Weltweit überschlagen sich die Ereignisse. Das neue Coronavirus (COVID-19) hat eine Kettenreaktion ausgelöst, die in einem Land nach dem anderen jeden Schein von Stabilität zusammenbrechen lässt. Alle Widersprüche des kapitalistischen Systems drängen nun an die Oberfläche.
Tausende haben bereits ihr Leben verloren und Hunderttausende haben sich wahrscheinlich angesteckt. Aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Pandemie ihren Höhepunkt bereits erreicht hat. Die Anzahl der Todesfälle steigt täglich um 20-30%. Es ist noch kein Impfstoff in Sicht, und niemand scheint einen vernünftigen Plan dafür zu haben, wie die Situation gemeistert werden kann. Die meisten Länder agieren eigenständig, ohne sich groß um die Ratschläge von Vereinigungen wie der WHO (Weltgesundheitsorganisation) zu kümmern. In den Ländern, die am schlimmsten betroffen sind, drohen die Gesundheitssysteme völlig zusammenzubrechen, und in den anderen Ländern graut es dem medizinischen Personal bereits vor den kommenden Wochen und Monaten.
Bis jetzt beschränkte sich die Krankheit hauptsächlich auf China, den Iran und westliche Länder. Sobald sie die Slums und Barackenstädte in Afrika, im Nahen Osten, am Indischen Subkontinent und in Lateinamerika erreicht, wo es, wenn überhaupt, nur eine beschränkte Gesundheitsversorgung gibt, wird das Elend ein völlig neues Ausmaß erreichen. Die Todeszahlen werden in die Millionen gehen, das weltweite Ausmaß an Zerstörung und Vertreibung wird ein kriegsähnliches Niveau erreichen.
Die Aktienmärkte reagierten bereits mit starken Einbrüchen. Am Montag, dem 9. März, sackte der Ölpreis auf ca. 30 USD pro Barrel ab. Weltweit folgten die Börsen auf dem Fuß. Am Mittwoch senkte die Bank of England den Leitzins um 0,5%. Doch das hatte überhaupt keinen Effekt. Der Kurseinbruch an den Börsen setzte sich am Donnerstag fort, und man verzeichnete schließlich den größten Absturz seit 1987. Die Nervosität der Märkte reflektiert den Pessimismus der herrschenden Klasse angesichts der düsteren Perspektiven für die Weltwirtschaft, für die bereits vor der Krise alle Anzeichen in Richtung Verlangsamung deuteten.
China, die zweitstärkste Ökonomie der Welt, steuert zum ersten Mal seit der Kulturrevolution auf einen negativen Quartalsabschluss. Es wird davon ausgegangen, dass die Krankheit in China eingedämmt ist. Doch in der Provinz Hubei stehen nach wie vor alle Dienstleistungsunternehmen still. Wichtige Industriebetriebe nehmen ihre Produktion wieder auf, aber mit einer drohenden Rezession im Rest der Welt ist die Nachfrage gering. Die überwiegende Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen in China, wo fast 80% der Beschäftigten arbeiten, hat ihren Betrieb noch nicht wiederaufgenommen.
Nichts deutet auf eine schnelle Erholung hin. Manche Experten prognostizieren einen Rückgang des globalen Wirtschaftswachstums von 2,6% im letzten Jahr auf 1%, was in einer Reihe von Ländern eine Rezession impliziert. Aber selbst das ist Wunschdenken. Industrieproduktion, Handel und Transport werden einer Welle von Störungen ausgesetzt sein, der Konsum wird sinken, und die Lieferketten werden ständig unterbrochen sein. Die gesamte Weltwirtschaft wird in eine tiefe Krise stürzen.
Europa ist jetzt schon stark betroffen, insbesondere Italien, die drittstärkste Volkswirtschaft in der Eurozone. Der Ministerrat der EU traf sich zu einer Sondersitzung, um gemeinsame Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu beschließen. Alle was man dort zusammenbrachte, war ein mit 25 Milliarden dotierter Fonds, der größtenteils sowieso durch das reguläre EU-Budget abgedeckt ist. Die restlichen Pläne beschränken sich auf eine Aufhebung der Budgetobergrenzen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Im Grunde genommen lautet das Motto also „Jeder schaut, wo er bleibt“ – eine Union schaut anders aus.
Selbst der normalerweise EU-freundliche Präsident von Italien, Mattarella, musste die EU in einer offiziellen Aussendung kritisieren:
„Italien ist in einer schwierigen Situation; unsere Erfahrung mit der Verbreitung des Coronavirus wird wahrscheinlich hilfreich für alle anderen Staaten in der EU sein. Italien erwartet daher zumindest aus gemeinsamem Interesse, und zwar mit vollem Recht, Solidaritätsinitiativen [von der EU] und keine Entscheidungen, die der Krisenbewältigung im Weg stehen.“
Tatsächlich erhält Italien viel mehr Hilfe aus China (in Form von medizinischem Material wie Notbeatmungsgeräten) als aus der EU. Österreich hat seine Grenzen zu Italien bereits geschlossen. Andere Länder haben die Flugverbindungen von und nach Italien gestrichen. Tschechien hat seine Grenzen dicht gemacht. Frankreich, Deutschland und andere Länder haben Exportstopps für diverse medizinische Produkte beschlossen. All dies wird innerhalb von Wochen, wenn nicht noch früher, zu einer Eskalation führen. Der gemeinsame Markt wird praktisch immer weiter heruntergefahren. Die derzeitige Krise spült genauso wie der Börsencrash von 2008 und die Flüchtlingsbewegung 2015 alle inneren Widersprüche der EU an die Oberfläche. Die Zukunft der Union wird dadurch als Ganzes in Frage gestellt.
