Nein zur Aufrüstung! (Funke Nr. 232)

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Europas Herrschende öffnen die Koppeln und satteln die Rösser der biblischen apokalyptischen Reiter: der Sieger, der Abschlachter, der Händler und der Tod werden auf die Pferde gehoben. Angeblich führt Putin bereits Krieg gegen Europa, und jetzt müsse sich Europa rasch rüsten. Von Emanuel Tomaselli
800 Mrd. € sollen EU-Staaten in das Todesgeschäft investieren, mindestens. Deutschland allein eröffnet das Treiben mit 500 Mrd., Österreich zieht mit einer Verdreifachung der Militärausgaben mit. Frankreich preist seine nationalen Atomwaffen als „europäische Lösung“ an, was Deutschland ablehnt. Die italienische Bourgeoisie jammert über die alte Ungerechtigkeit, dass seine Rüstung nicht gänzlich von anderen europäischen Staaten finanziert wird. Dieses Europa ist ein Tollhaus. Europa will rasch kriegsfähig werden, ohne die alten Rivalitäten zwischen den EU-Nationalstaaten überwinden zu können.
Es reicht immerhin zur Kriegserklärung an die eigene Arbeiterklasse. Mehr Bomben heißt weniger Bücher: ein 155-mm Artilleriegeschoß entspricht Schulbüchern für eine Schulkasse. Mehr Panzer bedeuten weniger Pensionen: die Anschaffungskosten eines Pandur-Radpanzers entsprechen dem jährlichen Einkommen von 603 ASVG-Pensionisten. Mehr Raketen bedeuten weniger Studierende: die österreichischen Anschaffungskosten für Sky Shield entsprechen allen staatlichen Ausgaben für alle österreichischen Hochschulen für eineinhalb Jahre.
Der kommende deutsche Kanzler stimmt den Totentanz in einem bereits abgewählten Parlament an. Wir können diese Stimme nicht ignorieren, denn diese Worte gehen Beschlüssen zu sozialem Kahlschlag, militärischer Aufrüstung und Abbau demokratischer Rechte nur voran: in Deutschland, in Österreich und ganz Europa.
So spricht Friedrich Merz: „Die Umstände werden vor allem von Putins Angriffskrieg gegen Europa bestimmt. Es ist nämlich ein Krieg gegen Europa und nicht nur ein Krieg gegen die territoriale Integrität der Ukraine. (Beifall CDU/CSU und SPD). Es ist auch ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet: mit Angriffen auf unsere Datennetze, mit der Zerstörung von Versorgungsleitungen, mit Brandanschlägen, mit Auftragsmorden mitten in unserem Land, mit der Ausspähung von Kasernen, mit Desinformationskampagnen, deren Teil auch Sie in Deutschland mittlerweile sind, (Beifall CDU/CSU, SPD, GRÜNE) mit systematischer Irreführung und Täuschung unserer Gesellschaft und, meine Damen und Herren, mit dem Versuch einer Spaltung und Marginalisierung der Europäischen Union. Gegen diese Angriffe auf unsere offene Gesellschaft, gegen diese Angriffe auf unsere Freiheit, die auch von Ihnen in Ihren Zwischenrufen ständig kommen, gegen diese Angriffe werden wir uns mit allem, was uns zu Gebote steht, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zur Wehr setzen, meine Damen und Herren. (Beifall CDU/CSU, der SPD, GRÜNE). Nehmen Sie das ernst, dass wir das auch an Ihre Adresse sagen! (…) Unsere Verbündeten in der NATO und in der Europäischen Union schauen heute ebenso auf uns wie unsere Gegner und wie die Feinde unserer demokratischen und regelbasierten Ordnung; das ist sie nämlich, diese Ordnung.“
Kapitalisten aller Nationen verteidigen gemeinsam die Ordnung, die darin besteht, die Arbeiterklasse auszubeuten und auch die besondere Unterdrückung von Frauen, Migranten etc. für die Steigerung von Profiten zu nutzen. Aber Kapitalisten unterschiedlicher Nationen geraten sich in der Konkurrenz um Märkte auch gegenseitig ins Gehege. Sie streiten um Absatzmärkte, Rohstoffquellen, Technologien und Talente, mit dem alleinigen Ziel, ihren Profit zusätzlich auch auf Kosten ihres Konkurrenten gewaltsam zu steigern.
