Der Verzicht auf Reichensteuern führt geradewegs in neue Sparpakete. Arbeitsplätze werden immer knapper, die Bankenrettung treibt die Staatsverschuldung nach oben. Über allem schwebt das Damoklesschwert Konjunktur und die Frage des Euros.
Jeder und jede spürt am eigenen Leib, dass es stetig enger wird. Daran ändern auch die politischen Ansätze der SPÖ und der Gewerkschaften nur reichlich wenig. Das zeigt sich sehr eindrücklich an den politischen Debatten über neue Sparpakete nach Abschluss der Steuerreform. Unter den heutigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können die Sozialpartnerschaft und ihr politischer Ausdruck – die Große Koalition – der arbeitenden Bevölkerung die Sicherung, geschweige denn die Verbesserung des Lebensstandards nicht mehr garantieren.
Im Zuge der Globalisierung aller Märkte (nicht nur jener der Waren, der Finanztitel, der Währungen und Staatsschulden, sondern auch des Arbeitsmarktes) und des wachsenden Standortwettbewerbs wurde der österreichischen Version des Klassenausgleichs der gemütliche Rahmen des Bekannten entzogen. Dies wirkt umso schmerzhafter, als dass die Weltwirtschaft seit 2008 in einer Dauerkrise steckt und dort noch jahrelang verharren wird. Marktanteile werden heute nur noch unter den Konzernen neu verteilt, aber der Markt an sich vergrößert sich nicht, im Gegenteil, er schrumpft. Dies zwingt das Kapital bei Strafe des Untergangs zu einem aggressiven Kampf um Marktanteile, der nicht zuletzt zu Lasten der eigenen Beschäftigten geführt wird. Daraus lassen sich alle wirtschaftlichen, sozialen, politischen und auch militärischen Konflikte in letzter Instanz ableiten.
Auf diese Herausforderungen im Zuge der Krise hat die Arbeiterbewegung in ihrer Gesamtheit bislang keine Antwort gefunden. Die Führung der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften hält an der Idee fest, dass man nur mit und keinesfalls gegen die Märkte Politik machen könne. Bundeskanzler Faymann wiederholte diese politische Haltung anlässlich der Ankündigung der jüngsten Sparmaßnahmen (Stichwort: Verlängerung der Lehrerarbeitszeiten, siehe S. 2), nämlich indem er sagte „man kann nur mit, nicht gegen die Finanzmärkte agieren“.
Diese Aussage ist das Programm der Bankendiktatur. Die Milliardenzahlungen für die HYPO sind ebenso wie das Heer der Arbeitslosen und das Zeitalter des permanenten Sparpakets Resultat dieser Diktatur „der Märkte“, sprich der bestimmenden Kapitalgruppen. Die Politik im Rahmen der parlamentarischen Demokratie verkommt dabei zusehends zu einer öffentlich vorgetragenen Folklore mit schwindendem Publikum. Sie dient in erster Linie der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Stabilität, der Selbstlegitimation unterschiedlicher staatlich finanzierter Partei-(Karriere-)Apparate und zur Beschäftigung der Zeitungsredaktionen.
Eine Regieanweisung in diesem großen Schauspiel lautet, dass man dabei das Wort „Sparpaket“ nicht mehr verwenden darf. „Anpassung“, „Nachbesserung“ und „Verwaltungsreform“ lauten die Schlüsselworte für den permanenten Druck die Ausgaben der Daseinsvorsorge zu kürzen. Eine neue „Pensionsreform“, die die staatlichen Zuschüsse ins Pensionssystem nachhaltig reduzieren soll, wird nach abgeschlossener „Expertenevaluation“ im Februar 2016 angegangen werden. Permanent in Diskussion sind auch die Gesundheitsausgaben. Im Laufe dieses Jahres werden die Krankenkassen rote Zahlen bekanntgeben, da aufgrund der stetig steigenden Arbeitslosigkeit die Beiträge fallen, und auf der anderen Seite die medizinischen Ausgaben steigen.
