Der Kolumnist Michael Fleischhacker hat angesichts der aktuellen innenpolitischen Situation in der gestrigen Ausgabe der Presse festgestellt, dass das österreichische Politikpersonal nicht einmal fähig sei, einen Sonnenschirmverleih in der Karibik zu betreiben. Wir schließen uns dieser Betrachtungsweise an: Eine tragische Komödie in vier Akten.
Victor Adler bezeichnete Österreich einmal als Absolutismus gemildert durch Schlamperei. Hat sich seit dem soviel geändert? Zur absolutistischen Tendenz müsste eventuell noch die kapitalistische und zur Schlamperei noch die provinzielle Unfähigkeit der Herrschenden hinzu addiert werden, und schon finden wir uns wieder.
Der Unterschied ist heute lediglich der, dass, wenn die ÖVP den Herd des absolutistischen Kapitalismus bildet, der sozialdemokratische Parteivorstand selbst zum Zentrum der provinziellen Unfähigkeit geworden ist. Victor Adler würde angesichts seiner Erben die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Seit Weihnachten jagt eine Politposse die andere.
Erster Akt: D´Artagnan
Nachdem unser Sozialminister durch ein Totalversagen in der Pflegeproblematik in den Umfragen in den Keller rutscht, kürzt er den rund 500.000 ärmsten PensionistInnen, die Realpensionen um 2 % mit der Begründung, sie bekämen eh alle Nebeneinkünfte. Binnen weniger Monate ist Buchinger vom feschen d´Artagnan zum ergrauten Richelieu der Sozialpolitik mutiert. Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert. Ganz nach dem Motto l´État, c´est moi, stellt er sich jetzt in der Frage des Untersuchungsausschuss voll hinter Platter, während sämtlichen SPÖ-Landesorganisationen die Grausbirnen wachsen.
Wir hätten bei der Angelobung gleich hellhörig werden sollen, als Buchinger Balzacs Verlorene Illusionen als Lieblingsroman angab. Geht es doch in diesem Buch um einen idealistischen Provinzbohemien, der in der Hauptstadt zum skrupellosen Machtmenschen wird. Offensichtlich ist die Satire bei Buchinger nicht angekommen, der sich den Helden sofort zu seinem Vorbild auserkor.
Zweiter Akt: Der Wüstenfuchs oder was macht ein Burgenländer in Afrika?
Vorgeschichte: Als Frankreich seine Vorherrschaft im Tschad gefährdet sah, suchte es sich ein paar neutrale Länder als nützliche Idioten um nach dem Vorbild von Bush eine „coalition of the willing“ zu kreieren. Angeblich sollen Flüchtlingslager geschützt werden. Jetzt gibt sogar die französische Presse zu, dass Frankreich nicht neutral ist, sondern den Diktator Deby unterstützt. Um die Geschichte perfekt geschmacklos abzurunden, beginnt jetzt Deby selbst, die Flüchtlinge zu vertreiben. Die österreichischen Soldaten, deren Kommandant sich schon im Herbst bei der ersten Besichtigung einen Sonnenbrand holte, erinnern dabei gewaltig an den Film Hot Shots. Das K.u.K Infantrieregiment muss regelmäßig von Frankreich vor sich selbst beschützt werden. Darabos ist der lebendige Beweis, dass der stupid white man kein US-amerikanisches Patent ist.
Dritter Akt: Der Fall Haidinger
Die Sozialdemokratie würde gerade ihrer letzten Stunde entgegensehen, wären da nicht die auf der anderen Seite ebenbürtige Amateure am Werk. Das schwarze Innenministerium. Was dort in den letzten Jahren vor sich ging würde ausreichen, Police Academy vermischt mit Elementen von MA 2412 auf das Format von Lindenstraße auszudehnen. Das BIA nicht zu verwechseln mit TIA aus dem Clever & Smart-Heft wurde von der ÖVP instrumentalisiert um die SPÖ vor der Wahl fertig zu machen, Ermittlungsfehler wurden vertuscht, SPÖ-Politiker ausspioniert. Das sagt der ehemalige Chef der BKA Haidinger, der vor der Kulisse der Innenpolitik den Eindruck des letzten vernünftigen Menschen macht. Die ÖsterreicherInnen glauben ihm auch, aber es ist eigentlich niemand ernsthaft überrascht.
