Die BBC sprach mit Geraldo Hernández, einem jener fünf kubanischen Agenten (bekannt als die „Cuban Five“), die in den Vereinigten Staaten lange Haftstrafen absitzen müssen, nachdem sie Informationen über anti-kubanische Terroristen in den USA gesammelt hatten.
Gerardo Hernández verbüßt eine zweifach lebenslange Haftstrafe. Er besteht weiter darauf, dass alles, was er vorhatte, darin bestand, Kuba vor „terroristische Gruppen“ zu schützen – vor Anti-Castro-Organisationen, die ihren Sitz in den USA haben. Er und seine Mit-Angeklagten argumentieren, dass es ungerecht war, den Prozess in Florida angesichts der dort vorherrschenden Anti-Castro-Stimmung abzuhalten.
Im allerersten von einem der fünf Häftlinge gegebenen Medieninterview, sprach Claire Bolderson von der BBC telefonisch mit Geraldo, der sich im dem Hochsicherheitsgefängnis in Victorville, Kalifornien, befindet.
—
Herr Hernandez, ich weiß, dass es viel Besorgnis um Ihre Behandlung im Gefängnis und die Zeit gegeben hat, die Sie in Einzelhaft verbrachten. Können Sie mir beschreiben, wie Sie jetzt behandelt werden und was die Bedingungen für Sie im Gefängnis sind?
Ich bin ein regulärer Insasse in einem US-Gefängnis. Ich würde sagen, das Schlimmste ist nicht die Art, wie ich im Gefängnis behandelt werde, sondern die Behandlung durch die Regierung der USA. Ich würde sagen, das Schlimmste an meiner Freiheitsstrafe besteht darin, dass ich meine Ehefrau während der vergangenen zehn Jahre nicht habe sehen können, weil ihr die US-Regierung kein Visum gewährt hat, um mich zu besuchen. Das ist die eine Sache; was den Rest betrifft: Es ist eben ein Gefängnis, ich bin ein Insasse wie jeder andere – und es ist nicht leicht ein Insasse zu sein, aber ich tue mein Bestes.
Also sagen Sie, dass Sie überhaupt keinen Familienbesuch gehabt hatten?
Einige Familienangehörige haben mich besucht – meine Mutter und Schwester haben kommen können, aber was meine Ehefrau betrifft, mit der ich 19 Jahre verheiratet bin, sie kann nicht kommen, um mich zu besuchen, weil ihr das Einreisevisum immer wieder verweigert worden ist. Ich habe sie daher in den letzten zehn Jahren nicht sehen können.
Sie wurden aufgrund mehrerer Anklagepunkte verurteilt, einschließlich des Versuchs, US-Militärischgeheimnisse zu erhalten, in eine Militärbasis einzudringen, und dafür, als unregistrierter Agent für eine ausländische Regierung zu handeln. Können Sie uns sagen, was Sie in Florida überhaupt getan haben?
Erstens sammelte ich Information über terroristische Gruppen, die in Florida unbehelligt operierten. Es sind Leute, die Ausbildungslager organisieren und hinter paramilitärischen Organisationen stecken. Sie reisen nach Kuba und begehen Sabotageakte, Bombenanschläge und alle mögliche feindliche Handlungen. Und wie ich Ihnen schon sagte: Sie agieren völlig ungestraft! Deshalb hat Kuba beschlossen, einige Leute hinüberzuschicken, um Informationen über diese Gruppen zu sammeln und sie nach Kuba weiterzuleiten, um jene Aktionen zu verhindern. Im Jahre 1998 übergab Kuba dem FBI Informationen jene Gruppen betreffend. Man hoffte, dass das FBI etwas gegen sie unternehmen würde. Die Reaktion darauf war dann leider, die Verhaftung gerade jener Leute, die diese Informationen gesammelt hatten.
