Kahlschlag bei Lieferando

Beim Essenslieferdienst Lieferando sollen bis zum Sommer alle 850 Fahrradkuriere gekündigt werden. Ein Bericht von einem Fahrradboten und RKP-Mitglied.
In diesem boomenden Markt galt Lieferando, dem österreichischen Zweig des niederländischen Konzerns Just Eat Takeaway (JET), die letzten Jahre als vorbildliches Unternehmen. Die Fahrradkuriere sind fest angestellt und bekommen laut dem 2020 abgeschlossenen Kollektivvertrag 1860 € brutto bei einer 40-Stunden-Woche, sind kranken- und pensionsversichert und haben Anspruch auf Urlaub und bezahlten Krankenstand.
Damit sind sie viel besser dran als ihre Kollegen beim Konkurrenten Foodora, wo alle Fahrer nur einen freien Dienstvertrag haben. Bis Juni zumindest. Am 18. März hat die niederländische Firma nämlich bekannt gegeben, alle ihre Kuriere bis Ende Juli zu kündigen. Gibt es danach also keine Fahrer mit orangenem Rucksack mehr? Natürlich nicht. Aber die kleinen sozialen Errungenschaften sind dann Geschichte. Alles nur, damit JET noch mehr Profit macht.
Bestellt man über die App sein Essen, bezahlt man abhängig von Entfernung bis zu 6€ pro Bestellung, aber das Unternehmen verdient den Großteil seines Umsatzes durch die Restaurants selbst. Liefert ein Radfahrer die Bestellung aus, bekommt JET 30% Provision, unabhängig davon wieviel der Auftrag insgesamt gekostet hat. Stichprobenartig hat ein Fahrer für die Funke-Redaktion 500 Bestellungen aus den letzten Monaten protokolliert und nach der Auswertung festgestellt, dass sein Arbeitgeber etwas mehr verdient hat, als er selbst gekostet hat. Lieferando hätte eigentlich keinen Grund, dieses lukrative Ausbeutungsmodell zu beenden. Allerdings fänden die CEOs der Firma es nett von ihren Arbeitern, wenn sie bitte nicht mehr in den Krankenstand gehen oder gar streiken würden. Deshalb will JET nach der Kündigung der jetzigen Belegschaft nur mehr freie Dienstnehmer einstellen. Das heißt nichts anderes als schlechtere Arbeitsbedingungen für alle.
Die Gewerkschaft beschwert sich bislang nur, dass die Politik die freien Dienstverträge nicht abschafft. Wie man den Angriff bei Lieferando abwehren könnte, sagt sie nicht. Von der Bundesregierung wird man keine Unterstützung erwarten können. Gegen diesen sozialen Kahlschlag kann es nur eine Antwort geben: selbstorganisierten Arbeitskampf mit Streiks und (Fahrrad-)Demos an allen Standorten!