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Donald Trump, der noch bis vor kurzem der Meinung war, das Virus würde die USA nicht betreffen, schürt jetzt eine nationalistische Hysterie, COVID-19 sei ein „ausländisches Virus“. Er schloss die Grenzen für Reisende aus vielen europäischen Staaten und betont wieder stärker die Notwendigkeit einer Grenzmauer zu Mexiko (obwohl Mexiko nur 12 bestätigte Corona-Fälle hat). [Mittlerweile hat Trump den nationalen Notstand ausgerufen. Anm.] Die Reisebeschränkungen werden einen unmittelbaren Effekt auf den Tourismus- und Dienstleistungssektor haben, was die USA wohl in eine Rezession stürzen wird.
Russland und Saudi-Arabien befinden sich mittlerweile in einem Konflikt um das Niveau der Erdölproduktion, was bereits zu einem Einbruch des Ölpreises geführt hat. Russland könnte am Ende zahlungsunfähig sein. Der Libanon ist bereits nicht mehr in der Lage seine Anleihen zurückzuzahlen. Andere Ökonomien wie die Türkei, Argentinien, Indien, Indonesien und Südafrika könnten kurz- oder mittelfristig folgen.
Die Verbreitung des Virus hat den weltweiten Trend zum Protektionismus dramatisch beschleunigt. Die herrschende Klasse eines jeden Landes versucht die eigene Position auf dem Weltmarkt zu verteidigen und die negativen sozialen Auswirkungen auf andere Länder abzuwälzen. Reisebeschränkungen können sehr schnell zu Handelsbeschränkungen führen. Die Handelskriege zwischen den USA und China oder den USA und Europa könnten wieder entbrennen und zwar auf eine viel unkontrollierbarere Art und Weise als bisher. Das würde den Weg für eine große Depression wie in den 1930ern ebnen, deren Folgen weit über die unmittelbaren Effekte des Virus hinausgehen würden.
Die Bürgerlichen geben dem Coronavirus die Schuld an der Wirtschaftskrise. Aber das Virus war nur der sprichwörtliche Zufall, der all die angehäuften Widersprüche des Systems auf die Spitze getrieben hat. Wir haben es mit einer Krise des kapitalistischen Systems als Ganzes zu tun, die sich schon seit Jahrzehnten zusammenbraut. Die Bürgerlichen haben es geschafft, die Krise durch eine massive Ausweitung der Kredite, also durch Schuldenmachen, für eine Weile hinauszuzögern. Diese Verschuldung ist jetzt aber das größte Hindernis für ein weiteres Wachstum geworden. Früher oder später musste diese Blase platzen.
In unseren Weltperspektiven, die im November entworfen und kürzlich beim Treffen des Internationalen Exekutivkomitees der IMT (International Marxist Tendency) beschlossen wurde, haben wir das bereits vorausgesagt. In dem Dokument steht:
„Der Aufschwung war in jedem Fall sehr kraftlos und fragil, und jeder Schock hat das Potenzial, die Wirtschaft in den Abgrund zu reißen. So gut wie alles könnte eine Panik auslösen: eine Erhöhung der Zinsrate in den USA, der Brexit, ein Konflikt mit Russland, eine Zuspitzung des Handelskrieges zwischen den USA und China, ein Krieg im Nahen Osten, der zu steigenden Ölpreisen führen würde, oder sogar einfach nur ein besonders dummer Tweet aus dem Weißen Haus (und an denen mangelt es nicht).“
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Virus nur ein zufälliges Ereignis, das eine tieferliegende Notwendigkeit ausdrückt. Aber es drückt den kommenden Entwicklungen seinen Stempel auf. Der Charakter dieser Pandemie ergeben sich für die herrschende Klasse nicht so viele Möglichkeiten, die Krise zu mildern oder in geordnete Bahnen zu lenken.
Die wellenartige Verbreitung der Pandemie hat eine verheerende Wirkung auf eine sowieso schon angeschlagene Weltwirtschaft. Ein Land nach dem anderen kündigt Pakete an, um die Wirtschaft am Leben zu erhalten. Aber die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird durch die Auswirkungen der Pandemie beschränkt, die so schnell nicht vorübergehen werden.
