In seiner tiefen Krise beweist der Kapitalismus in allen Sphären der Gesellschaft, dass er keine Lösungen für das Elend hat, das er produziert. So zementiert er auch Frauenunterdrückung und sexistische Spaltung.
Die Frage der Unterdrückung der Frau ist aktueller denn je, dies zeigte sich in den vergangenen Monaten wiederholt. Im reichsten Land der Welt, den USA, richteten sich im letzten Sommer große Proteste gegen die Angriffe auf das Recht auf Abtreibung. Auf der anderen Seite der Welt löste der Mord der „Sittenpolizei“ an einer jungen Kurdin die revolutionäre Jugendbewegung im Iran im Herbst und Winter aus. Bei allen Unterschieden zwischen den Herrschenden in den USA und im Iran zeigt sich: Einigkeit gibt es bei ihnen offensichtlich darüber, dass Frauenunterdrückung und sexistische Spaltung wichtige Bausteine in der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ausbeutung in Zeiten der Krise sind.
Das gilt auch für Österreich. Kratzt man an der Oberfläche von (Sprach-)Symbolen und Quoten, die im Interesse einer kleinen Schicht bürgerlicher Frauen als politische Nebelgranate herhalten, zeigt sich insbesondere in den Familien der Arbeiterklasse eine Situation des steigenden Drucks, des Elends und der Gewalt.
Den „Klassenkampf von oben“ haben in den vergangenen Jahren nicht zuletzt die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich zu spüren bekommen. In diesen traditionellen „Frauenberufen“ müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter die jahrelangen Einsparungen und Versäumnisse ausbaden, was den Bereich an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat: In den Spitälern sind um die 4.000 Stellen nicht besetzt, in den Kindergärten sind es 1.800. Das Arbeiten am Limit ist zur Normalität geworden. Das verstärkt zusammen mit den Maßnahmen der Regierung wiederrum den Druck, Pflege- und Betreuungsarbeit im Rahmen der Familie zu erledigen. Ca. 80% der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen zu Hause gepflegt, v.a. von Frauen. Zum ersten Mal seit Beginn der Erhebung vor ca. 15 Jahren steigt der Lohnunterschied (Gender Pay Gap) zwischen Männern und Frauen in dieser Situation wieder. Doch das alles ist den großen bürgerlichen Zeitungen im besten Falle eine Fußnote wert.
Gewalt und Familie
Besonders brutal spiegelt sich die wachsende gesellschaftliche Barbarei in der Epidemie der Frauenmorde wider. Die große Mehrheit der Frauenmorde sind Beziehungs- oder Familientaten. Die Tötung der (ex-)Partnerin ist der ins extrem gesteigerte Besitzanspruch auf die Frau, deren Anspruch auf ein selbstständiges, individuelles Leben frei von den (letztendlich ökonomisch begründeten) Ansprüchen der Familie und des Mannes per Geburt nicht garantiert ist. Das Eigentumsrecht auf die Frau äußert sich in körperlich und emotional übergriffigem Verhalten ihr gegenüber: Jede 5. Frau ab ihrem 15. Lebensjahr hat hierzulande körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Und Gerechtigkeit bekommt sie nur selten zugesprochen: Nur 10% der angezeigten Vergewaltigungen führen zu Verurteilungen. Frauen müssen lernen sich zu wehren.
MarxistInnen kämpfen angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Barbarei entschlossen für jede Verbesserung der konkreten Lebenssituation. Die Gesellschaft muss Kinderbetreuung gewährleisten, damit Frauen (und Männer) ein selbstständiges Leben führen können. Wir brauchen höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, nicht-kommerzielle kommunale Angebote, die die Hausarbeit und die Pflege der Älteren und Kranken aus dem privaten in das gesellschaftliche Leben schieben.
Der Trend läuft aber gegenteilig: Die tiefe Krise des Kapitalismus bedeutet, dass der Druck auf die Familien der Arbeiterklasse immer weiter zunimmt. Druck auf HÖHERE Arbeitszeiten, GERINGERE Löhne, STEIGENDE Gewalt sind die Folge. Das verfaulende System des Kapitalismus selbst ist der Nährboden der Unterdrückung.
Nur wenn der Kapitalismus überwunden ist, kann die für die Kapitalisten hochprofitable wirtschaftliche Funktion der Familie und ihrer Rollenzuschreibungen endlich aufgelöst werden. Erst wenn die Profitökonomie überwunden und die Bedürfnisse der Menschen die Wirtschaft lenken, können sich Liebendende frei zusammenschließen, Kinder großziehen (oder auch nicht) und sich wieder trennen (ohne dabei in die Armut zu schlittern). Der Kampf um eine Verbesserung der Lebensbedingungen beider Geschlechter (und aller sexueller Identitäten) kann nur in der Überwindung des Kapitalismus erfolgreich sein.
