Ursprung der Frauenunterdrückung

Sei es der sexistische Witz nebenbei am Stammtisch, die immer noch ganz klar ersichtliche schlechtere Bezahlung, Rollenbilder aus denen wir uns nicht befreien können, bis hin zur häuslichen Gewalt und den Femiziden, die immer wieder in den Schlagzeilen sind – Frauenunterdrückung zeigt sich im Kapitalismus tagtäglich. Doch woher kommt diese Unterdrückung eigentlich und wie können wir sie bekämpfen? Ein Artikel von Sarah Ott
Viele gehen davon aus, dass es Frauenunterdrückung schon immer und überall auf der Welt gab.
Schon ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, wie unhaltbar diese Annahme ist. Lange Zeit lebten die Menschen gleichberechtigt, erst das Aufkommen der Klassengesellschaft änderte das. Nur der Marxismus kann den Ursprung der Unterdrückung erklären und liefert uns die Werkzeuge, für ihr Ende zu kämpfen.
Friedrich Engels beschreibt in seinem Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ (1884), die Entstehung von Frauenunterdrückung als ein auf einer bestimmten Stufe der sozialen Entwicklung entstandenes Phänomen, das in engem Zusammenhang mit dem Familientyp steht. Frauenunterdrückung ist also ein soziales und kein biologisches Phänomen. Seit der Zeit von Engels wurde das durch eine Vielzahl historischer und anthropologischer Forschungsergebnisse bestätigt. Die Menschheit hat sich in unterschiedlichen Stufen entwickelt und über Jahrtausende in egalitären bzw. „urkommunistischen“ Strukturen gelebt. Diese waren matriarchal organisiert, dh Verwandtschaft würde über die Frauen definiert. Der Grundpfeiler des Ökonomischen Lebens war der Kollektivbesitz von Land und Ressourcen. Wesentlich ist das Verständnis vom Menschen als soziales Wesen, das zum Schutz und fürs Überleben seit jeher auf Kooperation angewiesen ist. Mithilfe von Steinwerkzeug jagte man und grub Wurzeln aus; Nahrungssuche war ein essenzieller Bestandteil unseres Lebens in seinen frühesten Entwicklungsstufen. In diesem Stadium gab es weder Privateigentum, noch Klassen, Geld, Staat oder eben Frauenunterdrückung.
Zwar gab es damals bereits Arbeitsteilung, aber sie war in einer klassenlosen Gesellschaft noch nicht mit Wertung oder Unterdrückung gleichzusetzen. Die frühen Jäger- und Sammlergesellschaften hatten zwar bereits gewisse Arbeitsteilungen, allerdings waren diese nicht mit einer unterschiedlichen Stellung in der Gesellschaft verknüpft und keinesfalls so strikt, wie lange angenommen. Neuere Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass auch Frauen auf die Jagd gingen und sich Männer am Sammeln beteiligten. Außerdem war das Sammeln von Nahrung eine deutlich wichtigere Quelle fürs Überleben, als die Jagd. Bei den Irokesen war es beispielsweise so, dass die meisten Güter des täglichen Bedarfs im Langhaus aufbewahrt wurden, für das die Frauen zuständig waren. Das bedeutet, sie waren zwar für den Haushalt zuständig, aber dies war gleichbedeutend mit der gesamten öffentlichen Ökonomie. Erst mit der Verlagerung der ökonomischen Verhältnisse aus dem Haushalt heraus verloren Frauen ihre gesellschaftliche Stellung.
Die Methode von Marx und Engels und allen Kommunistinnen und Kommunisten nach ihnen ist der historische Materialismus. Der besagt, dass die Produktion und die Reproduktion von Leben die historische Entwicklung und das Zusammenleben der Menschheit bestimmt. Dazu gehört einerseits Arbeit – die Herstellung von lebensnotwendigen Gütern und damit der stete Versuch, die dazu benötigten Werkzeuge zu verbessern – und andererseits die Tätigkeiten, die das menschliche Leben selbst „reproduzieren“.
