Die „neue“ Große Koalition unter Führung von Werner Faymann steht. Dasd das Koalitionsabkommen und die Ressortverteilung die Handschrift der ÖVP trägt, ist laut „Presse“ klar ersichtlich. Diese Regierung hat nur eine Aufgabe: die kapitalistische Krise unter Einbindung der Gewerkschaften zu verwalten.
Jetzt erhalten wir Folgendes: Die Steuerreform wird in erster Linie Gut- und Topverdiener („Steuerentlastung für Familien und Besserverdienende“, titelte Die Presse) berücksichtigen, auch die 500 Millionen für die Familien kommen in erster Linie der ÖVP-Klientel zu gute. Abschreiben können nun mal nur jene, die unter die Steuerpflicht fallen, mehr als ein Drittel der Lohnabhängigen (und zwar die mit einem Einkommen unter 1100 Euro) fallen bei diesem Plan um – sie passen nicht ins ideologische Familienschema der ÖVP – und Faymann schließt sich dieser Meinung an. Das ideologische Primat der ÖVP – das Aufbrechen gesellschaftlich verwalteter Sektoren zugunsten des Privatkapitals – wird unter dem Namen „Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit“ und „Liberalisierung“ weiter fortgesetzt. So heißt es etwa: “Ungeachtet dessen, dass das Unternehmen Postbus die Produktionskosten senken muss,…“ Das ist Politikerdeutsch für ein Programm des Lohn- und Stellenabbaus für die widerständige Postbusbelegschaft. Im Gesundheitswesen ist eine „Strukturreform“ angestrebt, Liberalisierungen und Privatisierungen werden gut geheißen, Personaleinsparungen ebenso.
Die Kernpunkte des SP-Programms fehlen einmal mehr: Steuern auf Vermögen zur Finanzierung des Gesundheitssystems, Ausbau und öffentliche Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen, Ausweitung der steuerlichen Gutschriften für Klein- und Kleinsteinkommen.
Eine während der Koalitionsverhandlungen in der Parteilinken entstandene Vermutung nimmt nun klare Umrisse an: Die ÖVP hat ihr gesamtes Programm durchgebracht. Dort wo es sich in Zukunft spießen könnte, weiß die SPÖ-Spitze die Industriellenvereinigung hinter sich. Das Nulldefizit ist heute für den ideologischen Kitt der ÖVP-Bünde ebenso wichtig und identitätsstiftend wie der Katholizismus. In Zeiten der Krise sind plötzlich auch die Bürgerlichen offen fürs Schuldenmachen. Das Budgetdefizit wird wohl oder übel über die 3 Prozent hinausgehen – zwecks Wirtschaftsbelebung. Doch über die Legislaturperiode will die Koalition ein ausgeglichenes Budget erzielen – bezahlt wird’s dann mit Massensteuern und Sparpaketen werden.
Diese Regierung ist ebenso illusionär wie die letzte: Sie glaubt, an den realen Lebensverhältnissen vorbeiregieren zu können. Sie nimmt ebenso wie die letzte Regierung nicht die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Menschen, sondern eine Wunschvorstellung zum Ausgangspunkt ihres Handelns. Wie sonst ist es zu erklären, dass das gesamte Regierungsprogramm auf einer Wirtschaftsprognose gebaut ist, die nicht einmal mehr die Berufsoptimisten vom WIFO unterstützen würde? Dieses Missverhältnis zwischen Realität und politischer Handlung birgt auf mittlere Frist Sprengpotential für diese Regierung.
Wo kreuzen sich die Klingen?
Inhaltlich haben die Konservativen die Sozialdemokratie voll im Griff. Das jüngste Aufbäumen in den ÖVP-Landesverbänden gegen eine SPÖ-geführte Regierung hat andere Gründe. Die ÖVP hat inhaltlich wenig Probleme mit der SPÖ. Was sie aber stört ist die soziale Struktur der Sozialdemokratie, ihre traditionelle Verbindung mit der ArbeiterInnenklasse also, und vor allem ihre „Gewerkschaftgetriebenheit“.