Reformismus ohne Reformen
Die Vision der ReformistInnen und bürgerlichen FeministInnen verengt sich in dieser tiefen Krise auf Sprachreformen, einen Appell an die staatlichen Institutionen und auf die Hoffnung auf öffentliche Gelder. Dies hält uns passiv, schwach und vereinzelt. Nur ein paar Frauen können damit Karriere machen. Zu großen gesellschaftlichen Themen, wie der zunehmenden Auflösung der klassischen Kleinfamilie oder des Zusammenbruchs der Daseinsfürsorge, haben diese Leute nichts zu sagen und sie versuchen keine gesellschaftlichen Kämpfe darum zu organisieren. Diese Führungen sind nicht nur nutzlos, sondern ein Hindernis.
Denn es gibt keinen „leichten Weg“. Der Weg nach vorne ist der kompromisslose und kollektive Klassenkampf: Frauen und Männer der Arbeiterklasse müssen zusammen mit allen Unterdrückten Schichten gemeinsam gegen jede noch so kleine Ungerechtigkeit, gegen jede Form der Unterdrückung und Ausbeutung und letztendlich gegen den Kapitalismus selbst kämpfen. Daher kämpfen wir Marxistinnen und Marxisten entschlossen gegen alle Formen von Unterdrückung, Diskriminierung, Sexismus und Spaltung.
Kollektiv und solidarisch kämpfen
Alleine und individuell gegen einen sexistischen Lehrer an der Schule oder gegen einen Boss, der einen sexuell belästigt aufzustehen, mag unmöglich erscheinen. Doch gemeinsam geht das. Das Beispiel vom Streik beim Computerspielhersteller Blizzard gegen sexuelle Belästigung und Übergriffe im Betrieb ist dabei ein gutes Beispiel, wie der solidarische Kampf von Frauen und Männer auch gegen geschlechtsspezifische Unterdrückung eine übergreifende Dynamik entwickeln kann.
Politisch bewusste Männer haben in einer Gesellschaft, die seit Jahrtausenden von Frauenunterdrückung profitiert, eine besondere Verantwortung, gegen Frauenunterdrückung und Sexismus aufzustehen. Das ist keine moralische Frage, sondern eine Frage der Interessen. Spaltung schwächt die Klasse und stärkt dadurch die Herrschenden. Die Kraft der Frauen der Arbeiterklasse wird aber einst der „moralische Rammbock“ (Trotzki) sein, der die von der Klassengesellschaft ererbten Formen aller Unterdrückung zertrümmern wird.
Weltweit sehen wir immer mehr Menschen, die sich bewegen, die kollektiv in den Kampf treten und ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen. Frauen stehen hier oft an vorderster Front, in einer jungen und frischen Arbeiterklasse, in der Sexismus bewusst und hart abgelehnt wird: Sei es die schon erwähnte revolutionäre Bewegung im Iran, deren wichtigster Slogan zu Beginn nicht zufällig „Frau, Leben, Freiheit“ war, oder seien es die wachsenden Streikwellen in vielen Ländern, in denen typische „Frauenberufe“ wie der Sozial- und Gesundheitsbereich oft eine wichtige Rolle spielen. Damit diese Bewegungen gewinnen können, brauchen sie das klare Ziel, die Kapitalisten zu enteignen und die Arbeiterklasse an die Macht zu bringen, um der Unterdrückung den materiellen Boden zu entziehen. Das ist der Schlüssel zur Freiheit von Frauenunterdrückung und Kapitalismus!
(Funke Nr. 211/21.2.2023)
Der Funke zum 8. März 2023
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- 17:00, Yppenplatz (Demo)
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MIAU: Marxismus oder Feminismus - LINZ, 09.03., 18:30, Kaisergasse 14a
Marxismus & Frauenbefreiung. Buchvorstellung und Diskussion - GRAZ, 21.03., 19:30, Ort: Hörsaal 06.02 bei der Vorklinik, Uni Graz
Marxismus vs Identitätspolitik – Diskussion mit der KJÖ Graz - VLBG
04.03. Transpi- und Schildermalen für die Frauentagsdemo, 15 Uhr, Zehentweg 18, Weiler
11.03. Frauenbefreiung durch Sozialismus! – Ort und Zeit zeitnahe auf sj-vlbg.at - INNSBRUCK, 11.03., 18:00, Theatercafé/Universitätsstraße 3
Marxismus oder Feminismus
- WIEN, 09.03., 19:00, Lustkandlgasse 10