Nicht weil sie sich der Tragweite des Skandals als größten Innenpolitikskandal der Zweiten Republik nicht bewusst sind, sondern weil es jeder der ÖVP zugetraut hat.
Haben wir wirklich nicht gewusst, mit wem wir uns ins Bett legen, als das Koalitionsabkommen unterschrieben wurde? Mit einer Partei, die in ihrem Parlamentsklub bis heute das Bild eines Diktators hängen hat, der über 1000 SozialdemokratInnen auf dem Gewissen hat.
Die Tatsache, dass über einen Untersuchungsausschuss überhaupt diskutiert wird, zeigt, wie tief wir schon im Absolutismus versunken sind. Bereits im Herbst hat die SPÖ selbst den Ausbau von Platters Überwachungsstaat und seine Verhöhnung des Parlamentarismus durch Speed-kills-Gesetze voll mitgetragen. Es scheint unseren Kanzler dabei nicht zu stören, dass sich dieser Metternichsche Spitzelapparat nicht zuletzt gegen die SPÖ selbst richtet.
Seine Linie ist mit der Linie Buchingers die, dass man Platter die Sache aufklären lassen soll. Dieser hat das BIA Vorarlberg mit der Untersuchung beauftragt, die wahrscheinlich schwärzeste Behörde Österreichs. Die Ländle Cops haben selbst vor 2004 jahrelang in Vorarlberg ein Naziproblem vertuscht und wären selbst für einen Untersuchungsausschuss fällig.
Einer der unmittelbaren Hauptverantwortlichen für den Skandal, Phillip Ita, ehemaliger Kabinettschef im Innenministerium, ist selbst die Personifizierung des Sittenbildes moderner bürgerlicher Politik: Ein 35jähriger Yuppie-Schreihals, der den politischen Gegner ausspioniert, darauf einen Abstecher ins Nobel-Bordell macht und dort dann die staatliche Kreditkarte liegen lässt: „Absolutismus gepaart mit Schlamperei“, könnte man es besser skizzieren? Wundert einem noch, dass Ita, der Lebensgefährte der Kdolsky ist, die als Personifizierung der „provinziellen Unfähigkeit“ mittlerweile abgetaucht ist und die Angriffe auf das Gesundheitssystem unserem Kanzler überlässt.
Wir schließen uns der Meinung des SPÖ-Steiermark-Landesgeschäftsführers Anton Vukan vollinhaltlich an: Schüssel ist der Dollfuss des 21. Jahrhunderts, er hat sich durch Lügen an die Macht geputscht. Wir ergänzen. Jetzt wird diese Dollfusssystem des 21. Jahrhunderts durch einen roten Kanzler geschützt aber auch durch all jene, die weiter für eine Regierungsbeteiligung der SPÖ eintreten. Es ist höchste Zeit diese Koalition abzubrechen. Dieser Skandal ist die letzte Chance abzuspringen und die verlorengegangene Würde wiederzuerlangen. Auch, dass wir dafür den Kanzler Gusenbauer opfern müssen, soll nicht zu unserem Schaden sein. Es gibt für die SPÖ nur eine Möglichkeit Glaubwürdigkeit wieder zu erlangen: Unversöhnlicher Kampf auf allen Ebenen der Gesellschaft bis zu einer wirklichen sozialen und demokratischen Wende in Österreich.