Auch dort, wo sich die Gewerkschaften als primärer Ringer um den Lebensstandard verstehen, herrscht weitestgehend Ratlosigkeit. Alle Statistiken deuten darauf hin, dass der „Produktionsstandort“ Deutschland (sprich der deutsche Niedriglohnsektor) dem österreichischen Standort davonzieht. Die Konkurrenzfähigkeit der rot-weiß-roten Wirtschaft hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Unter diesen Bedingungen werden die Spitzen der KV-Verhandlungsteams mit „Augenmaß“ vorgehen, sie sehen hier dank der Lohnsteuerreform auch Spielraum für eine moderate Lohnpolitik.
Dazu kommt die stetig zunehmende Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenrate liegt bereits bei 10 Prozent (saisonbereinigt). An die 500.000 ÖsterreicherInnen sind als arbeitssuchend gemeldet, eine Besserung der Situation am Arbeitsmarkt wird jetzt doch nicht schon 2016, sondern erst 2018 erwartet – nicht das erste Mal, dass solche Prognosen gekippt werden mussten. Die Regierung steht der steigenden Arbeitslosigkeit jedoch völlig hilflos gegenüber, und die Gewerkschaft sieht keinen Auftrag darin Massenentlassungen und Betriebsschließungen (wie zuletzt bei Triumph in Oberwart und Wiener Neustadt) anders als mit Sozialplänen zu begegnen.
Die proklamierte Alternativlosigkeit zur Diktatur der Märkte hält die Arbeiterbewegung in einem Teufelskreis der Passivität. Die fortschreitende Einengung von Lebensperspektiven der Menschen führt politisch zu Zynismus und dem Rückzug aus der politischen Aktivität, was erst recht die Kräfte stärkt, die in den Apparaten der Arbeiterbewegungen für rechte, pro-kapitalistische Positionen stehen.
Dieses Gemisch aus wirtschaftlichen und politischen Faktoren ist das Rezept für kommende Brüche und Revolten auf allen Ebenen. Erstens ist es wichtig zu betonen, dass es keine Krisenfreiheit des Kapitalismus mehr geben wird. Die Fundamentaldaten der Weltwirtschaft sind äußerst schlecht. Die konstant fallenden Rohstoffpreise sind ein deutliches Signal, dass die Realwirtschaft in den übersättigten Märkten strauchelt. Neue Spekulationsblasen an den Aktienmärkten sind gebildet und werden durch billiges Geld der Zentralbanken (Stichwort: Quantitative Easing) weiter aufgeblasen. Sie werden genauso platzen wie 2008.
Derweil verdichtet sich die Idee, dass „es so nicht weiter gehen kann“ vereinzelt zu Programm und Aktion. Am weitesten fortgeschritten ist dieser Prozess in Südeuropa, was sich in der linken SYRIZA-Regierung in Athen manifestiert. Selbst in Österreich sehen wir erste Ansätze davon, wie sich der Unmut über die politische und soziale Lage zu neuen Netzwerken und Aktionsbündnissen formiert. Besonders hervorheben wollen wir dabei, dass eine wachsende Minderheit von Beschäftigten im Gesundheitsbereich begonnen hat, sich zusammenzuschließen, um Verbesserungen ihrer Arbeitssituation zu erkämpfen.
Was in diesem Rahmen nur exemplarisch dargestellt werden kann, ist verallgemeinerbar. Auch wenn die Spitzen der Arbeiterbewegung die angebliche „Alternativlosigkeit gegenüber den Märkten“ zu ihrer Maxime machen, so verdichten sich doch die Sorge und Angst um Zukunftsperspektiven zu Wut und Aktionsfähigkeit.
Diesen Prozess programmatisch zu befruchten und aktiv zum Durchbruch zu verhelfen, haben wir uns verschrieben.
Wien, 28. April 2015
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