Durch die vermehrte Domestizierung von Tieren und der Herausbildung von Herdenhaltung entstand ein neuer Reichtum, den die Gesellschaften zuvor nicht gekannt hatten. Mit der Entwicklung von Landwirtschaft und Viehzucht entstanden neue Werkzeuge wie Hacken, Lagerhäuser, Schleifsteine und Töpferei. Laut dem marxistischen Archäologen Gordon Childe erlöste die Einführung des Pflugs „die Frauen zwar von den schlimmsten Strapazen, brachte sie aber gleichzeitig um ihr Getreidemonopol und den sozialen Status, der damit einherging. Während Frauen in der Barbarei gewöhnlich die Landstücke mit der Hacke bearbeiteten, waren es die Männer, die Felder pflügten.“
Der entscheidende Fortschritt in der Entwicklung der Produktivkräfte in dieser Epoche wird als Neolithische Revolution bezeichnet. Es war nun nicht mehr nötig, tagtäglich für die Nahrungsbeschaffung zu sorgen, und es war erstmals auch möglich, Sklaven zu halten, da diese durch den erstmaligen Überschuss an Nahrung auch mitversorgt werden konnten. Es stellt sich nun die Frage, wem dieser neue Reichtum gehört. Zu Beginn ist dieser oft einfach in den Besitz der gesamten Gruppe übergegangen. Das hat sich allerdings schnell geändert. Es gab bereits eine geschlechtliche Arbeitsteilung die vorsah, dass der Mann eher für die Nahrungsbeschaffung und die Frau für den Haushalt zuständig war. Die Zuständigkeit für den Haushalt hatte den Frauen ursprünglich eine höhere Stellung ermöglicht.
Aber mit dem Eigentum an den neuen Arbeitsmitteln wurde der Mann vom ursprünglichen „Nahrungsversorger“ plötzlich auch zum „besitzenden“ derselben. Dadurch hatte sich seine Stellung innerhalb der Familie geändert, er war wichtiger geworden. Seinen Besitz konnte er aber aufgrund der matrilinearen Abstammungslinie nicht an seine eigenen Kinder vererben. Die Kinder erbten weiterhin von ihrer Mutter und nicht von ihrem Vater.
Es wurde also notwendig die matrilineare Erbfolge zu durchbrechen. Die Verwandtschaft musste nicht mehr wie bisher über die Mutter, sondern über den Vater festgelegt werden. Engels bezeichnet dies als eine der einschneidendsten Revolutionen der Menschheitsgeschichte, denn:
„Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Haus, die Frau wurde entwürdigt, geknechtet, Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der Kindererziehung.“ (Ursprung der Familie)
Die nun einsetzende Entstehung der monogamen Familie kennzeichnet das Ende egalitärer Gesellschaften. Zuvor gab es in Beziehungen zwischen Männern und Frauen keine gegenseitigen Besitzansprüche und sie waren leicht von beiden Seiten lösbar. Die Monogamie ist die erste Familienform, deren einziger Zweck die Weitervererbung des Privateigentums ist, was es auch notwendig macht, die Vaterschaft mit größtmöglicher Sicherheit feststellen zu können. Um dies tun zu können, war die Monogamie der Frauen eine Voraussetzung, für sie wurde es unmöglich die Ehe aufzulösen. Zu jener Zeit entstand erstmals in der Geschichte auch Prostitution, denn Ehebruch wurde ebenso wie Scheidung zum Vorrecht des Mannes. Somit ist der Zusammenhang zwischen der Entstehung des Privateigentums und der Entstehung von Frauenunterdrückung klar gegeben. Die Entstehung von Klassengesellschaft und die Entstehung der Frauenunterdrückung verlaufen parallel, sie fallen zeitlich und logisch zusammen.
Auch wurde die Hausarbeit, die zuvor öffentlichen Charakter gehabt hatte und der gesamten Gesellschaft oder doch zumindest immer einer größeren Gruppe gedient hatte, nun zur Privatangelegenheit in der Kleinfamilie.
