Mehr als 200 Aktivisten sind am 5. & 6. Oktober in Wien zusammengetroffen, um den Völkermord in Palästina zu denunzieren, nachdem derselbe Versuch in Berlin zuvor von der Polizei gesprengt und aufgelöst wurde. Was Mut und Teilnahme betrifft, war der Kongress ein voller Erfolg. Von Sonia Previato und Yola Kipcak.
In sieben Podiumsdiskussionen haben über 25 österreichische und internationale Redner und Rednerinnen die palästinensische Frage erläutert. Besonders beeindruckend waren der Bericht des Kinderarztes Qassem Massri über seinem Einsatz im Gazastreifen und jener von Ahmad Othman über das Verbot der Palästina-Solidarität in Duisburg.
Was politische Analyse und Vorschläge betrifft, war das Treffen bedauerlicherweise ärmer. Nur ein Vortragender (Ernst Wolrab, KPÖ & KZ-Verband) hat den Kapitalismus als ökonomisches System, das die Unterdrückung hervorbringt, erwähnt – ohne dies als Ansatzpunkt des Kampfes weiterzuentwickeln. Stattdessen stach die Ansicht hervor, der Imperialismus wäre eine Formation, dessen Kern die Einstellung der „white supremacy“ sei, und nicht der Kapitalismus. Der deutschsprachigen Gesellschaft wurde eine kollektive Psychose aufgrund der faschistischen Vergangenheit diagnostiziert.
Der palästinensische Botschafter in Österreich, Salah Abdel-Shafi, hat u.a. über die Vereinigten Nationen, den Internationalen Gerichtshof und eine „echte“ Zweistaatenlösung geredet. Die Hoffnung ist der Zusammenbruch der israelischen Gesellschaft aufgrund ihrer inneren Widersprüche. In einigen Interventionen vom Publikum ist der Unmut durchgebrochen: „Wir reden seit 70 Jahren nur blabla, wann gibt es echte Antworten?“, „die arabischen Regimes sind Komplizen“, dass am Podium Leute säßen, die verteidigten, dass die Palästina-Autonomiebehörde als Henker Israels agiert.
Der in London ansässige Akademiker Azzam Tamimi (ex-Leiter des Institute of Islamic Political Thought) hat viel Beifall gefunden, als er gegen die „Verräter unter uns“ gewettert hat und zum opferbereiten, bewaffneten Widerstand als Weg nach vorne aufgerufen hat. Er hat den palästinensischen Widerstand mit dem Vietnams, Algeriens und anderer kolonialer Revolutionen verglichen. Die Rede hat sehr radikal geklungen, obwohl er klar gesagt hat, dass er keine Lösung hat, die nur die Palästinenser selber finden sollten.
Naji El-Khatib, Akademiker und Politiker aus dem säkularen Spektrum, hat eine Alternative zur Zweistaatenlösung dargestellt. Er ist ein Verfechter der „One Democratic State Initiative“, laut der die Lösung ein demokratischer (kapitalistischer) Staat ist, in dem Palästinenser, Juden und alle Völker unabhängig von Religionen und Herkunft friedlich und ohne Unterdrückung zusammenleben. Wie man aus der Armut des Kapitalismus herauskommen kann, wurde dabei nicht gesagt. Als erfolgreiches Beispiel dafür hat aber Andrew Feinstein, südafrikanischer Politiker des African National Congress, das Ende der Apartheid in Südafrika vorgebracht. Auf Nachfrage musste er zugeben, dass er nicht verstehen kann, wieso die südafrikanische Führung innerhalb kurzer Zeit an der Macht korrupt und gierig geworden ist. Auch hier bleibt die Rolle des Kapitalismus unausgesprochen. Abgesehen von der Korruption im Staat lebt auch die Bevölkerung Südafrikas nicht friedlich, Armut und Ungleichheit haben sogar zugenommen. Aber in diesem Vergleich stimmt einiges nicht. Die Schwarzen Südafrikas wurden nie vertrieben oder bombardiert, sondern als fast kostenlose Arbeitskraft brutal ausgebeutet. Vielleicht deswegen musste Feinstein hinzufügen, dass die Palästinenser leider nicht streiken können, und dass daher nur Boykott, Desinvestition und Sanktionen übrigbleiben würde. Falsch.
Die Fortsetzung der Liste Gaza auf Wahlebene wurde auch diskutiert, auch wenn viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen auch Mitglieder der KPÖ sind.
Trotz ihres Mutes bleibt die Palästina-Soli-Bewegung gespalten und kann dem Kampf zur Befreiung Palästinas keine Stoßrichtung geben.
In dieser Perspektivlosigkeit der säkularen Kräfte sticht der Kampfgeist jener hervor, die für direkten Kampf argumentieren, ohne ein politisches Ziel nennen zu können: der islamische Professor Tamimi oder die Vertreterin der „direkten Aktion“ von PalAction.
Der RKP kommt die Verantwortung zu, die Verknüpfung der Befreiung Palästinas mit der Abschaffung des Kapitalismus zu popularisieren. Der Weg nach vorne ist die Kraft der Unterdrückten und der Arbeiterklasse zu vereinen und gemeinsam für die soziale Revolution zu kämpfen. Das ist der einzige Ausweg aus der aktuellen Hölle.
(Funke Nr. 228/09.11.2024)