Chris Smalls ist ein US-amerikanischer Klassenkämpfer und der Mitgründer der Amazon Labor Union (ALU), die gegen harte Widerstände des Managements die Arbeiter des Logistik-Riesen organisiert. Im Zuge der Wienwoche war er zu Gast in Wien. Er sprach über Basisbewegungen und die gewerkschaftliche Organisierung bei Amazon. Unsere Genossen trafen sich mit ihm zum Gespräch.
F: Wir sind wirklich inspiriert vom militanten Kampf der ALU. Die alteingesessenen Gewerkschaftsführer hören wir immer sagen, dass die Arbeiter in Österreich gar nicht kampfbereit sind. Wie hast du deine Kollegen bei Amazon inspiriert zu kämpfen und den Kampfgeist am Leben erhalten?
A: Ja, das ist genau der Gegenwind, den wir auch bekommen haben. Als Basis-Gewerkschaft haben uns die großen Gewerkschaften auch zuerst keine Beachtung geschenkt. Deswegen stütze ich mich immer auf meine Community. Weißt du, Bewegungen brechen auseinander, wenn man sich auf Außenstehende verlässt. Und ich weiß, als Anführer muss ich jeden Tag aufstehen und unsere Leute motivieren.
Als ich heute mit den österreichischen Gewerkschaftern geredet hab, war ich auf jeden Fall sehr diplomatisch. Sie müssen sich einfach breiter aufstellen, weißt du, wenn nicht, dann wird ihre Gewerkschaft eingehen. Sie werden auf jeden Fall schrumpfen, wenn sie nicht anfangen, Migranten einzubeziehen, wenn sie nicht die neuen Branchen und neue Arbeiter organisieren. Ich hoffe, sie haben gut zugehört und machen mehr.
F: Jahr für Jahr sehen wir, wie die Bosse uns hierzulande die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wegnehmen. Die Gewerkschaftsführung geht immer schlechte Kompromisse ohne Kampf ein. Was ist deiner Meinung nach die Aufgabe von Gewerkschaftsaktivisten?
A: Ja naja, das ist es eben. Andere Länder sind ganz anders als Amerika. Weißt du, hier sind viele Gewerkschaften sozialpartnerschaftlich eingebunden und wollen nicht kämpfen, weil sie in der Vergangenheit mit dieser Methode viele Vorteile für ihre Mitglieder erreichen konnten. Und jetzt haben sie das Gefühl, dass sie nicht kämpfen müssen. Aber das ist ein riesiger Fehler, weil die Kapitalisten wollen, dass wir gespalten bleiben und das ist ihr Kampfplan, uns vereinzelt zu lassen. Wenn wir nicht kämpfen, dann haben sie schon gewonnen. Deshalb muss ich die Leute jeden Tag daran erinnern, dass es immer noch etwas gibt, für das es sich lohnt zu kämpfen. Man kann nicht immer auf Politiker verweisen, die uns gar nichts geben.
F: Als Revolutionäre Kommunisten sind wir gegen das geringere Übel. Glaubst du, es gibt einen Kandidaten in der kommenden US-Wahl, der die Interessen der Arbeiterklasse vertritt?
A: Was den kommunistischen Sektor angeht ist es grad sehr schwierig. Die USA ist so gespalten, vor allem anhand von Palästina. Sogar in der Linken sind wir gespalten. Es ist echt schwer zu sagen, ob es einen Kandidaten gibt, den ich unterstützen kann. Aber ich sehe Hoffnung bei den Studenten. Ich war an der Columbia University (Palästina-Solidaritätscamp, Anm.) am Tag eins, ich war auch bei verschiedenen Unis. Ich sehe, wie die jüngere Generation wirklich kämpft und ihre Ausbildung aufs Spiel setzt. Und ich sehe, wie sich aus der Bewegung einzelne Anführer herausbilden. Hoffentlich kann ich in den nächsten Jahren irgendwie, auf irgendeine Weise, die Leute überzeugen, dass wir eine dritte Partei, eine Arbeiterpartei in den USA brauchen. Eine kommunistische Partei oder was auch immer die Leute wollen, wir brauchen auf jeden Fall mehr Optionen als dieses Zwei-Parteien-System.
F: Um es klar zu sagen: Eine neue Partei ist in der Situation angelegt, die Leute sind wütend. Wie kann so eine Partei aufgebaut werden?
A: Jemand muss die Führung übernehmen und das Ding ins Rollen bringen. Ob ich oder jemand anderer aus der Arbeiterbewegung, wir müssen die Initiative ergreifen. Wahrscheinlich werde ich es sein. Ich weiß noch nicht genau, wie man das alles macht, aber ich habe eine größere Mission. Ich werde eine Menge Unterstützung brauchen, aber ich säe gern die Saat und hoffe, dass ich das in den nächsten Jahren anfangen kann. Ich glaub, wenn die Gewerkschaften einsehen, dass wir einen anderen Weg gehen müssen, um die Verbesserungen, die wir als Arbeiterklasse wollen, zu bekommen, dann werden sie einsehen, dass die Demokraten und die Republikaner sie verkauft haben.
F: Also gibt es keine etablierten Kräfte wie AOC oder Sanders?
A: Nein verdammt, scheiß auf Bernie Sanders. Zur Hölle mit ihnen allen! Keiner von ihnen, niemals, nie im Leben.
F: Glaubst du, du kannst was von Fiona Lali lernen?
A: Ich liebe Fiona, sie ist eine von uns! Ich habe sie in Großbritannien gesehen. Wir schreiben uns und wollten bald auch telefonieren, das muss ich noch festlegen. Wie gesagt, ihr findet mich auf aller Welt, ich seh‘ schon, was ihr macht. Ich bin froh, dass es solche Bewegungen auf der ganzen Welt gibt, nicht nur an einem Ort, in einem Land. Und das unterstütze ich! Ich unterstütze, was immer ihr braucht.
F: In Umfragen gewinnen kommunistische Ideen immer mehr an Beliebtheit. Nicht nur in den USA oder in Österreich. Bist du Kommunist? Und was denkst du generell vom Kommunismus?
A: Ich würde mich nicht so bezeichnen, weil sie das sonst gegen mich verwenden würden. Ich lasse das die Leute entscheiden. Ich kämpfe für das Richtige und egal in welche Kategorie das fällt, damit komme ich zurecht. Viele nennen mich einen Kommunisten, manche nicht. Das ist in Ordnung, ich weiß nur, dass das, wofür ich kämpfe, die richtige Sache ist. Offensichtlich habe ich viel von Kommunisten gelernt.
Ich war in vielen kommunistischen Ländern. Ich war in Kuba und ich fliege nächste Woche nach Griechenland, zum kommunistischen Jugendfestival der KKE. Ich habe die KP auch in meine Gewerkschaft eingeladen. Ich bin von vielen Kommunisten umgeben, das sind meine Genossen, durch dick und dünn! Nochmal, ich muss mich nicht als Kommunist bezeichnen! Ich lasse das andere machen. Ich werde mich weiterhin für die Rechte der Arbeiter einsetzen. Hoffentlich kann das auf die eine oder andere Weise ineinandergreifen.
F: Fantastisch. Das war Chris Smalls. Wir sind die Revolutionäre Kommunistische Partei in Österreich. Danke für das Interview!
(Funke Nr. 227/07.10.2024)