Hört man heute ORF, denkt man an die Haushaltsabgabe und obszöne Spitzengehälter. Für eine funktionierende Demokratie brauche es einen unabhängigen ORF, wird uns gesagt, denn ohne die Öffentlich-Rechtlichen gäbe es keinen Schutz mehr gegen Fake-News und Propaganda. Von Willy Hämmerle.
Unabhängige Medien gibt es aber nicht. In einer Klassengesellschaft nehmen alle Medien zwangsläufig einen Klassenstandpunkt ein – der ORF ist da keine Ausnahme. Während den Regierungen kaum mehr jemand etwas glaubt, spielt er aber eine gewisse stabilisierende Rolle, auch wenn die Fassade der ‚unparteiischen Berichterstattung‘ an allen Ecken bröckelt.
Er prägt die gesellschaftliche Diskussion und gibt vor, innerhalb welcher Schranken sie sich zu bewegen hat. Das passiert mal mehr und mal weniger subtil. Im Umgang mit Gaza sehen wir die offensichtlicheren Züge. Das Elend der Palästinenser wurde unmittelbar nach dem 7. Oktober aus dem ORF verbannt. Korrespondent Karim El-Gawhary, immerhin Leiter des ORF-Nahostbüros, bekam zunächst kaum Sendezeit, nachdem er korrekterweise von den israelischen Besatzern sprach und palästinensische Opfer wurden weitgehend ausgeblendet. Wir berichteten in Ausgabe 218. Bis heute werden Opferzahlen auf palästinensischer Seite nur mit Hinweis auf die „radikalislamische Herkunft“ der Daten („laut dem Hamas-kontrollierten Gesundheitsministerium“) veröffentlicht und damit impliziert, dass man ihnen nicht vertrauen kann.
Um eine „gute“ (gut im Sinne der herrschenden Klasse) und gleichzeitig qualitative Berichterstattung sicherzustellen, braucht es auch fähiges Personal. Das steckt hinter den extrem hohen Gehältern der Direktoren, Chefredakteure und Geschäftsführer. Ihre Aufgabe ist es, die öffentliche Meinung zu managen und dafür gibt es auch stattliche Managergehälter weit jenseits von 10.000 Euro brutto im Monat. Der normale ORF-Mitarbeiter kann davon nur träumen. Im ganzen Unternehmen gibt es insgesamt fünf verschiedene Kollektivverträge, jede „Generation“ bekommt schlechtere Bedingungen vorgesetzt und die Lohnerhöhungen gehören österreichweit zu den geringsten (2023: +2,4 %; 2024: +4,6 %). Prekäre Dienstverhältnisse sind nichts ungewöhnliches und ein Mittel, um rangniedere Redakteure unter Druck zu setzen, sollten sie sich aus journalistischem Pflichtgefühl in heiklen Fragen gegen die Redaktionslinie wenden. Eine ehemalige Ö1-Redakteurin berichtete in der Kleinen Zeitung, dass sie in vier Jahren kein einziges Mal länger als 32 Stunden am Stück beschäftigt war und in den Redaktionssitzungen entschieden wird, ob sie einen Beitrag (und damit einen neuen Wochenvertrag) bekommt, oder nicht.
Mit der Haushaltsabgabe werden wir für eine Berichterstattung zur Kasse gebeten, die weitestgehend der Regierungslinie entspricht. Sie ist eine klassische Massensteuer, die den Arbeiter härter trifft als den Millionär. Die Arbeiterklasse kann nur dagegen sein. Sie braucht starke eigene Medien, will sie ihren Klassenstandpunkt in der „öffentlichen Meinung“ vertreten sehen.
(Funke Nr. 223/24.04.2024)