Nach 70 Jahren „Globalisierung“ kippt die Welt jetzt in eine Epoche des Protektionismus. Damit einher gehen Militarismus, Handelskriege und Kriege. Handelszölle zerreißen die internationale Arbeitsteilung, um den Profit der eigenen Firmen zu schützen. Ein imperialistischer Krieg ist dasselbe, aber intensiver und direkter. Dies wusste schon der Apostel Johannes, der dies in der einleitend angeführten biblischen Apokalypse niedergeschrieben hat. Alle Herrschenden seither verschleiern den Charakter ihrer Kriege vor ihrer eigenen Bevölkerung. Daher, den letzten Zweifel direkt herausgefordert: Müssen wir uns vor der imperialistischen Aggression Putins und den von ihm orchestrierten inneren Feinden („Desinformanten Putinscher Propaganda“) tatsächlich auf jene Art schützen wie es Konservative, Liberale und Sozialdemokraten vorschlagen?
Die Darstellung, dass dieser Krieg in der alleinigen Verantwortung Putins liegt, ist falsch. Der Krieg in der Ukraine ist auf jeder Seite ein imperialistischer Krieg.
Die Gesellschaft und Wirtschaft der Ukraine war und ist über tausende Fäden mit Russland verwoben. Nur mit Putsch, Bürgerkrieg, Umbau der Armee unter NATO-Beteiligung und der Aufzucht faschistischer Banden konnten die USA und die EU die Ukraine mehrheitlich nach Westen umorientieren. Von Anfang an war klar, dass das Land dabei zu einer Kolonie degradiert wird, die Industrie der Ukraine ist in Russland, nicht aber im Westen konkurrenzfähig.
Die militärische Niederlage Kiews im aktuellen Krieg ist eine katastrophale Wende für Europas Außenpolitik. Der russische Imperialismus wurde letztlich nicht wie beabsichtigt geschwächt, sondern vielmehr deutlich gestärkt! Trump hat damit wenig Probleme, weil die US-Politik seit Jahren darin besteht, Europa auf kleinere Rationen zu setzen: Zahlt euch eure Armeen selbst, kauft mehr amerikanische Produkte! Für die herrschenden Klassen Europas ist aber eine Stärkung Russlands am eignen Kontinent (und anderswo) nicht akzeptabel. Sie setzen daher alles daran, dass der Krieg nicht endet, dass europäische Truppen in die Ukraine geschickt werden und dort womöglich ein asymmetrischer Guerillakrieg gegen Russland weitergeführt wird. Sie wollen die Ukraine weiterbluten lassen, um Zeit für die eigene Aufrüstung herauszuschinden. Um „Demokratie“ und „Freiheit“ in der Ukraine geht es dabei keine Spur: Gewerkschaften wurden enteignet, Parteien und Sprachen verboten, Kriegsgegner verfolgt und Männer zwangsweise in den Krieg entführt. Es wird nur noch entschieden, welche fremde Macht und welcher fremde Konzern in welchen Teilen des Landes die Arbeiter zukünftig knechten darf. Unsere ukrainischen Klassengeschwister haben nichts zu gewinnen, die Ukraine, die sich durch Lenins Politik zu einer stolzen Nation entwickeln konnte, ist bereits tot.
