Die jahrzehntelange Geschichte von gescheiterten Teilungsversuchen zeigt, dass die Zweistaatenlösung immer eine Falle für beide Völker war. Von Laura Höllhumer.
Der Plan, Palästina in zwei Staaten aufzuteilen, einen für die Juden und einen für die Araber, ist so alt wie das zionistische Projekt selbst. Großbritannien, die ersten Unterstützer der Auswanderung nach Palästina, hatte in seinen Jahrhunderten als mächtigste Kolonialmacht das Prinzip „Teile und Herrsche“ perfektioniert – die Aufteilung eines Landes nach nationalen oder religiösen Linien, um sie dann gegeneinander auszuspielen. Mit dem Zweiten Weltkrieg hatten die USA Großbritannien als stärkste Weltmacht abgelöst und stützen sich seitdem auf Israel, um die ölreichste Region der Erde zu kontrollieren.
Die Vertreibung und Enteignung von 500.000 Menschen, die Nakba (Katastrophe), war die Grundlage für die Gründung des neuen Staates Israel.
In einem haarsträubenden Bruch mit dem Internationalismus unterstützte Stalin den UN-Teilungsplan für Palästina von 1947 und damit die Staatsgründung Israels. Damit hoffte er den sowjetischen Einfluss in der Region auszubauen. Als das scheiterte, orientierten die Kommunistischen Parteien in der Region auf eine unkritische Unterstützung des bürgerlichen arabischen Nationalismus – was zu weiteren Katastrophen für die kommunistische Bewegung führte.
Im Sechstagekrieg 1967 besetzte Israel dann auch die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem. Darauf folgte eine Welle von Klassenkämpfen gegen die Besatzung: Mit der ersten Intifada brach 1987 eine Aufstandsbewegung aus, organisiert von einem Netz aus 40.000 Komitees. In Jordanien und im Libanon spielte der palästinensische Widerstand im Bündnis mit der Arbeiterklasse dieser Länder eine entscheidende Rolle im Klassenkampf.
Die Führung der PLO (Palestinian Liberation Organisation) wollte aber keine sozialistische Revolution, sondern eine diplomatische Lösung. Seitens der israelischen Bourgeoisie war die versprochene Zweistaatenlösung der Osloer Abkommen von 1992 und 1995 das Eingeständnis, dass eine direkte militärische Besatzung der Palästinensergebiete unmöglich aufrechtzuhalten war. Unter dem Namen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) wurde ein palästinensischer Halbstaat etabliert. Das komplette Versagen dieser „Lösung“ ist der Ursprung der aktuellen Krise.
60% des Westjordanlandes blieben weiterhin komplett unter israelischer Kontrolle. Zuletzt erhielt die PA eine eigene Polizei, doch der israelische Staat behielt sich vor, die „interne Sicherheit und Ordnung“ durchzusetzen. Israel erhielt zudem alleinige Kontrolle über Grenzen und Luftraum der palästinensischen Gebiete. Es gibt heute kein einheitliches palästinensisches Territorium, sondern 189 abgetrennte Inseln, durchzogen von israelischen Straßen. Um sich fortzubewegen, müssen Palästinenser deshalb täglich dutzende Checkpoints mit demütigenden Kontrollen passieren.
Seit 30 Jahren verschlechtern sich die Lebensbedingungen der Palästinenser. Die Arbeitslosigkeit lag schon vor dem Krieg bei 25,7%. Die gesamte palästinensische Wirtschaft wird von Israel in Geiselhaft gehalten, bei der Israel 58% aller Importe liefert und 86% aller Exporte einnimmt.
Das war die Situation vor den aktuellen Flächenbombardierungen des Gazastreifens durch Israel, die Millionen Palästinensern jede Lebensgrundlage genommen haben.
Befürworter der Zweistaatenlösung protestieren hier: Es wäre prinzipiell möglich, eine Lösung ohne diese „Probleme“ zu finden, zB. sobald eine andere Regierung in Israel an die Macht kommt. Doch welche israelische Regierung wäre gewillt oder in der Lage, das gesamte Westjordanland aufzugeben? Oder die Entwicklung einer überlebensfähigen und unabhängigen palästinensischen Wirtschaft zu finanzieren? Israel ist ein kapitalistischer Staat mit eigenen imperialistischen Interessen in der Region; die Kontrolle über das gesamte palästinensische Land ist dafür eine absolute Notwendigkeit. Heute leben im Westjordanland und in Ostjerusalem mehr als 700.000 jüdische Siedler, die das Land illegal besetzen und die Arbeitskraft der Palästinenser unter horrenden Bedingungen ausbeuten.
Auch die Flüchtlingsfrage ist auf kapitalistischer Basis unlösbar. Auf den Grundstücken der Vertriebenen der Nakba leben heute Israelis, stehen israelische Firmen oder es wird Landwirtschaft betrieben. Nur die Enteignung der großen Konzerne und des Grund und Bodens sowie ein umfassendes öffentliches Wohnbauprogramm kann in dieser Frage Gerechtigkeit herstellen.
Es gibt keinen überlebensfähigen palästinensischen Staat und es wird nie einen geben, solange der israelische Kapitalismus existiert. Internationaler Druck und „Friedens“-Verträge können nur den unerträglichen Status quo vorübergehend aufrechterhalten, während die nächste, größere Katastrophe vorbereitet wird, wie der Krieg des letzten Jahres zeigt.
Angesichts dieser Tatsachen kämpfen revolutionäre Kommunisten für eine sozialistische Revolution gegen den Kapitalismus im gesamten Nahen Osten. Durch den gemeinsamen Kampf der palästinensischen Massen mit den starken Arbeiterklassen in den umliegenden Ländern können die reaktionären Regime gestürzt und der Imperialismus aus der Region vertrieben werden. Auch Israel ist eine Klassengesellschaft und eine starke revolutionäre Bewegung kann der jüdischen Arbeiterklasse eine Perspektive abseits des Zionismus geben und so die Militärmaschine an Klassenlinien spalten.
Durch die Errichtung einer sozialistischen Föderation im Nahen Osten werden die riesigen Ressourcen der Region und der Reichtum der Eliten verwendet werden, um eine harmonische demokratische Planwirtschaft aufzubauen. Das wird es ermöglichen, den Lebensstandard massiv anzuheben. Nur so kann die religiöse und nationale Spaltung absterben, die der Imperialismus gesät hat.
(Funke Nr. 226/30.08.2024)