Während alle Parlamentsparteien auf Rassismus und Kriegshetze setzen, stehen wir als Revolutionäre Kommunisten fest auf dem Boden des Internationalismus und der Solidarität der Arbeiter. Wie kann sich die Arbeiterklasse gegen Spaltung, Ausbeutung und Unterdrückung wehren und organisieren? Von Merve Beypınar und Florian Keller.
Heute gibt es eine Vielzahl an Gründen, warum Menschen ihr Land verlassen, aber in den allermeisten Fällen liegt die Ursache in den gesellschaftlichen Verwerfungen, die der Kapitalismus ständig hervorbringt. Der Kampf um die ständige (Neu-)Aufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten führt zu Kriegen und massiver Ungleichheit. Die Folgen davon sind soziales Elend, Flucht und Vertreibung. Darüber hinaus kommt es angesichts der Unfähigkeit des Kapitalismus, den Klimawandel zu stoppen, zu Naturkatastrophen, die die Lebensgrundlage von Millionen zerstören. All dies hat zur Folge, dass immer mehr Menschen gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen und sich auf die Suche nach Arbeit und besseren sozialen Lebensbedingungen machen. „Nur äußerstes Elend bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen.“ so Lenin in „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Und davon gibt es heute mehr als jemals zuvor.
Wer profitiert von Migration?
Schon Friedrich Engels hat den Nutzen der Migration für die Kapitalisten erkannt und zur Lage in den USA 1882 folgendes geschrieben:
„Und diese fabelhafte Reichtums-Akkumulation wird durch die enorme Einwanderung in Amerika noch von Tag zu Tag gesteigert. Denn direkt und indirekt kommt dieselbe in erster Linie den Kapitalmagnaten zugute. Direkt, indem sie die Ursachen einer rapiden Steigerung der Bodenpreise ist, indirekt, indem die Mehrzahl der Einwanderer den Lebensstand der amerikanischen Arbeiter herabdrückt.“
Denn die Migranten sind gezwungen, aufgrund ihres unsicheren oder befristeten Aufenthaltsstatus unter schlechteren Bedingungen zu arbeiten und drücken damit das Lohnniveau für alle anderen Arbeiter. Die Kapitalisten importieren billige Arbeitskräfte, spalten die Arbeiterklasse, indem sie die Neuzuwanderer als Lohndrücker einsetzen, und weiten so ihre Profite auf Kosten der gesamten Arbeiterklasse aus.
Auch Lenin erkannte schon 1913 (im Artikel „Kapitalismus und Arbeiterimmigration“) die Funktion von Migration im Kapitalismus als „besondere Art der Völkerwanderung“, die bewusst die Interessen der imperialistischen Staaten bedient. Die „industriell rasch entwickelten Länder (…) locken die Lohnarbeiter aus den zurückgebliebenen Ländern an. Hundertausende von Arbeitern werden auf diese Weise Hunderte und Tausende Werst weit verschlagen“.
In Österreich und anderen imperialistischen Ländern importierte man ab den 1960er Jahren gezielt Arbeitskräfte als „Gastarbeiter“, nur um diese bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten wieder aus dem Land zu drängen. Und bei aller Hetze gegen Flüchtlinge sind auch heutzutage die großen Industriebetriebe, der Handel, die Lieferdienste, der Bau und die Kapitalisten vieler weiterer Branchen auf einen ständigen Strom an billigen Arbeitskräften aus dem Ausland angewiesen, die natürlich handverlesen die richtigen Qualifikationen haben sollen, damit die Kapitalisten nicht auch noch einen Teil ihres Profites in die Ausbildung stecken müssen.
Rassismus als Spaltungsmittel
Je tiefer die Krise des kapitalistischen Systems desto mehr missbrauchen die Kapitalisten Migranten auch auf eine andere Weise – nämlich für eine rassistische Sündenbockpolitik, um von den wahren Problemen abzulenken. Konkret heißt das: Je schwieriger das Leben für die Arbeiter und Jugendlichen wird, je mehr die Teuerung und die steigenden Mieten die Löhne wegfressen, je härter der Arbeitsalltag wird, je weniger schnell man wegen Kürzungen im Budget einen Platz für eine Operation bekommt und je größer die Schulklassen werden, desto mehr wird die Spaltung der Arbeiterklasse zur einzigen Möglichkeit, um zu verhindern, dass sich die Wut der Massen gegen die Profiteure des Systems und letztendlich gegen das System als Ganzes richtet. Und dieses ideologische Gift des Rassismus (aber auch andere Spaltungsmechanismen wie Sexismus, Homophobie etc.) wird über die Medien, über die Politik, über den Staatsapparat in die Gesellschaft gepumpt.