Die zentrale Aufgabe einer kommenden Regierung kann aus der Sicht des Kapitals so umrissen werden: Österreich durch die mageren Jahre führen. Konkret bedeutet das:
* Zerschlagung des Gesundheitssystems und der solidarischen Gesundheits- und Pensionsvorsorge
* weitere Privatisierungen und Liberalisierungen
* weitere Geldgeschenke an die Banken und bald auch für die produzierende Industrie
* Aushungern der öffentlichen Bildung und Kinderbetreuung
* Einschnitte in die Personalstruktur des Bundes
* Einschnitte in der Arbeitslosenversicherung
* Verschlechterungen im Pensionsbereich.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Regierungsprogramm um eine Fortsetzung der schamlosen Umverteilungen von unten nach oben seit dem Jahr 2000.
Nachdem die SPÖ-Spitze völlig ideenlos ist, ist es den „GenossInnen“ im Regierungsteam und im Parlamentsklub durchaus zuzutrauen, dass sie all diesen Maßnahmen aufgrund des „dringenden Handlungsbedarfs“ (natürlich „zähneknirschend“!) zustimmen werden. Die Wahlperiode geht ja über fünf Jahre, und im Jahr 2010 oder spätestens 2011 wird die Konjunktur schon wieder anspringen. Dann wieder ein intelligenter Wahlkampf – und damit könnte es sich mit der ÖVP nochmals ausgehen.
Der Basis wird einstweilen entgegen gekommen, indem das „Ende des Neoliberalismus“ beschworden und die „Rolle des Staates“ betont wird.
Was wir jetzt aber tatsächlich erleben, ist alles andere als ein Bruch in der Wirtschaftspolitik. Die Devise heißt weiterhin: Profite privatisieren, Verluste vergesellschaften – dazu braucht es heute eben den Staat. So schaut es mit der großkoalitionären Alternativlosigkeit von Faymann & Co aus.
Bürgerliche Führung der ArbeiterInnenbewegung
So einfach wäre es für die Bürgerlichen, wenn die SPÖ nicht organisch über Hunderte und Tausende Fäden mit der Gewerkschaftsbewegung verbunden wäre. Diese Fäden wollte Gusenbauer kappen, doch es ist ihm nicht gelungen. Heute sitzen GewerkschafterInnen wieder im Parlament und betreiben eine Politik der stärkeren Verschränkung zwischen Gewerkschaft und Partei.
Aber was nutzt dies konkret der Gewerkschaftsbasis und den Betriebsräten, die tagtäglich gegen weitere Zumutungen der Arbeitgeber und Stellenabbau kämpfen müssen? Natürlich nichts. Die bloße Tatsache, dass die FSG-Spitze nun anstelle von Parteibürokraten den Sozialabbau mitadministrieren darf, wird an der Grauslichkeit ebendieses Sozialabbaus nichts ändern. Aber die FSG-Führung wird sich nicht mehr damit herausreden können, dass sie ja für den arbeitnehmerfeindlichen Kurs der Regierung nicht verantwortlich sei, sondern sie wird diesen Kurs verteidigen müssen. Das wird die Grenzziehung in der Arbeiterbewegung verändern: Der Kampf zwischen rechts und links ist nicht einmal mehr an der Oberfläche ein Kampf zwischen Gewerkschaften und Wirtschaftsmanagern, die die SPÖ dominieren, sondern ein Kampf zwischen Betriebsrätebasis und der eigenen Gewerkschaftsführung.
Welchen Charakter wird die kommende Regierung haben?
Bereits der Amtsantritt der BürgerInnenblockregierung im Februar 2000 wurde von der Funke-Strömung als Anfang vom Ende der österreichischen Nachkriegsgesellschaft analysiert. Die Politik des institutionalisierten Klassenausgleiches (Sozialpartnerschaft im Betrieb und Große Koalition in der Politik) hatte keine wirtschaftliche Grundlage mehr und wurde politisch entsorgt. Schüssel war und ist Ausdruck jener Mehrheitsströmung des österreichischen BürgerInnentums, die mit „den roten Bremsern“ aufräumen will.
Wenn heute das Kapital wieder Druck in Richtung einer Großen Koalition macht, dann hat dies zwei Ursachen: die Spaltung im Dritten Lager, die – vor allem nach dem Tod von Jörg Haider – wenig Optionen zulässt, sowie der Wunsch nach sozialer Stabilität. Darunter verstehen die UnternehmerInnen, dass die kommenden Sparpakete ohne gesellschaftliche Diskussion und Auseinandersetzung über die Bühne gehen. „Große Koalition und Sozialpartnerschaft“ bedeuten heute, sicher zu stellen, dass die Wünsche des Kapitals ohne Widerstand gegen die Lebensinteressen der arbeitenden Menschen durchgesetzt werden.