Vierter Akt: Ein Sonnenkanzler im Rausch geistiger Umnachtung
Was Weihnachten als Posse begonnen hat, wird jetzt immer mehr tragikomisch. Die SPÖ hat in Graz ein Wahldebakel erlitten und ist dabei in Niederösterreich die nächste Watsche einzufahren. Der Kanzler hat es geschafft in der Kanzlerfrage mit nur 30% Zustimmung hinter den Vizekanzler abzurutschen, der trotz seiner Farblosigkeit bei 39% rangiert. Man könnte annehmen Gusi hat den Kanzlerbonus verloren. In Wirklichkeit hat Gusi sehr wohl einen Kanzlerbonus. Es sind die verbleibenden 30% ohne die Gusenbauer, der außer Kanzler nichts ist, längst bei 0% angekommen ist.
Angesichts dieser Realitäten läuft einem fast ein Schauer den Rücken hinunter, wenn man den breit grinsenden, lachenden und jubelnden Gusi in den Seitenblicken sieht. Er dürfte jetzt endgültig in einer anderen Welt angekommen sein. In dem Rausch, sich den Kindheitstraum erfüllt zu haben, scheint Gusenbauer gar nicht mitzubekommen, wie die Partei vor die Hunde zu gehen droht. Es ist ihm völlig gleichgültig, dass 9 Landesorganisationen, eine Parlamentspräsidentin und Minister sich in der Frage des Untersuchungsausschuss gegen ihn stellen. Weiter prostet er mit breitem Lächeln strahlendem Glücks mit einem Sektglas in die Seitenblicke-Kamera.
Schüssel reibt sich dabei die Hände. Die Selbstzerstörung der Sozialdemokratie durch ihren Vorstand schreitet voran und bereitet seinem Dollfusssystem des 21. Jahrhundert das Comeback auf ganzer Linie.
Je länger die Sozialdemokratie in dieser Regierung bleibt, desto furchtbarer wird die kommende Bürgerblockregierung aus der Asche steigen, egal ob als schwarz-blaues oder schwarz-grünes Tier. Den österreichischen „Watergate-Skandal“ werden die WählerInnen schnell vergessen, wenn sie bei der Wahlurne gefragt werden, wem sie mehr zutrauen dieses Land vier Jahre zu führen. Diese Regierung ist jedenfalls bisher in jeder entscheidenden Frage nur von der ÖVP geführt worden.
Wir könnten uns im Sessel zurücklehnen und der österreichischen Komödie weiter zusehen, wenn ihre Akteure nicht gleichzeitig gemeingefährlich wären.
Denn mitten am Höhepunkt exekutiver Lächerlichkeit, holt die rot-schwarze Schildbürgerregierung zu einem sehr ernsten und handfesten Schlag gegen unsere Gesundheit aus. Bis 2010 sollen 1 Mrd. € im Gesundheitssystem eingespart werden. Die Zahl der Ärzte soll verringert werden, die Zahlungen an Krankenhäuser eingefroren werden.
Dieser Angriff droht nach der Pensionsreform 2003 der größte Angriff auf die Beschäftigten und den Lebensstandard der Bevölkerung zu werden.
Und spätestens jetzt hört sich der Spaß auf! Sozialer Widerstand ist angesagt.
Ende: Das Gleichgewicht der Idioten
Es muss der Vollständigkeit halber noch festgestellt werden, dass eine Opposition, die unter den momentanen Bedingungen nicht profitiert, eigentlich ein schlimmeres Politik-Zeugnis ausgestellt bekommen müsste als die Regierung. Strache ist mit seiner Anti-Islampolitik in der K-Frage sogar abgerutscht und die Grünen… Hier können wir uns nur dem Kabarettisten anschließen, der die Frage stellte, „Gibt’s die eigentlich noch?“. Einzig und alleine Westenthaler konnte seine Zustimmung von 1% auf 2% verbessern…
Gleichzeitig gibt es einen Landeshauptmann in Tirol, der es unter den momentanen Bedingungen vielleicht sogar schafft, dass Tirol der ÖVP verloren geht, und der – wiedereinmal ganz in der Tradition der ÖVP – einen Politiker „Schwein“ genannt hat.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die ÖVP ohne der Erbärmlichkeit der SPÖ-Politik schon längst abgewirtschaftet hätte. Abgesehen von Niederösterreich ist sie überall im Prinzip sturmreif. Nur die Umfaller-Politik der SPÖ lässt die ÖVP führungsstark erscheinen.