Große Teile des Dienstleistungssektors, wie Kinos, Kaffeehäuser, Restaurants usw. werden harte Schläge einstecken, wenn das soziale Leben eingeschränkt wird. Gerade in diesen Bereichen herrschen in hohem Ausmaß prekäre Arbeitsverhältnisse vor. Diese Beschäftigten werden von dieser Krise besonders stark betroffen sein. Diese Situation wird zumindest solange anhalten, bis eine wirkungsvolle Behandlung für die Krankheit gefunden wird. Wichtige Sektoren der Industrie werden regelmäßig von neuen Krankheitsausbrüchen betroffen sein. Die Arbeitslosigkeit wird trotz aller Versuche der Regierungen zwangsläufig nach oben schnellen. In direkter Folge wir der Konsum zurückgehen, was für die Wirtschaft eine weitere Bremse sein wird.
Die Bürgerlichen fürchten sich vor den Aussichten einer Massenarbeitslosigkeit und drohender Klassenkämpfe, die sich jederzeit zuspitzen könnten. In vielen Ländern erlassen die Regierungen bereits Sondermaßnahmen, wie etwa bessere Krankenstandsregelungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst u.a. Aber diese Maßnahmen reichen nicht einmal annähernd aus, um die Probleme der betroffenen ArbeiterInnen zu lösen. Manche Banken erlauben den Aufschub von Kreditraten, kleine und mittlere Unternehmen bekommen günstige Kredite und Steuererleichterungen. Das Europäische Parlament diskutiert über die Aufhebung des Vertrags von Maastricht, der die Mitgliedsstaaten zu einem Haushaltsdefizit von maximal 3% verpflichtet. Die Staatsausgaben werden massiv ausgeweitet, um eine Katastrophe noch abzuwenden.
Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Mittel irgendetwas lösen können. Keynesianistische Maßnahmen werden zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht zu einem erhöhten Konsum führen, der aufgrund der Pandemie wohl für Monate, wenn nicht Jahre, abflauen könnte. Stattdessen könnten sie allerdings in manchen Wirtschaftssektoren zu einer unkontrollierbaren Inflation führen. Kleine und mittlere Unternehmen könnten massenhaft in den Bankrott schlittern. Steuersenkungen und günstige Kredite würden diese Probleme nur in die nicht allzu weite Zukunft verschieben. Millionen von Jobs wären immer noch gefährdet.
Im Westen wurden Beschäftigte in gewaltigem Ausmaß in prekäre Verhältnisse gedrängt, insbesondere im Dienstleistungs-, Bau- und Transportgewerbe. Sie wären die ersten, die ihren Job verlieren würden. In Italien arbeiten große Teile der Arbeiterschaft unter prekären Verhältnissen, vor allem in den am meisten betroffenen Sektoren: Tourismus, Hotels, Restaurants usw. In den ärmeren Ländern ist die Situation noch schlimmer. Im Iran arbeiten beispielsweise 96% der Beschäftigten unter s.g. „Blankoverträgen“, die den ArbeiterInnen keine Rechte zugestehen. In allen Ländern wird die Arbeitslosigkeit zur Quelle massenhafter Radikalisierung werden.
Der nationale Schulterschluss
Die Bürgerlichen und ihre Regierungen rufen jetzt überall zum nationalen Schulterschluss im Kampf gegen die Krise auf. Aber hinter den Kulissen wälzen sie die Hauptlast dieser Katastrophe auf die Arbeiterklasse ab. Eine Regierung nach der anderen erlässt drakonische Maßnahmen. In Italien, Dänemark und China wurde in manchen Gebieten der Ausnahmezustand ausgerufen.
In China wurden die ArbeiterInnen in wichtigen Stahlwerken dazu gezwungen, fast einen ganzen Monat in der Fabrik zu bleiben, ohne nach Hause gehen zu dürfen.
In Italien muss das medizinische Personal bis zum Umfallen arbeiten. Gleichzeitig wird den ArbeiterInnen im privaten Sektor, insbesondere in der Industrie, aufgetragen, weiterhin zur Arbeit zu gehen. Viele fragen sich, wo der Sinn dahinter ist. Wenn man zu Hause bleiben soll, um die Verbreitung der Krankheit in den Griff zu bekommen, warum sollte man dann zur Arbeit gehen, wenn sie nicht absolut notwendig für das Funktionieren der Gesellschaft ist?
Die Antwort ist klar: Es soll die weitestgehende Aufrechterhaltung der Profitmaschinerie garantiert werden. Obwohl ihr Streikrecht durch die Notfallmaßnahmen weitgehend eingeschränkt wurde, schreiten die italienischen ArbeiterInnen zur Tat.
Eine Welle von wilden Streiks verbreitet sich im Land, mit denen die Beschäftigten gegen die unzureichenden Schutzmaßnahmen gegen das Virus protestieren. Die Streikenden verlangen die Schließung der Fabriken, die keine unbedingt notwendigen Waren produzieren, bei voller Lohnfortzahlung und solange bis ordentliche Sicherheits- und Hygienestandards gewährleistet sind. Das setzt die Führungen der Gewerkschaftsverbände CGIL-CISL-UIL stark unter Druck, die sich bis dahin gemeinsam mit der italienischen Industriellenvereinigung Confindustria dafür eingesetzt haben, dass die Werke offenbleiben. All das ist ein erster Vorbote der kommenden Ereignisse.