Russland wird diesen Krieg gewinnen, weil dies politisch eine Überlebensfrage des russischen Kapitalismus ist. Seine Kapitalisten mobilisieren alle Ressourcen für dieses Ergebnis, 50 % des Staatshaushaltes fließt in die Armee. Die Kriegsopposition ist isoliert, weil Putins Regime alles tut, die Massen vom Krieg abzuschirmen: Die Kapitalisten zahlen hohe Löhne und Armee-Prämien für Kriegsdienstleistende. Die ideologische Stütze des Regimes sind die nationale Unterdrückung der russischsprachigen Ukrainer und die Waffenlieferungen des Westens. Deutsche Panzer und amerikanische Raketen schieben einen nationalen Schulterschluss an, immerhin deutsche Waffen und Blockaden töteten schon einmal 20 Millionen Sowjetbürger. Alsbald aber werden sie die Löhne und Pensionen der eigenen Arbeiterklasse angreifen, weil der unproduktivere russische Kapitalismus sich diese nicht lange leisten kann.
Die Arbeiterklasse Europas zahlt die Niederlage unserer Konzerne gegen die russischen jedenfalls mit Sparpaketen und der Militarisierung der gesamten Gesellschaft. „Muss man nicht auch dazu sagen, dass die Söhne Österreichs in ein paar Jahren auf Schlachtfeld ziehen müssen?“, fragt ORF-Moderator Tobias Pötzelsberger in der sonntäglichen TV-Debatte, und bekommt von RBI-Manger Erwin Hameseder eine klare Antwort: „Ja, das muss man ganz klar dazu sagen.“
Die Kapitalisten sind so explizit, weil sie die Arbeiterbewegung nicht fürchten. Die Reformisten an ihrer Spitze haben den Klassenkampf gegen die eigenen Ausbeuter eingestellt. Jeder Kampf um Löhne, gegen Sparpakete und die Einschränkung demokratischer Freiheiten würde aber die Kapitalisten aller Nationen in ihrem blutigen Geschäft behindern. In Österreich, weil der gesellschaftliche Reichtum damit in soziale Sicherung statt in den Tod umgelenkt werden würde. In Russland, weil Putins wichtigste Propagandalüge, dass der „kollektive Westen“ der Feind der russischen Arbeiter sei, widerlegt würde. In der Ukraine, weil das Regime dadurch weniger materielle Möglichkeiten und ideologische Rückendeckung hat die eigenen Leute in den Fleischwolf zu schicken.
Die Revolutionäre Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg hatten also ganz recht, als sie sagten: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“ Die Vorschläge der europäischen Regierungen schützen nicht den „Frieden“, sondern bringen nur noch mehr militärische und soziale Angriffe – zu Hause und in fernen Ländern. Nur die Arbeiterklasse, die gegen die eigenen Regierungen aufsteht, kann für Sicherheit und Wohlstand sorgen.
Die SPÖ-Führung verwaltet den Sozialabbau und die Militarisierung mit. Immerhin traut sich die KPÖ nun endlich Aufrüstung politisch zu kritisieren. Es ist die anti-militaristische Massenstimmung der Arbeiterschaft, die sie dazu zwingt, angesichts der kommenden Wiener Wahlen hier nun doch etwas zu sagen. Das ist zu wenig und die Partei unterstützt weiter den Wirtschaftskrieg des Westens (Sanktionen gegen Russland), schürt die Illusion von Österreichs „Neutralität“, schweigt zum Rassismus und schürt passivierende Utopien in einen Räuberfrieden („diplomatische Lösungen“). Man muss aber den Mut haben, die ganze Wahrheit zu sagen und auf dieser Basis die besten Klassenkämpferinnen für den Kampf um Internationalismus und den Kommunismus zusammenzuschließen: Kein Diplomat der Welt, nur der Kampf der Arbeiterklasse gegen die jeweils eigenen Herrschenden kann die drohenden Apokalypsen abwenden.
Krieg und Revolution sind das genaue Gegenteil, aber sie entspringen genau derselben Situation: dass der Kapitalismus Wirtschaft, Gesellschaft und ihre Kultur nicht mehr entwickeln kann. Ob die drohende Katastrophe sich in Barbarei oder die soziale Revolution entlädt ist nicht entschieden. Die einzige Möglichkeit ein revolutionäres Programm zu stärken ist es sich der RKP anzuschließen.
Wien, 24.03.2025