Das System Pröll in Niederösterreich kann übrigens nur deshalb als einzig stabiles Bundesland der ÖVP erhalten bleiben, weil die Onodi-SPÖ dort sogar in Wahlkampfzeiten als vierter Bund der ÖVP wahrgenommen wird. Außerhalb des Wahlkampfes spielt Onodi in Bezug auf Wahrnehmbarkeit von Kritik die Rolle eines Schriftführers im Niederösterreichischen Bauernbund.
Oberflächlich betrachtet ist die Situation der Kräfte statisch in Österreich. Aber dieses Gleichgewicht beruht nur auf der gleichmäßigen Erbärmlichkeit aller beteiligten politischen Kräfte, der gleichmäßig verstreuten Erbärmlichkeit des gesamten Politikpersonals.
„Schluss mit lustig!“
Unter der Oberfläche des Dahinwurstelns der Regierung verschärft sich die soziale Polarisierung immer mehr. Der Arbeitsdruck in den Betrieben ist in den letzten Jahren immer mehr gestiegen, das Kapital presst das letzte aus den Menschen heraus. Gleichzeitig steigen die Reallöhne nicht, manchen Berufsgruppen, wie SozialarbeiterInnen oder den Beschäftigten im Gesundheitswesen drohen sogar größere Einbussen an Gehalt. Gleichzeitig steigen die Preise bei lebensnotwendigen Gütern immer weiter.
Die Stimmung ist am Kochen. Überall wo es Arbeitskonflikte gibt, im Sozialbereich, bei Wienstrom, in den Krankenhäusern wird in der Belegschaft von Streik geredet, und die Stimmung ist kampflustig. Oft ist der direkte Gegner der Beschäftigten die SPÖ. Aber der ÖGB hält den Deckel drauf. Um alles in der Welt soll eine Streikwelle, wie in Ungarn, Deutschland, Slowenien, Russland, der Schweiz, Frankreich, England also im ganzen restlichen Europa verhindert werden.
Aber der Unmut lässt sich nicht aufhalten. Seit 2004 haben die österreichischen Beschäftigten still gehalten, wie sie ihre Hoffnungen in eine politische Wende legten. Diese Hoffnungen sind jetzt verpufft. Das Vertrauen in den ÖGB und die SPÖ liegt im Keller.
Wenn der Klassenkampf erwacht, wird dies dem momentanen Theater ein Ende bereiten. Wie in Deutschland wird das politische Klima stark nach links rücken. Die Formierung von Herden des sozialen Widerstandes in den Betrieben wird neue politische Kräfte entstehen lassen. Neue kämpferische Strömungen in Gewerkschaft und Partei werden sich bilden in direktem Kampf gegen die bürokratische Kaste, die jede Veränderung zementiert.
Ein neues Kapitel österreichischer Politik wird aufgeschlagen werden.
Bereits jetzt ist der Aufstand der Landes-SPÖ-Organisationen gegen Gusenbauer ein Symptom für den Unmut, der sich in der Parteibasis angesammelt hat. Seit dem Bankrott der Buchingerschen Sozialpolitik rund um Weihnachten hat sich der Unmut potenziert, um rund um den Fall Haidinger zu eskalieren.
In Verbindung mit einem Ausbrechen von Arbeitskämpfen wird der Druck in der SPÖ unerträglich werden. Je länger die SPÖ-Führung diesem Druck zu widerstehen versucht, je mehr sie sich mit der ÖVP gemeinsam im Bund gegen die eigene Basis stellt, desto größer wird die Explosion in der SPÖ, wenn die Koalition schließlich platzt.
Wir gehen spannenden und turbulenten Zeiten entgegen!
Josef Falkinger