In China wurden die Restriktionen fürs Erste gelockert, allerdings werden sie wohl wiedereingesetzt werden, sollte die Krankheit erneut ausbrechen. Italien und Dänemark sind abgeriegelt. Viele andere Länder werden dasselbe tun müssen. Die Regierungen versuchen so zu tun, als würden sie „etwas tun“.
Und während manche der Maßnahmen aus einer epidemiologischen Perspektive sinnvoll sind, werden sie fortwährend vom Privateigentum, der Anarchie der kapitalistischen Produktion und dem Nationalstaat unterminiert.
So sehen wir, wie der private Gesundheitssektor Corona-PatientInnen in die öffentlichen Spitäler abschiebt. Private Krankenversicherungen weigern sich, für Corona-Tests zu bezahlen. Es gibt viel zu wenige Tests, die alle von privaten Unternehmen produziert werden. Die Leute werden darum gebeten daheim zu bleiben, aber die ArbeiterInnen müssen weiterhin zur Arbeit gehen. Private Unternehmen machen Mordsprofite, indem sie die Preise von Desinfektionsmitteln, Gesichtsmasken und sogar Corona-Tests erhöhen! Und schlussendlich schwächt die Unfähigkeit der verschiedenen Regierungen, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, den gesamten Kampf gegen die Pandemie. Stattdessen werden verschiedene, oft widersprüchliche Maßnahmen gesetzt.
In den USA hat Trump bis zum 11. März bestritten, dass der Krankheitserreger eine Gefahr wäre. Aus Furcht vor wirtschaftlichen Schäden weigerte sich die chinesische Regierung wochenlang, etwas gegen die Epidemie zu tun. Forscher und Whistleblower wurden eingesperrt.
Im Iran gab die Regierung nicht einmal zu, dass es die Krankheit überhaupt gibt, um die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen nicht zu gefährden. Bis heute verschleiert das Regime den Ernst der Lage. Offiziell sind im Iran nur ein paar hundert Menschen an COVID-19 gestorben, aber inoffizielle Berichte sprechen von viel mehr. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Anzahl der Infizierten bereits in den Zehn-, wenn nicht Hunderttausenden liegt.
Als der „Oberste Führer“ Khamenei gefragt wurde, was man denn gegen den Virus tun könne, schlug er vor, dass man beten soll. Das gilt natürlich nur für die Armen. Man kann sich sicher sein, dass wenn Khamenei selbst angesteckt werden würde, er nur die beste medizinische Versorgung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft erhalten würde.
Es scheint auch so zu sein, dass der größte Infektionsherd der heilige Schrein der Fatima Masuma in Ghom ist, wo viele Pilger hinströmen, um geheilt zu werden. Das untergräbt die ganze Basis des theokratischen Regimes. Aber anstatt der Wahrheit ins Gesicht zu blicken, ignoriert das Mullah-Establishment alle Sicherheitsmaßnahmen und stellt die Krankheit als eine Verschwörung aus dem Westen dar. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle diese Dinge zu einer wutentbrannten Gegenreaktion der Massen im Iran führen werden, die für die Verdorbenheit ihrer herrschenden Klasse mit ihrem Leben bezahlen müssen.
Gleichzeitig wird die Eindämmung der Infektion durch die jahrzehntelange Kürzungspolitik im Gesundheitsbereich erschwert.
In Italien wurden zwischen 2009 und 2017 46.500 Stellen im Gesundheitsbereich und 70.000 Krankenhausbetten eingespart. In Italien gab es noch 1975 10,7 Betten pro 1.000 Einwohner – jetzt sind es noch 2,6! In Großbritannien reduzierte sich die Anzahl der Betten von 10,7 pro 1.000 Einwohner (im Jahre 1960) auf 2,8 im Jahre 2013. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2017 wurde die Anzahl der verfügbaren Betten in Großbritannien um 30% reduziert! Ähnliche Bedingungen herrschen in der gesamten westlichen Welt.
In Italien muss das medizinische Personal mittlerweile darüber entscheiden, wer medizinisch behandelt werden kann und wer nicht. Das heißt, viele, vor allem ältere, PatientInnen werden sterben, weil es zu wenige Ressourcen gibt. Mit der steigenden Zahl an Infektionsfällen geraten die Gesundheitssysteme unter massiven Druck. Sie könnten zusammenbrechen, was Hunderttausende auf sich alleine stellen würde. Den Reichen, die sich eine private Gesundheitsversorgung leisten können, wird dieses Elend erspart bleiben. Im Iran hat eine ganze Reihe von Ministern, Abgeordneten und Spitzenfunktionären eine sofortige Behandlung erhalten, nachdem sie sich infiziert haben. Auf der anderen Seite werden Zehntausende normale Menschen nicht einmal getestet. Einer Krankenpflegerin wurde ihr Testergebnis erst eine Woche, nachdem sie bereits gestorben war, zugeschickt.
In Singapur wurde die gesamte Bevölkerung mit medizinischem Material und Schutzausrüstung, wie etwas Gesichtsmasken, versorgt. Und in China wurden schnell ganze Spitäler aus dem Boden gestampft, um der Situation Herr zu werden. Ebenso wurden massenhaft Tests durchgeführt, auch bei denen, die keine Symptome zeigen.