Lenin erkannte in diesem Mechanismus der Lohndrückerei und Hetze ein wesentliches Merkmal kapitalistischer Herrschaft: „Die Bourgeoisie hetzt die Arbeiter der einen Nation gegen die der andern auf und sucht sie zu trennen.“ Indem Migranten systematisch als Bedrohung dargestellt werden, nutzt die herrschende Klasse rassistische Vorurteile, um die Arbeiterklasse zu schwächen und die Ausbeutung ungestört fortzusetzen. Diese Taktik schafft ein Klima des Misstrauens und der Feindseligkeit, das eine wirkliche Solidarität unter den Arbeitern verhindern soll. Die Kapitalisten brauchen dieses Spaltungsinstrument, um die Arbeiter voneinander zu isolieren und jeden Versuch der gemeinsamen Organisation zu untergraben.
So ist es kein Zufall, dass sich in Österreich gerade in der vertieften Krise der letzten Jahre alle Parlamentsparteien und Medien der Hetze insbesondere gegen arabische und muslimische Jugendliche und Arbeiter angeschlossen haben. Bei den Liberalen vom „Standard“ bis zu den Grünen herrscht mittlerweile ein Ton, über den diese „gesitteten“ Bürgerlichen vor ein paar Jahren noch die Nase moralisch gerümpft haben. Dass auch die SPÖ als größte Arbeiterpartei die oft besungene internationale Solidarität aus dem Fenster geworfen hat, ist ein Ausdruck davon, dass der Reformismus den Arbeitern in Zeiten der kapitalistischen Krise nichts mehr zu bieten hat. Spaltung und Hetze sind alternativlos geworden für alle Kräfte, die den Kapitalismus bewahren wollen.
Es ist für die Arbeiterbewegung grundlegend falsch, Migration als „Problem“ zu erfassen, das man „bekämpfen“ muss. So führt Lenin im oben schon zitierten Artikel von 1913 aus:
„Doch nur Reaktionäre können vor der fortschrittlichen Bedeutung dieser modernen Völkerwanderung die Augen verschließen. Eine Erlösung vom Joch des Kapitals ohne weitere Entwicklung des Kapitalismus, ohne den auf dieser Basis geführten Klassenkampf gibt es nicht und kann es nicht geben. Und gerade in diesen Kampf zieht der Kapitalismus die werktätigen Massen der ganzen Welt hinein, indem er die Muffigkeit und Zurückgebliebenheit des lokalen Lebens durchbricht, die nationalen Schranken und Vorurteile zerstört und Arbeiter aller Länder in den großen Fabriken und Gruben Amerikas, Deutschlands usw. miteinander vereinigt.“
Die Antwort der Marxisten auf Migration, Lohndrückerei und Spaltung war es daher niemals, zu versuchen, ausländische Kollegen aus dem Arbeitsprozess herauszuhalten und für strengere Migrationskontrollen oder geschlossene Grenzen zu kämpfen. Der Weg für die Arbeiterklasse führt nicht zurück zur „Revitalisierung“ der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts, sondern vorwärts zur Vereinigung im Klassenkampf über alle nationalen Grenzen hinweg und schließlich zur internationalen sozialistischen Revolution.
Arbeiterklassesolidarität muss organisiert werden
Als Revolutionäre Kommunisten stellen wir uns entschieden gegen die Logik der Herrschenden und ihres Systems. Wir stehen fest auf dem Standpunkt des proletarischen Internationalismus. Marx und Engels haben schon im Manifest der Kommunistischen Partei 1848 festgehalten: „Die Arbeiter haben kein Vaterland“. Das waren keine leeren Worte aus einer Laune heraus, sondern basierten auf einer grundlegenden Analyse des Kapitalismus.