Bezüglich des militärischen Teils der Anklage: Ich wurde der Verschwörung zur Spionage angeklagt, und zwar deshalb, weil es überhaupt keinen Spionagetatbestand gab. In unserem Prozess, der sieben Monate gedauert hatte, gab es drei oder vier pensionierte Generäle der US-Armee, die aussagten, dass es nichts gab, was auf Spionage in diesem Fall hinwies. Da aber der Prozess in Miami abgehalten wurde, konnten wir mit keinem fairen Prozess rechnen. Wir wurden für schuldig befunden, aber ich wiederhole: schuldig wegen Verschwörung. Die Regierung sagte: „Einen Moment bitte – sie begingen zwar keine Spionage, aber sie hätten es irgendwann einmal versucht.“ Deshalb also Verschwörung zur Spionage. Nicht eine einzige geheime Information, die mit den nationalen Sicherheitsangelegenheiten der USA zu tun hat, wurde gesammelt oder weitergeleitet.
Aber Sie erkennen an, dass Sie als ein Agent für eine ausländische Regierung arbeiteten und Sie in einer Ihrer Verteidigung erklärten, dass Sie mit gefälschten Dokumenten, gefälschten Identitätsdokumenten arbeiteten?
Ja, ich erkenne das an.
Aber das ist doch ein schwerwiegende Sache, oder etwa nicht?
Durchaus, aber es gibt so etwas wie „Notwehr“. Das bedeutet, dass man, um ein Verbrechen zu verhindern, ein Gesetz verletzen muss, wie Sie sicher verstehen. In meinem Fall hatte ich zwar gefälschte Papiere und arbeitete für eine ausländische Regierung, aber nicht um die Interessen der USA zu schädigen, sondern um kubanische Interessen zu verteidigen – um die Kubaner vor Terrorismus zu schützen.
Und die Verbrechen, die Sie bekämpfen wollten, welche genau waren das?
Zum Beispiel explodierte 1997 in einem kubanischen Hotel eine Bombe, Fabio Di Celmo, ein italienischer Tourist, wurde dabei getötet. 1976 explodierte eine Bombe, wie Sie wissen, in einem kubanischen Flugzeug und tötete 73 Personen. Und das sind nur zwei Beispiele von terroristischen Aktivitäten gegen Kuba. Alle, die in Miami wohnen, die den lokalen Fernsehsender und Radiostationen kennen, wissen „Comandos F-4“ bedeutet, „Alpha 66“ ist bzw. „Brothers to the Rescue“.
Können Sie mir erklären, was das für Namen sind?
Ja. Sie werden gemeinhin paramilitärische Gruppen genannt. Ich aber nenne sie terroristische Organisationen. Sie haben Trainingslager in den Everglades, sie haben Tarnkleidung, Waffen, und bereiten sich für den Tag, an dem sie Kuba „befreien“ werden, vor. Normalerweise kamen sie per Boot nach Kuba, nahmen kubanische Gebäude unter Beschuss und versuchten, eine interne Sabotage zu organisierten und alle sonstigen Arten von Aktionen durchzuführen. Das alles öffentlich bekannt – sehen Sie sich die Zeitungen von Miami an, da können Sie es nachlesen. Sie können sehen, dass sie involviert sind, nach Kuba gehen, um einige Schüsse abzugeben, nur um dann daheim wie Helden empfangen zu werden. Wir präsentierten in unserem Prozess einige Zeugen. Wir luden die Küstengarde und das FBI vor, um die Straffreiheit zu demonstrieren, die jene Leute genießen. Wir fragten einen Beamten der Küstengarde: „Ist es wahr, dass Sie an diesem Tag eine Gruppe, die nach Kuba mit einigen Waffen und Sprengstoffen fuhr, abfingen?“ – „Ja, das ist wahr.“ – „Ist es wahr, dass Sie ihnen nur die Waffen weggenommen haben und die Typen weiterfahren ließen?“ – „Ja.“ – „Warum?“ „Sie sagten, dass sie Hummer fischen wollten.“ So ging es in unserem Prozess zu. Und es handelt sich um keinen Einzelfall – es gibt eine lange Liste von terroristischen Aggressionen gegen mein Land. Das kubanische Volk hat das Recht, sich gegen terroristische Aktionen zu verteidigen. Hoffentlich werden die US-Regierung und die US-Behörden etwas machen. Sie sagen, dass sie einen „Krieg den Terror“ führen, aber warum erlauben sie jenen Terroristen, frei in Miami zu operieren? Gerade vor einem Monat wurde der Typ, der hinter dem Bombenanschlag auf das kubanische Flugzeug steckte, bei dem 73 Leute getötet wurden, entlassen. Er läuft jetzt frei in Miami herum.