„Die Führung des Haushalts verlor ihren öffentlichen Charakter. Sie ging die Gesellschaft nichts mehr an. Sie wurde ein Privatdienst; die Frau wurde erste Dienstbotin, aus der Teilnahme an der gesellschaftlichen Produktion verdrängt.“ (ebenda)
Gesellschaftlich notwendige Reproduktionsarbeit, also jene Arbeit die nötig ist um Menschen gesund und arbeitsfähig zu halten, wird zu einer Privatangelegenheit innerhalb der Kleinfamilie. Damit erklärt sich auch, warum jede andere Form des Zusammenlebens, die die bürgerliche Kleinfamilie in Frage stellt, (Homosexualität, Transpersonen, Asexualität,…) unterdrückt werden muss.
Das kapitalistische System hat sich die Frauenunterdrückung, völlig zu eigen gemacht. Die Familie ist heute eine ganz wesentliche Säule der kapitalistischen Wirtschaft in der ein großer Teil der Reproduktionsarbeit, erledigt wird, ohne die Profitgenerierung zu belasten. Gleichzeitig ermöglicht der Kapitalismus aber auch die Lohnarbeit von Frauen und holt sie aus der Isolation des Privathaushalts. Die Teilhabe an der (öffentlichen) Lohnarbeit ist eine enorm progressive Entwicklung und bietet die Grundlage für die künftige Befreiung. Die Frau kann sich als Teil der Arbeiterklasse selbst befreien und der Kapitalismus hat die ökonomische Grundlage gelegt, die Tätigkeit im Haushalt wieder auf höherer Stufe zu vergesellschaften.
Im Kapitalismus ist dieses Potential aber unmöglich zu verwirklichen, da die Reproduktionsarbeit weiterhin trotzdem in der Familie stattfinden muss. Das hat viele Folgen: bei hoher Arbeitslosigkeit oder in Krisenzeiten sind Frauen die ersten, die wieder aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden. Frauen dienen oftmals auch als Druckmittel, um Löhne niedrig zu halten. Typisch „weibliche“ Berufe werden allgemein schlechter bezahlt und durch die Doppelbelastung von privater Reproduktionsarbeit und Lohnarbeit sind Frauen oft gezwungen nur Teilzeit zu arbeiten. Altersarmut und Abhängigkeit vom Partner sind die Folgen. Deshalb haben Frauen auch im 21. Jahrhundert keine Kontrolle über den eigenen Körper und die eigene Sexualität. Das reicht von Übergriffen bis hin zu Mord und staatlichen Einschränkungen vom Recht auf Abtreibung. Die aktuelle Krise spitzt diese Barbarei immer weiter zu.
Es ist daher unabdingbar der Unterdrückung die ökonomische Grundlage zu entziehen indem wir gesellschaftlich notwendige Arbeit auch gesamtgesellschaftlich organisieren. Das ist die kommunistische Antwort zur Frauenbefreiung.
Engels bringt es auf den Punkt: „Mit dem Übergang der Produktionsmittel in Gemeineigentum hört die Einzelfamilie auf, wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft zu sein. Die Privathaushaltung verwandelt sich in eine gesellschaftliche Industrie. Die Pflege und Erziehung der Kinder wird öffentliche Angelegenheit…“ (ebenda)
Es stimmt also, dass Frauenunterdrückung zwar viel älter als das kapitalistische Wirtschaftssystem ist, nämlich so alt wie Klassengesellschaften selbst. Dennoch ist es falsch anzunehmen, dass der Kampf gegen Frauenunterdrückung in irgendeiner Form separat vom Kampf gegen den Kapitalismus geführt werden kann. Nur wenn wir verstehen, dass Frauenunterdrückung mit der Entstehung von Klassengesellschaften in direktem Zusammenhang steht, wird klar, dass es bei der Beseitigung derselben auch um eine Beseitigung der Klassengesellschaft an sich gehen muss. Der Sozialismus und später der Kommunismus wird es Männern und Frauen ermöglichen, endlich wahrhaft menschliche Beziehungen auf der Grundlage von Gleichheit ohne Zwang und ökonomische Abhängigkeit einzugehen. Das wird der größte historische Fortschritt der Menschheit seit der Neolithischen Revolution sein.