Der Kapitalismus ist das System der systematischen Ausbeutung der Lohnarbeiter durch die Kapitalisten. Das „Vaterland“, d.h. der Nationalstaat, ist der organisierte Ausdruck der Interessen der Kapitalisten dieses Landes – Engels nannte ihn auch den „ideellen Gesamtkapitalisten“. Er ist das Werkzeug der Kapitalisten zur Durchsetzung der gemeinsamen Klasseninteressen. Den Kern dafür bilden die Armee, die Polizei und das Justizsystem. Aber mit zunehmender Entwicklung des Kapitalismus und einer damit einhergehenden enormen Stärkung der Arbeiterklasse (heute sind in Österreich weit über 90% der Erwerbstätigen lohnabhängig) ist die Aufrechterhaltung des Systems nicht mehr denkbar ohne systematischen ideologischen Betrug und die Spaltung der Arbeiterklasse. Die Spaltung anhand der Nationalität und Religion hat dabei immer eine entscheidende Rolle gespielt.
Doch diese Spaltung der Arbeiterklasse ist künstlich und aufgepfropft. Der gemeinsame, kollektive Arbeitsprozess sorgt dafür, dass wir Arbeiter am Band, am Bau oder im Büro systematisch dazu gezwungen sind, zusammenzuarbeiten, egal welche Sprache wir sprechen. Doch auch darüber hinaus haben wir ein gemeinsames Interesse: Die Kapitalisten sitzen immer am längeren Hebel, solange ein einzelner Arbeiter einem einzelnen Kapitalisten gegenübersteht – sie besitzen die Fabriken, die Maschinen, die Rohmaterialien. Nur gemeinsam, durch die Solidarität untereinander, können wir dem etwas entgegensetzen. Und das gilt im einzelnen Betrieb bis hin zur gesamten Gesellschaft, wo es im Interesse der Arbeiterklasse als Ganzes, d.h. der Arbeiter selbst, der Jugendlichen und der Pensionisten ist, der Profitgier der Kapitalisten gemeinsam etwas entgegenzusetzen.
Wir kämpfen daher für gleiche und bessere Bedingungen für ALLE Arbeiter, egal welcher Herkunft, und auch über alle Landesgrenzen hinweg. Das ist die einzige Garantie gegen Lohndrückerei und Spaltung. Nur die Arbeiter selbst können durch ihren gemeinsamen Kampf und ihre Organisierung für bessere Bedingungen und letztendlich ihre Befreiung sorgen – und nur wenn die Arbeiterklasse vereint ist, kann sie die dazu notwendige Kraft aufbringen. Daher ist auch der wichtigste Ansatz zur Überwindung der rassistischen Spaltung in der Organisierung des gemeinsamen Klassenkampfes zu suchen. Das kann von Diskussionen unter Kollegen reichen, um sich nicht zusätzliche Arbeit reindrücken zu lassen, bis hin zu Streiks und Demonstrationen, die nur funktionieren, wenn möglichst viele mitmachen und sich nicht spalten lassen.
Kampf gegen jede Unterdrückung
Damit die Basis und das Vertrauen für diesen gemeinsamen Kampf hergestellt werden, ist es aber entscheidend, dass die gesamte Arbeiterbewegung sich den Kampf gegen jede Form der Unterdrückung und Diskriminierung anhand der Herkunft, der Religion etc. zur Aufgabe macht. Ca. 1,5 Mio. Menschen über 16 dürfen in Österreich nicht wählen, obwohl sie dauerhaft hier leben. Viele Migranten werden bewusst in einem rechtlichen Graubereich mit unsicheren oder nicht vorhandenen Aufenthaltstiteln gehalten, in dem sie gezwungen sind, alle Missstände zu akzeptieren und nicht selten von Abschiebung bedroht sind. Doch es sind nicht nur die formellen Rechte, die angegriffen werden. Wenn man im Betrieb oder auf dem Schulhof die falsche Sprache spricht, hat man nicht selten mit Repressionen zu rechnen. Wer die „falsche“ Hautfarbe hat, wird viel häufiger von der Polizei kontrolliert.