Es gibt einen sehr umstrittenen Punkt, wegen dem Sie überführt wurden, der der Grund ist, warum Sie so lange sitzen – der Abschuss zweier Zivilflugzeuge aus den Vereinigten Staaten 1996 von Kuba. Hatten Sie irgendwas damit zu tun?
Nein, ganz und gar nicht. Sie müssen sich ansehen, was wirklich geschah. Der Anführer der Flugzeuge ist José Basulto, ein CIA Agent in den 1960er Jahren. Er wurde in Kuba eingeschleust, um Sabotageakte zu begehen. Später, 1962, fuhr er per Boot von Florida aus zurück nach Kuba und feuerte eine Kanone auf ein kubanisches Hotel ab, ging nach Miami zurück und wurde wie ein Held empfangen. Auf sein Konto geht eine lange Liste von Terroranschlägen gegen Kuba. Es gab einen Punkt in seinem Leben, an dem er sich sagte: “In Ordnung, ich will jetzt Menschenfreund sein, mit einem kleinen Flugzeug nach Kuba fliegen und ohne irgendeine Genehmigung Flugblätter und Propagandamaterial abwerfen.“ Und das tat er dann ungefähr sechzehn Mal. Kuba schickte den USA sechzehn diplomatische Mitteilungen, die in unserem Prozess präsentiert wurden, in denen man sich bei den USA beschwert hat: „Diese Leute verletzen das internationale Recht, US-Gesetze und kubanische Gesetze.“ Die kubanischen MiGs hoben üblicherweise ab und geleiteten diese Leute hinaus. Kuba sagte meistens „Macht das nicht noch einmal, ihr gefährdet unsere Luftfahrt, unsere Bevölkerung, alles.“
Das mag ungerecht gewesen sein, aber was mich viel mehr interessieren würde, ist Ihr Beitrag zu dem allem.
Nichts! Ich war in Miami und das Flugzeug wurde in kubanischen Wässern abgeschossen, sehr weit weg von mir.
So übergaben Sie keine Informationen, die der kubanischen Regierung dabei geholfen hätte, die Flugzeuge vom Himmel zu holen?
Nein, natürlich nicht. Wenn Sie sich die Archive aus jener Zeit ansehen, werden Sie sehen, dass José Basulto lange vor der Reise ankündigte, dass „wir am 24. Februar ’rüber fliegen.“ Jeder wusste das. Wir präsentierten in unserem Prozess eine Mitteilung von der US-Regierung, der Bundes-Luftfahrt-Behörde, an ihre Leute „Hey, er wir am 24. Februar rüberfliegen. Wir machen uns Sorgen, dass etwas geschehen wird, weil Kuba schon sagte wenn sie es wieder machen, würden sie abgeschossen werden, es wäre besser wenn wir uns entsprechend vorbereiten würden.“ So erwartete jeder, dass etwas geschehen würde. In unserem Prozess trat Richard Nuccio auf, der frühere Berater von Präsidenten Clinton. Er sagte: „Ja, diese Organisation war außer Kontrolle.“ Es gibt einen langen Streit über diesen Zwischenfall. Kuba sagt, dass die Flugzeuge über kubanischen Gewässern, entsprechend den Angaben des kubanischen Radars, abgeschossen wurden. Die USA sagen, dass ein Flugzeug über kubanischem Gewässer war, dass sich allerdings das zweite Flugzeug, das dorthin unterwegs war, noch über internationalem Gewässer befand. Die Regierung klagte mich der Verschwörung an – vorgeblich weil ich wusste, dass das Flugzeug abgeschossen werden würde – und weil ich wusste, dass das Flugzeug über internationalen Gewässern abgeschossen werden würde, was überhaupt keinen Sinn macht. Es völlig verrückt, aber sie müssen irgendjemanden bestrafen – also traf es mich.
