Die Kollektivvertragsverhandlungen in der Chemischen Industrie brachten nach der 5. Verhandlungsrunde und Streikdrohungen doch einen Abschluss. Ein Chemiearbeiter aus Wien, zieht Bilanz.
- Siehe auch: Chemie-Bosse zündeln (Funke Nr. 184) und Chemische Industrie: Schwierige KV-Runde im Schatten der Coronakrise
Das Ergebnis von 1,6% Lohnerhöhung liegt nur knapp über der Inflationsrate, obwohl die Gewerkschaft das Angebot von 1,57%, das die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung vor der letzten Verhandlungsrunde machten, zu Recht als „Verhöhnung der Beschäftigten“ bezeichnete.
Im Linzer Chemiepark wurden wie schon einmal berichtet, Betriebsversammlungen am Gelände abgehalten, die zu langen LKW-Staus geführt haben. Und auch in vielen anderen Betrieben gab es erste Protestmaßnahmen. Als sich die Kapitalisten in den Verhandlungen trotzdem nicht bewegten, suchte die Gewerkschaft PRO-GE beim ÖGB um eine Streikfreigabe an, welche auch erteilt wurde. Im Zuge von Betriebsversammlungen wurden die Belegschaften darüber informiert, dass es zu einem Streik kommen kann. Außerdem wurde österreichweit über die Streikbereitschaft abgestimmt und in den Betrieben wurden Streikbeschlüsse gefasst. Die Belegschaften zeigten sich entschlossen, für die Forderungen der Gewerkschaft einzutreten. Auch in unserem Betrieb sprach sich in einer online abgehaltenen Betriebsversammlung wenige Stunden vor der letzten Verhandlungsrunde eine deutliche Mehrheit für Kampfmaßnahmen aus.
Doch bevor wir noch unsere ganze Kraft in einem Streik ausspielen konnten, kam am 17. Juni der überraschende Abschluss – ein in Anbetracht der geleisteten Arbeit während der Corona-Krise und der wirtschaftlichen Situation verstörendes Ergebnis. Zusätzlich zur „Lohnerhöhung“ bekommt jeder eine „Krisenprämie“ in der Höhe von mindestens 150€ („mindestens“, weil empfohlen wird, dass die Unternehmen, die es sich leisten können, mehr zahlen sollen). Ob es sich ein Betrieb leisten kann oder nicht, das entscheidet er natürlich selbst.
Die große Frage, die sich jedoch stellt, ist weshalb die Gewerkschaft nicht bereit ist, die ArbeiterInnen und Angestellten wirklich zur Durchsetzung ihrer Ziele und unserer Interessen zu mobilisieren. Warum ist es ihr nicht möglich auf den Beschlüssen aufzubauen. Die Beschlüsse für Kampfmaßnahmen lagen vor, die Freigabe des ÖGB war gegeben. Die Gewerkschaftsführung kann sich nicht darauf ausreden, dass die Belegschaften nicht kämpfen wollten. So müssen wir damit leben, dass die Gewerkschaft uns nur als Drohkulisse nutzt und dann erst recht einem Abschluss zustimmt, bei dem die Kapitalisten kaum Zugeständnisse machen mussten.
Diese Kollektivvertragsrunde war einmal mehr eine vertane Chance. Wir ArbeiterInnen und Angestellten müssen aus diesen Erfahrungen lernen und gemeinsam mit dem nötigen Nachdruck dafür sorgen, dass in Zukunft die Gewerkschaft unsere Forderungen und unsere Kampfbereitschaft ernstnimmt.