaltung des eigenen Lebens, von Karriere bis Familienplanung, für den Großteil der Frauen im Kapitalismus Fiktion ist. Und obwohl alle Frauen als Frauen unterdrückt werden, hat auch diese Diskriminierung einen Klassencharakter:
Für die Oberschichtsfrauen war und ist der Kampf um Gleichstellung ein Kampf um die Teilhabe an den Privilegien der Männer ihrer Klasse: das Recht, Anwältinnen, Ärztinnen, Premierministerinnen und Geschäftsführerinnen zu werden. Natürlich verteidigen wir das Recht der Frauen, all diese Dinge zu sein, aber gleichzeitig wissen wir, dass das für die große Mehrheit der Frauen nichts verändert. Margaret Thatcher und Angela Merkel haben in Großbritannien respektive in Deutschland nichts an der Lage der Frauen verbessert – ganz im Gegenteil. Die Frauen der gesellschaftlichen Elite sind alle für die Gleichstellung, bis man fordert, die Löhne zu erhöhen und die Bedingungen für jene schlechtbezahlten Arbeiterfrauen zu verbessern, die ihre Karrieren erst ermöglichen. Unsere Verbündeten im Kampf sind deshalb nicht Frauen als Frauen, sondern Arbeiterinnen und Arbeiter als Klasse.
Frauenkampf heißt Klassenkampf!
(Funke Nr. 181, 25.2.2020)