In Großbritannien hingegen, scheint die Regierung noch keine Anstalten zu machen, sich auf die bevorstehende Katastrophe vorzubereiten. Die Zahl der Tests nahm dort zuletzt sogar ab. Selbst Personen, die aus Norditalien kamen und bereits Symptome zeigten, wurden nicht getestet. Am 12. März musste Boris Johnson zugeben, dass wahrscheinlich schon 10.000 Menschen im ganzen Königreich infiziert sind – und trotzdem weigerte er sich noch Großveranstaltungen abzusagen, wie es in Italien und sogar in Schottland gemacht wurde. Allerdings gab er zu Protokoll, dass sich die Öffentlichkeit schon einmal darauf einstellen muss, „Nahestehende zu verlieren, bevor ihre Zeit eigentlich um ist.“ Die New York Times titelte treffend: „Das Vereinigte Königreich schützt seine Wirtschaft vor dem Virus, aber noch nicht seine Bevölkerung“
Der Zynismus von Boris Johnson wurde in einem erst kürzlich erschienen Interview deutlich, als man ihn fragte, wie man mit der Krankheit umgehen sollte. Er schlug vor, dass man sie „vielleicht einfach ertragen sollte, und der Krankheit in einem Zug erlauben durch die Bevölkerung zu gehen, ohne großartige drakonische Maßnahmen.“ In anderen Worten, vielleicht sollten wir einfach Tausende sterben lassen, ohne irgendetwas dagegen zu tun, um sicherzustellen, dass die Geschäfte weiterlaufen. Diese fatalistische Herangehensweise wählten auch die USA und Schweden, die dafür von der WHO ausdrücklich kritisiert wurden. Diese fordert ihre Mitgliedsstaaten weiterhin dazu auf, das Virus einzudämmen.
Zweifellos spielt in diesen Kommentaren auch ein malthusianischer Gedanke mit, also die Idee, dass Armut, Kriege und Epidemien Ausdruck einer Überbevölkerung und deshalb notwendig sind, um die Bevölkerungszahlen niedrig zu halten. Das spiegelt den völligen moralischen Bankrott der Bürgerlichen wider. Jeremy Warner, seines Zeichens Journalist beim Telegraph, schrieb: „Ganz offen gesagt, könnte sich COVID-19 aus einer rein wirtschaftlichen Perspektive sogar als recht nützlich erweisen, indem er unverhältnismäßig viele abhängige Ältere ausmerzt.“ Diese Bürgerlichen vertreten also die Meinung, man solle die Krankheit einfach machen und hoffentlich viele auf einmal „ausmerzen“ lassen. Dadurch soll Großbritannien wohl schneller aus der Rezession kommen als die anderen Länder, die verzögernde Maßnahmen setzen.
Das Gesundheitssystem in den USA ist besonders schlecht für die kommende Krise gerüstet. Millionen von Menschen ohne Krankenversicherung sehen fürchterlichen Bedingungen entgegen. Es kann sein, dass die Regierung diese Menschen vorübergehend versichern wird. Aber das wird das grundlegende Problem nicht lösen: Das zu erwartende Ausmaß an Infektionen wird das heruntergekommene Gesundheitssystem an seine Grenzen bringen. Das System in den USA ist nur darauf ausgelegt, Geld in die Taschen der großen Pharmaunternehmen zu leiten. Es wird nicht in der Lage sein, mit der Art von Katastrophe umzugehen, die wir dort erwarten können.
In den letzten Wochen wurden keinerlei Vorbereitungen getroffen. Die Krankenhäuser haben keinen Plan, es wurden keine Schulungen angeboten und Ausrüstung ist Mangelware. Das CDC (Center for Disease Control – Zentrum zur Seuchenkontrolle) weigert sich auch, die in Deutschland entwickelten internationalen Standardtests für Corona zu verwenden, und entwickelt lieber von Grund auf eigene Tests. Dabei gab es einige Probleme, die zu Verzögerungen führten, und jetzt gibt es viel zu wenige Tests. Es gibt auch viel zu wenige Testeinrichtungen, was das Warten auf Resultate massiv in die Länge zieht. Während also (mit Stand 6. März) Südkorea bereits 140.000 Tests durchgeführt hat, waren es in den USA gerademal 2.000!
Es gibt daher keinen klaren Überblick, wie viele Infizierte es in den USA überhaupt gibt. Keine ernsthaften Maßnahmen wurden getroffen, um die Bevölkerung vor der Gesundheits- und Wirtschaftskrise zu schützen. Als aber der Börsensturz kam, pumpte die Zentralbank sofort 1.500 Milliarden US-Dollar in die Märkte, um das Großkapital zu schützen.
Die Inkompetenz der Bürgerlichen und ihrer Institutionen liegt klar auf der Hand. Donald Trump ist das beste Beispiel dafür. Diese Krise könnte sein Ende bedeuten. Der Ruf nach einer kostenlosen, staatlichen Gesundheitsversorgung könnte jetzt auf ein großes Echo stoßen.
