Das „Superwahljahr 2024“ hat begonnen. Liberale und Reformisten stilisieren die „Rettung der Demokratie“ zum Hauptproblem der Gesellschaft. Doch der Kapitalismus ist auf viel grundlegenderer Ebene kaputt, er bringt nichts mehr als Krisen, Kriege und Umweltzerstörung hervor.
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In einer Gallup-Umfrage (Juni 2023) stellen 56% der Österreicher dem Kapitalismus ein „negatives“ Zeugnis aus – der „Antikapitalismus“ vereinigt mehr Stimmen als irgendeine Parlamentspartei auf sich. Eine wachsende Schicht von Arbeitern und Jugendlichen ist auf der Suche nach Ideen, mit denen die kapitalistische Barbarei beendet werden kann. In Wahlumfragen reüssieren derzeit rechte Parteien, in Österreich die FPÖ, weil sie sich demagogisch gegen „die Eliten“ stellen. Die reformistischen Arbeiterparteien reagieren auf die Polarisierung, indem sie den bröckelnden „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ managen wollen. Angesichts der ständigen Verschlechterungen des Lebens gewinnt ein solches Programm kein breites Vertrauen. Stattdessen ist der Kommunismus im Aufwind: Immerhin 15% aller Österreicher sehen ihn positiv, zweifelsohne genießt er in der Jugend höhere Beliebtheit.
Aber wie kann man den Kommunismus erkämpfen? Um diese zentrale Frage zu beantworten, müssen wir die besten Erfahrungen und Ideen der Arbeiterbewegung studieren. Deswegen halten wir im Chaos des kapitalistischen Niedergangs die Ideen Lenins und der Bolschewiki hoch. Lenin war der führende politische und theoretische Kopf der Bolschewiki, die 1917 in Russland die Revolution zum Sieg führten. Zum ersten Mal in der Geschichte – mit Ausnahme der kurzlebigen Pariser Kommune von 1871 – errichteten die unterdrückten und ausgebeuteten Massen ihren eigenen Arbeiterstaat. Das ist es, was die Herrschenden Lenin niemals verzeihen können.
Geht es um Lenin, werfen „Experten“ und Historiker jeden Schein von Berufsethik über Bord, um ihn und die Russische Revolution zu diskreditieren. Lenin sei ein gewaltliebender, jähzorniger Diktator, zugleich Anarchist und Erbe der zaristischen Autokratie, und nie fehlen darf die Lüge, Lenin habe bereits den stalinistischen Terror vorweggenommen (der tatsächlich erst Produkt der Isolation und des Niedergangs der Revolution war).
In einer Ö1-Radiosendung vom 10.1. gibt „Gewaltexperte“ und Held des Antikommunismus Jörg Baberowski einen Einblick in die wirklichen Beweggründe dieser Propagandisten des Kapitals: Der Leninsche Terror habe damit begonnen, „die Ressentiments und die Gefühle der Volksmassen auf den Straßen gegen die Elite zu wenden. Sie haben sozusagen den allgemeinen Straßenterror organisiert und ihn von der Leine gelassen. Das ist glaube ich die erste Phase – die Demütigung, die Erniedrigung der alten Eliten“. Der Pöbel, der in den Augen dieser Menschen wohl wie ungezogene Hunde dressiert gehört, wurde „von der Leine gelassen“! – und hat es gar gewagt, die Eliten zu demütigen! Das ist die Essenz des bürgerlichen Hasses auf Lenin und die Bolschewiki: Sie haben in der Praxis bewiesen, dass die Arbeiterklasse die Gesellschaft selbst führen kann. Und umso mehr gilt es für alle revolutionären Kommunisten heute, diese Ideen aufzugreifen und zu studieren, um die Welt zu verändern. Denn, wie Lenin gesagt hat: „Unsere Theorie ist kein Dogma, sondern eine Anleitung zum Handeln.“
Dass die Arbeiterklasse sich bewegt und für ihre eigenen Interessen kämpft, wollen die Bürgerlichen auch heute unbedingt verhindern. Zur Rettung ihres Systems wollen sie die Arbeiterklasse ideologisch und praktisch an sich binden. Um das wachsende Interesse am Marxismus in sichere Bahnen zu lenken, wird uns daher erklärt, dass Lenin „eigentlich gar kein klassischer Marxist im Unterschied etwa zum österreichischen Schöpfer des Austromarxismus, Otto Bauer“ sei (Ö1, 10.1.). Die Reformisten hätten eben richtig verstanden, worum es geht: „Sie brauchten überhaupt gar keine Revolte, sie mussten nicht alles kaputtschlagen, weil sie Wahlen gewinnen konnten.“ Wir fügen hinzu: bis die Bürgerlichen im blutigen Februar 1934 die Kanonen auf die Arbeiterklasse richteten.
