Wohnen ist lebensnotwendig

Wohnen wird immer teurer – doch mehr Investitionen im Wohnungsmarkt verschlimmern das Problem, anstatt es zu verbessern. Arbeitermacht ist die beste Lösung für die Wohnungsnot. Von Martin Zuba.
Wer im Jahr 2025 in Österreichs Städten Wohnraum sucht, hat es so schwer wie schon lange nicht. Der Anstieg der Inflation, durch türkis-blaue und türkis-grüne Krisenpolitik befeuert, katapultierte die Mieten in schwindelnde Höhen.
In der Vergangenheit zehrte Wien noch von den historischen Errungenschaften der Sozialdemokratie. Vor dem Ersten Weltkrieg hausten Arbeiter üblicherweise in überbelegten Einzimmerwohnungen, teilten sich ihr Bett mit ihren Kollegen anderer Schichten. Die Revolution 1918 machte damit Schluss. Das Rote Wien verhängte eine progressive Immobiliensteuer (Substanzsteuer! Enteignung! Schnappatmung bei den Immobilienbesitzern!) und finanzierte damit ein massives Wohnbauprogramm. Die Gemeindebauten des Roten Wiens symbolisierten die Macht der Arbeiterbewegung, ihr Leben unabhängig vom Profitinteresse der Kapitalisten selbstständig zu gestalten.
Spätestens mit den Sparpaketen ab den 1980er Jahren ging die Bautätigkeit der Gemeinden aber wieder zurück. Es wurde nicht genug gebaut, um die wachsende Nachfrage zu bedienen. Der steigende Marktpreis machte den Markt attraktiv für Privatinvestitionen. Ein Teufelskreis, denn durch die steigenden Grundstückspreise kommen auch die gemeinnützigen Bauunternehmen nicht mehr an günstiges Bauland. Die Folge ist die Misere am Wohnungsmarkt, die wir heute sehen. Wer das Glück hat, in Genossenschaften oder Gemeindebauten zu wohnen, weiß, wie billig wohnen sein kann, wenn man die Vermieter nicht durchfüttern muss. Am freien Markt hingegen sind Mieten mittlerweile zwei bis dreimal so hoch – bei niedrigeren Standards.
Insofern ist es kein Wunder, dass das Thema politisch zieht. Die KPÖ konnte in Graz und Salzburg erfolgreich an die vorherrschende Unzufriedenheit anknüpfen. In ihrem Programm skizziert sie die Anforderungen an ein menschenwürdiges Wohnrecht: Schluss mit Spekulation, Leerstandsabgabe, Loslösung der Mieterhöhungen von der Inflation, verstärkte öffentliche Bautätigkeit unter Partizipation der Bewohner. In der Realität stößt die Durchsetzung dieser Politik allerdings rasch an ihre Grenzen (wir berichteten). Den KPÖ-Politikern in der Regierung bleibt nichts anderes übrig, als enttäuscht die Hände in den Schoß fallen zu lassen und klarzustellen: man kann nicht viel machen, weil die Kassen leer sind und wir es uns mit den Kapitalisten nicht verscherzen wollen.
Auch die Sozialdemokratie hat angekündigt, beim Thema Lebensmittelpreise und Mieten in Vorlage zu gehen. Anlass für Zuversicht gibt es dabei aber nicht. Die bislang kolportierten Vorschläge, eine Erhöhung der minimalen Befristungsdauer von 3 auf 5 Jahre, sowie eine Beschränkung der Mieterhöhungen bei einer Inflation über 3%, werden kaum jemandem tatsächlich etwas bringen. Gleichzeitig spart die Regierung im Bildungs- und Sozialbudget Milliarden ein.
Und ohne private Investoren vom Markt zu verdrängen und den Bedarf an Wohnraum durch entsprechende Bautätigkeit gemeinnütziger Bauträger sicherzustellen wird sich nichts verbessern. Denn bei dem rasanten Anstieg der Immobilienpreise, den wir derzeit beobachten, ist es ökonomisch sinnvoller, Wohnungen leer stehen zu lassen, als den undankbaren Pöbel diese pristinen Anlageobjekte verschmutzen zu lassen.
Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass es ausreicht, hier an die Vernunft der Herrschenden zu appellieren. Schon Adam Smith hat die schädliche Rolle der Land- und Immobilienbesitzer für die Wirtschaft herausgestrichen, weil die Grundlage ihrer Profite nicht die Produktion von Werten ist – das tun im Falle von Wohnraum Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter, die Wohnungen bauen oder renovieren. Die Rolle der Immobilienbesitzer besteht darin, aus Knappheit Profite zu ziehen, indem sie an die Meistbietenden vermieten oder verkaufen – und Mietern aus ihren Wohnungen werfen, wenn die Marktlage höhere Mieten ermöglicht.
Dass es auch anders geht, zeigt die Geschichte der Stadt Liverpool, wo in den 80er Jahren Vertreter der trotzkistischen Militant-Strömung als Kandidaten der Labour Party die Mehrheit im Stadtrat stellten. Ebenso wie die KPÖ in Graz hatte die Vorgängerregierung gähnende Leere in den Kassen zurückgelassen. Thatcher´s Austeritätsprogramm kürzte Geldflüsse an Gemeinden und beschränkte deren Möglichkeiten, lokale Steuern einzuheben. Trotzdem baute Liverpool tausende neue Wohnungen und senkte die Mieten, begonnen in den Armenvierteln der Stadt. Eine populäre Maßnahme, die trotz Schmutzkübelkampagnen der Boulevardmedien zu historischen Zugewinnen bei den Wahlen 1985 führte. Auf Drohungen der Regierung, außerordentliche Audits des Gemeindebudgets anzuordnen, lautete die Antwort: „Lieber brechen wir das Gesetz, als die Armen zu brechen.“ Eine landesweite Protestbewegung gegen die Austeritätspolitik nahm Formen an.
Letztendlich verlor Liverpool diesen Kampf. Das nationale Exekutivkomittee der Labour Party löste die Parteigruppe in Liverpool auf (eine Taktik, die die Reformisten auch hierzulande gerne anwenden, wenn in Teilorganisationen linke Kräfte dominieren). Die Stadträte wurden abgesetzt und mit Strafen belegt. Ihr Sparpaket mussten die Konservativen selbst durchsetzen. Trotzdem bleibt es das Verdienst der Militant-Strömung, eine politische Antwort auf die Austerität geliefert zu haben – und das unrühmliche Verdienst der Labour Party, durch die Torpedierung der Rate-Capping Rebellion die Grundlage für die Austerität vorbereitet zu haben.
In allen Ländern der Welt wachsen die Städte und der Bedarf an Wohnraum. Im Kapitalismus verbessert das ausschließlich die Gelegenheit für Immobilienhaie, aus der Knappheit zusätzliche Profite zu ziehen.
Ein alternatives Programm erfordert das Ende der Austerität und die Enteignung der Immobilienkonzerne. Es erfordert die Mobilisierung der Massen im politischen Kampf gegen die Kapitalisten und ihre Regierung. Es bietet aber nicht nur menschenwürdiges Wohnen, das die Lebensqualität statt der Profite im Blick hat, sondern auch ein Ende der Wohnungsnot und Obdachlosigkeit sowie unmenschlicher Bedingungen am Bau.
(Funke Nr. 236/28.08.2025)