Auf Schritt und Tritt offenbart sich die Gier und Verkommenheit der Herrschenden immer mehr. Dieses Muster wird sich durch alle Länder ziehen, die von dem Virus befallen werden.
Die Aufgabe der MarxistInnen ist es, die herrschende Klasse und die Farce eines „nationalen Schulterschlusses“ zu entlarven. Wir müssen aufzeigen, dass die Interessen der Herrschenden denen der restlichen Gesellschaft völlig entgegenstehen:
- Überall müssen wir die Enteignung der privaten Gesundheitseinrichtungen fordern. Die gesamte Gesundheitsversorgung und die Pharmaindustrie müssen sofort unter Arbeiterkontrolle verstaatlicht werden, um die umgehende Behandlung und Versorgung aller, die es brauchen, planen zu können.
- Es braucht viel mehr Krankenhausbetten und, falls nötig, müssen sofort neue Spitäler gebaut werden – entweder indem ungenutzte Gebäude (wie z.B. Hotels) beschlagnahmt und umgebaut oder welche von Grund auf neu gebaut werden.
- Unbegrenzte Lohnfortzahlung im Krankenstand für alle und sofortige Überführung aller prekären Arbeitsverhältnisse in eine reguläre Anstellung – oder ein garantiertes Arbeitslosengeld, von dem man leben kann, für alle die ihren Job verlieren. Eltern und Betreuungspersonen sollten eine Lohnfortzahlung bekommen, wenn sie aufgrund der Schließung von Schulen und Kindergärten Kinder daheim betreuen müssen.
- Strikte Preiskontrollen für alle Güter des täglichen Bedarfs. Enteignung der Fabriken, die in der Lage sind Mangelprodukte und medizinische Ausrüstung zu produzieren.
- Alle Delogierungen und Zwangsenteignungen aussetzen. Leerstand, der nur als Spekulationsobjekt genutzt wird, unter öffentliche Kontrolle stellen, um Obdachlose unterbringen zu können.
- Die Produktion aller nicht unbedingt notwendigen Waren soll bei voller Lohnfortzahlung ausgesetzt werden, um die Ausbreitung der Krankheit zu stoppen. Die Auslagerung öffentlicher Arbeiten soll sofort beendet werden. Diese Arbeiten sollen wieder in die öffentliche Hand überführt werden und die Beschäftigten sollen Teil des öffentlichen Dienstes werden.
- Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen in allen Betrieben, die zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens notwendig sind. Die Kosten sollen die Unternehmen tragen! Falls die Unternehmer behaupten, es gäbe kein Geld für solche Maßnahmen, dann müssen wir die Öffnung der Geschäftsbücher fordern.
- Solche Maßnahmen sollten von den ArbeiterInnen selbst diskutiert und entschieden werden. Die Betriebsräte und gewählte Betriebskomitees sollten die Umsetzung dieser Maßnahmen überwachen. Ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad schwach oder gar nicht existent, dann ist das die Gelegenheit die Belegschaft zu organisieren und gewerkschaftliche Rechte einzufordern.
- Die notwendigen Ressourcen zur Bekämpfung der Pandemie dürfen nicht durch ein erhöhtes Budgetdefizit oder neue Staatsschulden finanziert werden, sonst muss es die Arbeiterklasse später selbst in Form von Sparmaßnahmen bezahlen. Stattdessen brauchen wir eine sofortige Steuer auf Großkonzerne. Wir müssen außerdem die Verstaatlichung der Banken fordern, um die Ressourcen dorthin zu leiten, wo sie benötigt werden: zu den privaten Haushalten, den Kleinunternehmen und den Sektoren, die von den Ausgangssperren betroffen sind.
- Industrien, die Pleite machen, sollten verstaatlicht und unter Arbeiterkontrolle gestellt werden, um die Arbeitsplätze und den Lebensunterhalt der Beschäftigten zu erhalten. Jedes nicht-investierte Vermögen der Monopole soll enteignet werden, um die Notmaßnahmen finanzieren zu können.
Die Aufgabe der MarxistInnen ist es, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Unfähigkeit der KapitalistInnen zu lenken, die Gesellschaft gemäß den Bedürfnissen der Menschen zu entwickeln. Wir müssen geduldig erklären, dass nur die Arbeiterklasse einen Ausweg aus dieser Sackgasse bieten kann,, wenn sie die Macht in ihre Hand nimmt.
Eine neue Periode
Vor uns eröffnet sich eine neue Periode in der Weltgeschichte. Eine Periode der Krisen – der Kriege, Revolutionen und Konterrevolutionen. Wie ein ins Wasser geworfener Felsbrocken wird die Krise Wellen auslösen, die vor keinem Winkel der Welt haltmachen. Es wird die größte Erschütterung der Gesellschaft seit dem 2. Weltkrieg sein. Das gesellschaftliche, wirtschaftliche, diplomatische und militärische Gleichgewicht wird völlig zerstört werden, und jedes Regime wird erschüttert werden.
