Während Jeff Bezos ins Weltall flog, gründeten Beschäftigte bei Amazon die erste offizielle Gewerkschaft in der Geschichte des Unternehmens. Fabian Cisar über die Bedeutung dieses Erfolgs.
Am 1. April stimmten die ArbeiterInnen des Verteilzentrums JFK8 in Staten Island (NY) mit 2.654 zu 2.131 für eine gewerkschaftliche Organisierung in der Amazon Labour Union (ALU). Dieser Sieg findet im Kontext einer allgemeinen Wiederbelebung des Klassenkampfs statt, dessen Startschuss die große Streikbewegung im Oktober letzten Jahres war („Striketober“). Beschäftigte bei Apple und Starbucks versuchen etwa, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Methoden der Organisierung
Der Hauptorganisator dieses Kampfes ist Chris Smalls, der sich bereits im Frühling 2020 einen Namen machte, als er versuchte, einen Streik für die Umsetzung von Covid-Schutzmaßnahmen zu organisieren. Daraufhin kündigte ihn die Konzernführung. Er ließ sich aber nicht davon abhalten, den Kampf weiterzuführen.
Die Gründung der ALU 2021 und der Aufbau einer starken Basis im Verteilzentrum waren der Schlüssel zum Erfolg. Gemeinsam mit AktivistInnen stand Smalls täglich vor dem Gebäude, um Unterschriften für die Gewerkschaft zu sammeln und seine KollegInnen von der Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisierung zu überzeugen. Auf diese Weise konnten sie das Vertrauen der Belegschaft gewinnen. Zentrale Forderungen der ALU sind ein Mindeststundenlohn von 30 US$, bezahlte, längere Pausen sowie Transparenz bei Beförderungen. Die Bosse antworteten mit härteren Repressionsmitteln und Chris Smalls wurde wegen „Hausfriedensbruch“ verhaftet.
Smalls gehört zu einer neuen Generation von KlassenkämpferInnen, die keine langen Phasen gewerkschaftlicher Organisierung erlebt haben und oft den unterdrücktesten Schichten der Arbeiterklasse angehören. Bis zu 50% der ArbeiterInnen bei JFK8 sind MigrantInnen bzw. AfroamerikanerInnen, welche durch die miserablen Arbeitsbedingungen regelrecht in den Arbeitskampf gezwungen werden.
Die Demokraten und der Klassenkampf
Ursprünglich kündigte die Demokratin und selbsternannte Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) an, eine Versammlung der Beschäftigten bei Amazon zu besuchen, doch kurzfristig entschied sie sich aufgrund von „gesundheitlichen Bedenken“ um. Diese „Bedenken“ lösten sich wenig später in Luft auf, als sie sorgenlos die MET-Gala besuchte, ein Event, das wohl außerhalb der Reichweite des Virus liegt. Auf Social Media präsentierte sich AOC solidarisch, in der Realität rührte sie aber keinen Finger, um diesen Arbeitskampf zu unterstützen.
Chris Smalls entgegnete ihren Ausreden: „Ich weiß nicht, wovon sie redet. […] In einem Tweet meinte sie, dass es nicht ihr Bezirk sei [und damit der Arbeitskampf außerhalb ihrer Verantwortung läge, Anm.]. Ich glaube, das ist eine fürchterliche Antwort, denn es gibt auf jeden Fall Arbeiter, die in ihrem Bezirk leben und täglich zur Arbeit pendeln, die ich persönlich kenne.“
Dieses jüngste Beispiel beweist einmal mehr, dass die Orientierung auf die Demokraten die Arbeiterbewegung ins Nichts führt.
Wie weiter?
Chris Smalls und das JFK8 zeigen, dass uns die Organisierung des Klassenkampfes voranbringt, nicht eine „gute Gesprächsbasis“ mit Bossen und ihren liberalen Vertretungen in der Demokratischen Partei.
Dieses Momentum des Sieges gilt es zu nutzen. Die ALU kündigte bereits eine Konferenz an, bei der sich KollegInnen aus dem ganzen Land mit der Amazon-Gewerkschaft austauschen und organisieren können.
Eine gemeinsame Kampagne mit den großen US-Gewerkschaften, beginnend mit großen Solidaritätsaktionen für die derzeitigen Kämpfe bei Starbucks und Amazon, hätte das Potential, der Organisierung aller Branchen den Weg zu bereiten. Die Verantwortung hierfür liegt bei den Führungen dieser Organisationen.
Letztlich muss die Arbeiterklasse selbst aktiv werden, nicht nur in ökonomischen Kämpfen, sondern auch in der politischen Arena. Die US-Arbeiterklasse braucht eine eigene Arbeiterpartei – und eine sozialistische Perspektive. Dies ist der einzige Weg, um die konzentrierte Macht der Kapitalisten zu brechen, alle gewerkschaftsfeindlichen Gesetze zu zerreißen und eine Politik im Interesse aller ArbeiterInnen gegen das gesamte kapitalistische System durchzusetzen.
(Funke Nr. 203/22.4.2022)