Die Arbeiterbewegung muss sich offensiv und mit voller Energie gegen all diese Formen der nationalen und rassistischen Unterdrückung stellen. Nur so kann die Basis für einen wirklichen gemeinsamen Kampf gelegt werden. Das beschränkt sich auch nicht auf die „kleinen“, konkreten Fragen in Österreich, sondern muss auch die reaktionäre Rolle der eigenen herrschenden Klasse auf Weltebene entlarven und bekämpfen. Das bedeutet heute, sich mutig und entgegen aller Widerstände gegen die Komplizenschaft der österreichischen Kapitalisten und ihrer Regierung im Völkermord der israelischen Armee an den Palästinensern zu stellen. Es bedeutet auch, die Lüge der „österreichischen Neutralität“ zu entlarven, unter deren Deckmantel die Bürgerlichen hierzulande aufrüsten und woanders an der Ausbeutung der Arbeiter am Balkan, in Osteuropa etc. im NATO-Verbund teilnehmen.
Die revolutionäre Arbeiterpartei aufbauen
Während das Leben immer teurer wird, bereitet die kommende Regierung unter dem Deckmantel des Rassismus neue Angriffe auf den Lebensstandard, auf die Arbeitsbedingungen, das Gesundheitssystem, die Pensionen etc. vor. Um dagegenzuhalten, muss die Arbeiterbewegung mit der Sozialpartnerschaft brechen, aber spezifisch auch die Frage des Rassismus und der Spaltung an den Hörnern packen. Doch das tut sie nicht. Die Spitzen der SPÖ und Gewerkschaften schielen lieber auf eine Regierungsbeteiligung, die nur zum Preis weiterer rassistischer Gesetze und massiver Einsparungen möglich ist, während die KPÖ-Führung versucht, das Problem des Rassismus und der kommenden Angriffe auf die Arbeiterklasse einfach totzuschweigen. Wenn das Thema Rassismus angesprochen wird, wird es als moralisches Problem gefasst, deren Lösung angeblich in den (letztlich reaktionären) Ideen der Identitätspolitik, der Quotenregelungen etc. zu suchen ist. Das ist nur ein Zeichen dafür, wie dringend es einen revolutionären Kurswechsel in der Arbeiterbewegung braucht!
Die Zeichen stehen auf Klassenkampf – es ist Zeit für eine großangelegte Kampagne in Verteidigung des Lebensstandards aller Arbeiter, Jugendlicher und Pensionisten. Es braucht Flugblätter und Broschüren in allen Sprachen, die in den Betrieben gesprochen werden, in denen erklärt wird, wie der Rassismus von der herrschenden Klasse bewusst genutzt wird, um die Arbeiter ruhig und „billig“ zu halten, und wie in den kommenden Monaten und Jahren unser aller Lebensstandard angegriffen wird. Es braucht Betriebsversammlungen, Streiks und Demonstrationen, die alle Arbeiterinnen und Arbeiter unabhängig von ihrer Herkunft im Kampf gegen die Angriffe der Kapitalisten vereinen!
Als Revolutionäre Kommunistische Partei (RKP) sind es diese Grundlagen des proletarischen Internationalismus, die darüber bestimmen, welches Programm wir vertreten und wie wir aufgebaut sind. Wenn man uns beitritt, tritt man nicht einer nationalen Partei, sondern einer Weltpartei bei (der Revolutionären Kommunistischen Internationale – RKI), die in dutzenden Ländern weltweit Jugendliche und Arbeiter mit dem selben Ziel organisiert: den Kapitalismus zu stürzen und den Sozialismus zu unseren Lebzeiten zu erkämpfen. Auch in Österreich organisieren wir Menschen ohne Unterschied der Herkunft, der Hautfarbe, des Aufenthaltsstatus und des religiösen Hintergrundes mit einem gemeinsamen Ziel: Eine starke, geeinte Partei aufzubauen, ein Werkzeug, mit dem die Arbeiterklasse den Klassenkampf bis zum Sturz des Kapitalismus führen kann. Damit können wir alle Formen der Spaltung, der Ausbeutung und Unterdrückung auf den Müllhaufen der Geschichte befördern. Schließ dich uns an, tritt der RKP bei!
(Funke Nr. 228/09.11.2024)