Wir haben wiederholt betont, dass die Bürgerlichen die Widersprüche nie gelöst haben, die zur Weltwirtschaftskrise 2008 führten. Sie haben die Blase nur wieder aufgepumpt, die jetzt erneut platzt. Gleichzeitig sorgt die Pandemie für einen sehr tiefen Börsensturz, der einen bis zu zwei Jahre anhaltenden drückenden Effekt auf die Weltwirtschaft nach sich ziehen wird. Aber selbst wenn die Pandemie vorüber ist, wird es kein Zurück zum „Normalzustand“ geben. Das kommende Jahrzehnt wird viel turbulenter als das letzte.
Aus marxistischer Perspektive ist aber der entscheidende Faktor, dass das Bewusstsein der Massen dramatischen Veränderungen ausgesetzt sein wird. Dieser Prozess wird sich ähnlich gestalten, wie wir es sonst aus Kriegszeiten kennen. Krisen und Massenarbeitslosigkeit werden auf der Tagesordnung stehen, und die Bürgerlichen werden der Arbeiterklasse drakonische Maßnahmen auferlegen.
Zuerst wird die herrschende Klasse versuchen, die Situation mit einem Appell an die nationale Einheit zu stabilisieren. Die vergangene Periode hat die Autorität des Establishments und seiner PolitikerInnen erschüttert. Trotzdem werden viele Menschen die neuen Bedingungen akzeptieren, weil sie denken, dass sie objektiv notwendig sind und nur vorübergehend gelten. Manche werden der Meinung sein, dass der Staat die Interessen der Nation vertritt. Allmählich wird aber klar werden, wen man zur Kasse bittet und welche Interessen dadurch geschützt werden. Den Massen wird man immer mehr Opfer zugunsten der Kapitalisten abverlangen. Aber eine solche Politik wird bald an seine Grenze stoßen. Sobald diese erreicht ist, wird die Fügsamkeit von heute in Wut und Zorn umschlagen.
Die großen Ereignisse der Zukunft werden die Grundlage für diese Veränderungen im Bewusstsein legen. Ereignisse, die das Bewusstsein zutiefst erschüttern werden und die Menschen dazu zwingen, alles zu überdenken. Alles, was heute selbstverständlich scheint, wird in Frage gestellt werden – von den kleinsten Alltagsgewohnheiten bis hin zu nationalen Traditionen. Die Massen werden aus ihrer Trägheit gerissen und die Bühne der Weltpolitik betreten. Der Status Quo wird sich auflösen und die Massen werden der nackten Barbarei des Kapitalismus gegenüberstehen.
1924 erklärte Trotzki einen derartigen Prozess, als er anhand der Entwicklungen im 1. Weltkrieg über Großbritannien schrieb:
„Wir dürfen nicht vergessen, dass das menschliche Bewusstsein, auf gesellschaftlicher Ebene, ängstlich und konservativ ist, und sich sehr langsam bewegt. Nur Idealisten glauben, dass die Welt sich durch die freie Initiative der menschlichen Gedanken fortbewegt. Tatsächlich bewegt sich das Bewusstsein der Gesellschaft oder einer Klasse keine einzigen Schritt nach vorne, außer wenn es außerordentlich notwendig ist. Wo auch immer es möglich ist, werden alte Ideen an neue Tatsachen angepasst. Wir sprechen es offen aus, wenn wir sagen, dass die Klassen und Völker bislang keine entschlossene Initiative an den Tag gelegt haben, außer wenn die Geschichte sie mit ihrem Knüppel prügelte. Wären die Dinge anders gewesen, hätten die Menschen den Ausbruch des Imperialistischen Krieges geduldet? Schließlich konnte jeder sehen, dass der Krieg immer näherkam, wie zwei Züge, die auf demselben Gleis aufeinanderzurasen. Aber die Völker blieben still, schauten zu, warteten ab und lebten ihr gewohntes, alltägliches, konservatives Leben. Die Umwälzung des Imperialistischen Krieges war notwendig, um gewisse Veränderungen im Bewusstsein und im gesellschaftlichen Leben einzuleiten. Die ArbeiterInnen in Russland stürzten Romanow, verjagten die Bourgeoisie und nahmen die Macht in die Hand. In Deutschland wurden sie die Hohenzollern los, aber sind auf halbem Weg stehen geblieben
… Der Krieg war notwendig, damit diese Veränderungen passieren konnten, der Krieg, mit seinen Millionen Toten, Verwundeten und Verstümmelten
… Was für ein klarer Beweis dafür, wie konservativ und schwerfällig das menschliche Bewusstsein ist, wie hartnäckig es sich an die Vergangenheit klammert, an alles, was bekannt, vertraut und angestammt ist – bis zum nächsten Peitschenhieb.“
Schon jetzt erleben wir die ersten Phasen dieses Prozesses. Überall im Iran bricht revolutionärer Zorn hervor. Ein Tweet drückt die Verzweiflung der Menschen aus:
„Mein Großonkel starb vor zwei Tagen am Coronavirus. Seit er sieben Jahre alt war, damals starb sein Vater, bis zum Alter von 77 war er ein Arbeiter. Während der Krise, die sich in Ghom ausbreitete, konnte er nicht zuhause bleiben. Er musste sich zwischen Brot und seinem Leben entscheiden. Das ist der bitterste Gedanke in meinem Kopf.“
Ein tatsächlich sehr bitterer Gedanke, den auch Millionen andere haben. Tausende sterben für nichts anderes, als die Gier und Unfähigkeit der herrschenden Klasse. Der Virus ist das einzige, was die Bewegung momentan zurückhält. Aber es ist nur ein verzögernder Faktor. Wenn sich der aufgewirbelte Staub legt, werden sich die Massen wieder bewegen.
