Ein Kommentar zu den Regierungsverhandlungen, bei denen ein Mega-Sparpaket rauskommen wird.
In der Spätphase der antiken Demokratie in Athen beschreibt der Philosoph Plato, dass das „Verderbnis in der Gesetzgebung und allgemeinen Sittlichkeit in erschreckender Weise zunimmt“, sodass der Eindruck herrsche „dass sie alle elend miteinander regiert seien. Denn ihre Gesetzgebung liegt völlig unheilbar dar nieder”.
Unabhängig davon welche politische Haltung man nun zum verkündeten Budgetloch einnimmt – ein Gefühl hat jeder politisch interessierte Mensch: professionell belogen und betrogen zu werden:
• Parteien, die wider besseres Wissens Lügen-Wahlkämpfe betreiben
• Experten und Institutionen, die auf Zuruf reagieren oder schweigen
• Eine Presse, die nichts recherchiert, sondern nur als Lautsprecher von herrschenden Interessen agiert
• Ein Wahlvolk, das belogen und betrogen gar keine souveräne Wahlentscheidung treffen kann.
• Was letztendlich aber auch völlig egal ist, da im Fall des Falles alle politischen Kräfte vor dem von den Experten diktierten Sparzwang niederknien.
Der definitiven Entscheidung der „Reformgruppe“ (O-Ton Finanzstaatssekretär Andreas Schieder, SPÖ), das Parlament doch nicht zu sanieren, ist jedenfalls inhaltlich voll zuzustimmen. Auf dass diese Quatschbude den inneren Zerfall auch der äußeren Form nach widerspiegele. Denn in Österreich sind sogar physikalische Gesetze nicht vor der Kraft der hiesigen politischen Kultur gefeit: Galt im Frühjahr das Parlament als baufällig und als Risiko für Leib und Leben, ist dies seit vorgestern, ganz ohne die Hand eines einzigen Bauarbeiters, per Beschluss auf höchster Ebene ein vitales Schmuckkästchen, das locker noch fünf Jahre auf seinen krummen Buckel nimmt.
Die öffentlich getätigte Phrase ist nur die Widerspiegelung der inneren Leere – und hier werden wir parteiisch. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Quellen wurde uns berichtet, dass die SP-Verhandler angehalten werden, mit dem Gegenüber nur „Überschriften zu verhandeln“, wohlwissend, dass jede konkrete Vereinbarung von den eigenen Leuten als Verrat empfunden würde und den innerparteilichen Widerstand und Unwillen hochkochen lassen könnte.
Wie hier reformiert wird, kann man nur aus kleinen Splittern, die ans Tageslicht kommen, erahnen: Etwa dass Kinder zukünftig ab dem unschuldigen Lebensalter von vier Jahren „Potenzialanalysen“ unerzogen werden sollen, die bei der „Schullaufbahnlenkung“ helfen sollen. Die Intelligenten ins Gymnasium (ja so darf man heute wider besseren Wissens argumentieren), und die Prolos in die allgemeine Mittelschule. Sozialwissenschaftliche Methoden des 21. Jahrhunderts für eine Gesellschaft aus dem 19. Jahrhundert. Ab jetzt werden die Produktionsprozesse schon im Kindergarten verdichtet.
Hinter allen sogenannten „Reformen“ steckt die Verknappung von Ressourcen aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskrise. Steuereinnahmen stagnieren, Ausgaben in den sozialen Sicherungssystemen (Pensionen, Arbeitslosigkeit) steigen, und, sprechen wir es ruhig so aus: die Reichtumsanhäufung der Kapitalbesitzer muss geschmiert werden! Denn in Wirklichkeit kann man die Budgetprobleme auf einen einzigen Faktor reduzieren: Die Bankenkrise.
Aus dem „Geschäft Bankenrettung“ wurde eine unüberschaubare Geldkrake, die sich das Geld zum Nulltarif aus dem Budget saugt. Die Chef-Reformer haben nun 5,8 Mrd. ¤ eingeplant. Es wird aber allein für die Hypo Alpe Adria das Doppelte und Dreifache werden, und dann sind da ja noch die anderen verstaatlichten Institute (Kommunalkredit, Volksbanken), die ebenfalls darauf warten, mit Steuergeldern saniert und für den Markt wieder fit gemacht zu werden. Diese Wahrheit, die längst in den gesetzlich dafür vorgesehenen Institutionen erfasst wurde, wird in der Öffentlichkeit weiter ignoriert. Der Sinn der sogenannten „Großen Koalition“ liegt genau darin, Politik für das Kapital zu machen, dass dieses scheue Reh nicht flüchten möge, und gleichzeitig mit einem roten Anstrich dafür zu sorgen, dass die Proleten jede Gemeinheit schlucken, ohne dass es zu Aufständen kommt.
Und daher – ein Schelm wer hier keinen Zufall vermutet – wurde die öffentliche Meinung schon seit Tagen gut auf das nun Kommende vorbereitet (Ein kleines Indiz am Rande: Die Zeitung des Schulfreundes des Bundeskanzlers wusste zufälligerweise den nun veröffentlichten strittigen Betrag schon 48 Stunden länger auf Euro und Cent genau, und das noch vor den stundenlangen „Expertengesprächen“).
Und über die Medien kommt eine neue Nebelgranate, vorgebracht von Dosenkönig Didi Mateschitz, den man vor den Vorhang holt. Er befürwortet in einem Interview eine Reichensteuer für Vermögen über einer Million Euro, beschränkt auf drei Jahre, wenn es dafür “Reformen” gibt. Ihm folgte voestalpine-Chef Wolfgang Eder: Er befürwortet öffentlich ebenfalls eine Reichensteuer für Vermögen über einer Million Euro, beschränkt auf drei Jahre, wenn es dafür Reformen gibt.
Ach wie schön muss die Welt sein, wenn man sich die Art der Besteuerung selbst aussuchen kann.
Und so geht’s aus: Bei Pensionen: reinschneiden. Bei LehrerInnen und allgemein im öffentlichen Dienst: reinschneiden. Bei Gesundheit: reinschneiden. Schule, Uni, Lehre: aussieben. Bei Arbeitslosen: reinschneiden. Am Arbeitsplatz: noch mehr Druck.
Und für Reiche? Wenn überhaupt, dann kommt für die eine Vermögenssteuer nach dem Faymann-Modell mit Befristung.