SPÖ und ÖGB kommt in dieser Koalition die Rolle des Rammbocks gegen die Lohnabhängigen zu. Die „klassische“ Form der Sozialpartnerschaft, der „Interessensausgleich“, ist tot. Die Bürgerlichen dulden keinen Kompromiss, sondern nur Gehorsam. Der Umstand, dass die Mehrheit der SPÖ- und ÖGB-Spitze dies nicht erkennen kann, liegt daran, dass sie selbst keine Alternative zu bürgerlichen Konzepten sehen. Die Erinnerung an das, was die Bewegung stark und das Leben der Menschen lebenswerter gemacht hat, ist bei diesen FunktionärInnen nichts als ein verstaubtes Versatzstück aus dem ideologischen Rumpelkämmerchen, das bestenfalls am 1. Mai über den Ring geschleppt werden kann.
Der Postkonflikt
Der Konflikt um den Kahlschlag bei der Post bringt die aktuelle sozialdemokratische Ideenlosigkeit offen zu Tage. Faymann und Fritz glauben, dass Post-General Wais und das gesamte Management keine Ahnung von der Führung des Unternehmens haben. Sie sagen, nun gelte es, in die Offensive zu gehen und die Postfilialen zu richtigen Profitzentren auszubauen. Wais antwort darauf, dass er seinen AktionärInnen verpflichtet sei – und er hat damit völlig recht. Betriebswirtschaftlich ist es allemal profitabler 9.000 voll sozialversicherte und gewerkschaftlich organisierte PostlerInnen zu entlassen und durch prekär beschäftigte Scheinselbstständige zu ersetzen, sowie die Postämter auf dem Immobilienmarkt zu verscherbeln, als in den Postfilialen Zusatzdienste wie den Verkauf von Haltbarmilch anzubieten.
Soll wirklich sichegerstellt werden, dass die KollegInnen von der Post ihren Arbeitsplatz behalten, dann muss ein harter Arbeitskampf gewagt werden, um Druck zu erzeugen, damit das Unternehmen reverstaatlicht wird. Sollen die Postdienstleistungen im ganzen Land aufrechterhalten werden, dann muss die Gewerkschaft die Liberalisierung an sich bekämpfen. Damit erwiese sie nicht nur den direkt bei der Post AG Beschäftigten einen Dienst, sondern allen Lohnabhängigen.
Wohin die Reise geht
Die Industriellen wissen die SPÖ im Regierungsboot und wagen die nächste Offensive. Für Krisenbetriebe fordern sie einen 25prozentigen Lohnverzicht sowie staatliche Subventionen. Veit Sorger will so die Kündigungswelle in der Industrie abfangen. Unsere Antwort muss jetzt lauten: Wir zahlen eure Krise nicht! Keine Entlassungen! Kein Stellenabbau (auch nicht mit Sozialplänen und „natürlichem Abgang“)!
Die Bürgerlichen und die ArbeiterInnen ziehen am gleichen Strang? Ja, aber in die entgegengesetzte Richtung! In dieser Situation muss sich jede/r AktivistIn, jede/r SektionsmitarbeiterIn, jede/r BetriebsrätIn die Frage stellen: Auf welcher Seite stehe ich? Faymann & Co. haben sich entschieden: Sie machen den Fehler, ein Programm im Interesse der Bürgerlichen durchzuziehen. Wir sollten dasselbe tun und unabhängig von der Politik der Führung unserer Organisationen entschlossen für ein Programm in unserem Interesse kämpfen. Bei einer Neuauflage der Großen Koalition werden die Widersprüche zwischen den Spitzen von SPÖ und ÖGB und der Basis in den Betrieben offen zu Tage treten. Wenn sich ein kämpferisches Programm durchsetzen soll, ist eines Grundvoraussetzung: Die Entmündigung der Beschäftigten muss ein Ende haben. Wir brauchen kämpferische Betriebsräte, aber vor allem brauchen wir mehr Demokratie in der politischen Meinungsbildung von Belegschaften (und auf höherer Ebene in den Gewerkschaften). Schluss mit der Stellvertreterpolitk! Werd auch Du aktiv! Die Herausbildung einer starken und organisierten Linken in der ArbeitInnenbewegung ist heute das Gebot der Stunde!