In Ecuador hat Lenín Moreno ein Sparpaket geschnürt, das die Auswirkungen der Krise bewältigen soll. Das wird, nur einen Monat nach dem unvollendeten Sturz der Regierung, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen neuen Aufstand auslösen. Die Arabische Revolution konnte nur durch eine Erhöhung der Sozialausgaben aufgehalten werden. Aber mit dem Absturz des Ölpreises greift auch diese Maßnahme nicht mehr, und die Austeritätspolitik wird erneut auf der Tagesordnung stehen.
ExpertInnen weisen seit Jahren darauf hin, dass in China ein jährliches Wachstum von 6% notwendig ist, um gesellschaftliche Unruhen zu vermeiden. Aber derartige Wachstumsraten gehören der Vergangenheit an.
In Italien entwickelt sich eine ähnliche Stimmung. Vor allem unter denen, die an vorderster Front stehen – Ärzte, KrankenpflegerInnen und anderes medizinisches Personal, das überlastet ist und den Mangel an Ressourcen ausgleichen muss, für den die Regierung verantwortlich ist. Die immense Last auf ihren Schultern verhindert momentan, dass sie sich bewegen. Aber sie werden auch nicht vergessen, was sie tagtäglich sehen. Sobald sie eine Atempause bekommen, werden sie in die Offensive gehen.
Die fortgeschrittensten kapitalistischen Länder werden von dieser Krise nicht verschont bleiben. Hier folgt die Krise nicht auf eine Periode des Wachstums und des Wohlstands, sondern auf mehr als zehn Jahre der Austerität und der Angriffe auf den Lebensstandard seit der Krise von 2008. Das Vertrauen in die Mächtigen und das Establishment ist bereits auf einem historischen Tiefstand angelangt. Hamsterkäufe und das Missachten von Sicherheitsmaßnahmen in manchen Gegenden sind Anzeichen dafür. Die Menschen können sich keine Anhebung des Lebensstandards auf das Niveau der Vorkrisenzeit erwarten, sondern Massenarbeitslosigkeit und bisher ungekannte Armut. Das wird sie dazu zwingen, in den Kampf zu treten.
Im Verlauf dieses Kampfes, wird sich die Arbeiterklasse transformieren, und mit ihr ihre Organisationen und Führungen. In diesem Prozess werden wir die Gelegenheit haben, den Ideen des Marxismus Gehör zu verschaffen – zuerst in den fortgeschrittenen Teilen und später in der Masse der Arbeiterklasse. Unsere Ideen sind die einzigen, die die heutigen Ereignisse erklären können.
Auf jeder Ebene ist die Katastrophe, mit der wir konfrontiert sind, das Produkt des kapitalistischen Systems – von der Zerstörung der Umwelt, die zu einem Anstieg von Epidemien führt, über die Pharmaindustrie, die nur ein Interesse an der Erforschung und Entwicklung von Medikamenten hat, wenn sie damit Profit machen kann, bis hin zu einem Gesundheitssystem, das jahrzehntelang zusammengespart, privatisiert und ausgelagert wurde, sodass es nicht mehr auf plötzliche Notsituationen reagieren kann. Die Wirtschaft und die bürgerlichen Regierungen haben weltweit ihre Unfähigkeit bewiesen, den Kampf gegen die Krankheit zu organisieren. Der Unwille, Profite zu opfern, hat die weitere Verbreitung der Krankheit ermöglicht. Und sie werden versuchen, alle Kosten der Pandemie und der darauffolgenden Wirtschaftskrise, auf die Arbeiterklasse abzuwälzen.
Die Umwelt ist in einer prekären Lage. Überflutungen und Dürren in bisher ungekanntem Ausmaß erodieren Gebiete auf der ganzen Welt. Heuschreckenplagen bedrohen das Überleben von Millionen Menschen. In Afrika und dem Nahen Osten wüten (Bürger-)Kriege während eine Katastrophe nach der anderen auf den Planeten hereinbricht. Was wir beobachten ist aber nicht, wie manche Menschen glauben könnten, die Wiederkunft von Jesus Christus, sondern der Todeskampf eines Systems, das zur Fessel der menschlichen Gesellschaft geworden ist – die Entscheidung zwischen Sozialismus oder Barbarei stellt sich uns heute deutlicher denn je.
Kapitalismus bedeutet Schrecken ohne Ende, aber er schafft zugleich seine eigenen Totengräber: Die Arbeiterklasse und in ihrem Gefolge die Massen der Armen und Unterdrückten.
Setzen sich die ArbeiterInnen erst einmal in Bewegung, kann sie keine Macht der Welt aufhalten.
13. März 2020