Die „Furche“ (18.1.) lässt Historiker Nikolaus Dörr die aktuelle Lage erörtern: „Wenn sich die KPÖ langfristig in der politischen Landschaft Österreichs durchsetzen will, dann muss sie sich von diesen kommunistischen Begrifflichkeiten verabschieden. Sie braucht eine Entleninisierung. … die KPÖ ist natürlich Teil des Systems und hat dadurch sogar Erfolg.“ Dem SPÖ-Chef Andreas Babler empfiehlt er: „Marx im Kleinen könnte ich akzeptieren“, aber viel wichtiger sei es, dass Babler mehr Wähler an sich binde: „Er gräbt zu wenig Wasser ab für die FPÖ in puncto Migrationspolitik und fährt einen Kurs, der nicht breit genug ist.“
Alles klar: Arbeiterparteien und ihre Führungen sollen das kapitalistische System akzeptieren, die Politik auf Wohltätigkeitsinitiativen und das Parlament beschränken und am besten die Spaltung der Arbeiterklasse noch effizienter vorantreiben als selbst die rechten Demagogen.
Angesichts der tiefen Krise des Kapitalismus sorgen sich die Kapitalisten um die politische Stabilität. Sie brauchen eine Regierung, die bereit und fähig ist harte Angriffe auf die Arbeiterklasse umzusetzen und dabei die Aufrüstungs- und Konfrontationspolitik des westlichen Imperialismus gegen Russland mitträgt. Liberale und Reformisten machen daher derzeit Stimmung gegen rechte Parteien wie AfD und FPÖ, um dieser „Politik der Mitte“ Leben einzuhauchen. Die Arbeiterklasse soll fest in einem Bündnis mit den Liberalen gezurrt werden – die reformistischen Parteien gehen dieses Bündnis bereitwillig ein.
Diese Orientierung ist eine Sackgasse. Gerade die bürgerliche Krisenpolitik ist es, die den Rechten erst den Auftrieb verschafft hat. Um die Profitinteressen der Kapitalisten schützen, spalten die Bürgerlichen permanent die Arbeiterklasse, schüren Rassismus und greifen den Lebensstandard der Arbeiterklasse und Jugend an. Die Arbeiterklasse braucht einen eigenen, unabhängigen Klassenstandpunkt.
Lenin und die Bolschewiki verkörpern genau diese heute wieder hochaktuellen Ideen. Er verstand, dass die Arbeiterklasse eine Partei benötigt, die unzweideutig gegen die Bürgerlichen und für die internationale Solidarität und Einheit des Proletariats kämpft. Anders als die Reformisten hatte er volles Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Klasse, die Gesellschaft selbst zu steuern. Dafür stellte er sich gegen jeden Opportunismus und das Einknicken gegenüber den Herrschenden. Genau eine solche revolutionäre Führung gilt es auch heute aufzubauen.
Der Kapitalismus ist in der tiefsten Krise zumindest seit den 1930er Jahren und bereitet den Boden für revolutionäre Ausbrüche. Wir sehen in den letzten Jahren weltweit einen Anstieg von Klassenkämpfen und Massenbewegungen, von der Solidaritätsbewegung für Palästina bis zur Klimabewegung, überall neue Schichten der Arbeiterklasse, die beginnen zu kämpfen. Die sozialistische Revolution ist kein fernes Zukunftsziel, sondern eine Frage, die sich für unsere Generation stellt. Alle Kommunisten sind dazu aufgerufen sich zu organisieren und auf die kommende Revolution vorbereiten. Denn dies ist die Essenz von Lenin und seiner Organisation: Eine Revolution der Arbeiterklasse kann nur siegreich sein, wenn die Revolutionäre sich schon davor organisiert, ausgebildet und Wurzeln in der Klasse geschlagen haben.
Diesem Ziel haben wir uns als Teil unserer Internationalen, die in über 60 Ländern der Welt aktiv ist, verschrieben. Hilf mit: Tritt den revolutionären Kommunisten bei!
Wien, 26.01.2024
Aus dem Inhalt
- Aus unserem Postfach
- Österreich
- Superwahljahr 2024: Krise der bürgerlichen Demokratie
- Warum ist die FPÖ so stark und wie können wir sie besiegen?
- Der Fall von Signa und Benko
- Wohltätige Gesten sind zu wenig
- Betrieb & Gewerkschaft
- Handels-KV: Eine Bilanz
- Liefarando-Rider: Dynamisch und kampfbereit
- 45.000 Metaller vor Lohnkürzungen
- Was bedeutet die Öffnungsklausel?
- Schwerpunkt: Lenin: eine politische Biographie
- International
- In Verteidigung des Funke: Wofür stehen wir in der Palästinafrage?
- Deutschland: Traktorendemos, Menschenketten, Streiks
- Ukraine: Mobilisierungen, Leid und Verbitterung
- Palästina: Befreiung nur durch Revolution
- Geschichte / Gesellschaft
- Februar 34: Warum der Faschismus siegen konnte
- Happier than ever? Traurige Musik, Generation Krise – und Revolution
- Kommunismus
- Bauen wir die revolutionären Kommunisten auf!
- Warum ich aktiv geworden bin – von Naomi
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