In den letzten Wochen wurde halb Europa von Überschwemmungen heimgesucht. Das aktuelle Hochwasser in Spanien zeigt, dass der Kapitalismus die Klimakrise erst zur wahren Katastrophe macht. Von Konstantin Korn.
Bei Redaktionsschluss sind in Spanien über 200 Todesopfer bekannt. Doch das Ausmaß des Schreckens ist noch lange nicht klar. In der überschwemmten Tiefgarage des Einkaufszentrums Bonaire, in der 2000 PKW Platz haben, vermuten viele ein wahres Massengrab. Die Welle der Verwüstung hat Schäden in Milliardenhöhe verursacht, unzählige Menschen haben ihr Heim verloren.
Das Wetterphänomen, das diese heftigen Regenfälle verursacht hat, ist nicht neu, sondern tritt regelmäßig um diese Jahreszeit auf. Der Klimawandel und die damit verbundene Erwärmung des Mittelmeers führen aber dazu, dass diese Stürme immer heftiger ausfallen. Somit wächst auch die Gefahr, dass es zu Überschwemmungen kommt.
Der Klimawandel hat mittlerweile ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Dass die Klimakrise mit Verwüstung und Tod einher geht, ist kein Schreckensszenario mehr, sondern bittere Realität. Diese Krise ist das Resultat des irrationalen kapitalistischen Systems, in dem die Profitlogik über allem steht. Und genau dieses Profitsystem bindet uns auch die Hände im Umgang mit Überschwemmungen und ähnlichen Katastrophen.
In Spanien haben wir es mit einem eklatanten Versagen der politischen Verantwortlichen zu tun. Obwohl Meteorologen das Ausmaß der Flut genau vorhergesagt haben, hat die rechte Regionalregierung die betroffene Bevölkerung nicht rechtzeitig gewarnt. Der Grund war einfach, dass man die Lebensadern der Profitwirtschaft nicht unterbrechen wollte. Während die Universität von Valencia auf die Unwetterwarnungen reagierte, hielten Einkaufszentren, Fabriken und Transportunternehmen das ganze Werk am Laufen. Als die Menschen in den Abendstunden wie gewohnt von der Arbeit heimfuhren oder noch schnell Einkäufe erledigten, wurden sie von der Flut überrascht. Eine große Supermarktkette schickte ihre Lieferboten sogar noch aus, als die Straßen schon geflutet waren. Das Management des Einkaufszentrums Bonaire erlaubte seinen Beschäftigten nicht, rechtzeitig das Gebäude zu verlassen. Bis zur letzten Minute sollte der Shoppingtempel offenhalten, weshalb Hunderte über Nacht festsaßen, und dann verweigerte man ihnen noch Essen. Dass der lokale Katastrophenschutz einem Sparpaket zum Opfer fiel, hat die Lage nocheinmal verschärft.
Dazu kommt ein völliges Chaos bei den Aufräumarbeiten. Während der Staat völlig versagte, meldeten sich Tausende Freiwillige (Arbeiter, Kleinbauern, Studenten), um zu helfen. Der Slogan „Nur das Volk rettet das Volk“ wurde zum Motto der Aufräumtrupps, die von verschiedensten Organisationen der Arbeiterklasse mobilisiert wurden.
Ein medial inszenierter Besuch von König Felipe, seiner Frau und dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Sánchez im Katastrophengebiet brachte das Fass zum Überlaufen. Das Staatsoberhaupt wurde mit Schlamm beworfen und beschimpft. Die Bevölkerung ist extrem zornig über die Rolle der Regierenden.
Dieser Unmut über die Flutkatastrophe ist Teil eines größeren Prozesses. Schon in den letzten Monaten kam es zu großen Protesten gegen die Wohnungskrise und die Folgen des Massentourismus. Die angekündigten Demos gegen die politischen Verantwortlichen der Katastrophe könnten zum Ausgangspunkt einer neuen Welle der Massenradikalisierung in Spanien werden.
(Funke Nr. 228/09.11.2024)