Sie haben Berufung eingelegt. Worauf stützt sie sich?
Auf verschiedene Sachen. Der Hauptpunkt, den wir wirklich aufrollen wollten und der leider zurückgewiesen wurde, ist der Ort der Verhandlung. Wir meinen, dass der Prozess in Miami unfair war. Unser Prozess dauerte über sieben Monate und es gab über 100 Zeugen. Die Jury beriet sich ein paar Stunden lang und stellte keine einzige Frage. Sie befand uns einfach für schuldig in jedem Anklagepunkt, und der Richter verfügte in jedem Punkt die Höchststrafe.
Und Sie sagten, dass der Grund dafür der Einfluss der kubanischen Exilanten in Florida ist?
Ja, natürlich. Während des Prozesses gab es alle Arten von „Unregelmäßigkeiten“, um es einmal so zu nennen. Leute filmten die Geschworenen, die Presse verfolgte die Geschworenen bis zu ihren Autos, und es gab Unruhen oder Protestaktionen vor den Gerichtsgebäuden, alles mögliche. Auch die Presse war wirklich grob zu uns.
Also glauben Sie dass die Jury eingeschüchtert war, oder sogar manipuliert wurde? War es wirklich so erheblich?
Ich glaube, dass die Jury eingeschüchtert wurde. Alle, die in Miami wohnen, oder der weiß, was dort abgeht, würde verstehen, dass nichts was mit Kuba zu tun hat, in Miami normal ist. Gerade erst wurde ein Buch aus den Schulen Miamis verbannt, weil auf dem Titelbild einige lächelnde und glücklich aussehende kubanische Kinder abgebildet sind. Es ist ein Kinderbuch namens „Let´s go to Cuba“. Es wurde einfach deswegen entfernt, weil es eine Passage in dem Buch gibt, die besagt, „kubanische Kinder leben und lernen so wie du“. Jeder, der die Geschichte von Miami kennt, weiß dass Leute getötet worden sind, weil sie eine bessere Beziehung zu Kuba wollten. Ich meine, ich kann Ihnen über die Zeitschrift erzählen, die siebenmal mit Sprengstoff attackiert wurde, weil sie bessere Beziehungen zu meinem Land wollen. Die Einwohner von Miami…. Man muss dort wohnen, um das zu verstehen. Die meisten AmerikanerInnen haben keine Ahnung von dem, was sich in Miami abspielt, es ist wie einem anderen Land.
Fidel Castro hat in der Vergangenheit einiges Interesse an Ihrem Fall gezeigt und sich für Sie eingesetzt. Hatten Sie schon mal direkten Kontakt mit ihm?
Ich hatte ich die Gelegenheit, vor zwei Jahren mit ihm per Telefon an seinem Geburtstag zu reden. Es war etwas, was ich nicht erwartete, ich telefonierte gerade mit meiner Ehefrau an dem Tag, weil es auch der Geburtstag meines Freundes René González war. Und unsere Familien waren bei ihm. Als ich das herausfand, sagte ich meiner Ehefrau: “Bitte richte ihm meinen Glückwunsch aus“, und dann sagte er, „Oh, warte einen Moment! ich will, dass er mit mir spricht“. So hatte ich die Gelegenheit, für ein paar Minuten mit ihm zu reden, was natürlich eine großartige Erfahrung für mich war.
Und was sagte er?
Er sagte, dass er überzeugt ist, dass die Gerechtigkeit siegen wird, weil er immer überzeugt davon gewesen ist. Wenn das amerikanische Volk herausfindet, was in unserem Fall gemacht worden ist, wenn das amerikanische Volk noch die Wahrheit über unseren Fall herausfindet, wird die Gerechtigkeit siegen. Jeder von uns ist überzeugt davon.