Beinahe die Hälfte der Gemeinden in Österreich kann den Gemeindebetrieb nicht aus den laufenden Einnahmen finanzieren. Die Inflation lässt die Ausgaben explodieren und die schwache Wirtschaft drückt die Einnahmen der Kommunalsteuer. Von Christoph Pechtl.
Die drohende Zahlungsunfähigkeit vieler Gemeinden wurde durch den Finanzausgleich einzementiert, weil der Bund den Gemeinden real weniger Geld zur Verfügung stellt.
Bruck an der Mur verhängte bereits eine sogenannte „Haushaltssperre“. Die Stadt könnte die Darlehen und Zinsen sonst nicht mehr zahlen. Was trotz Haushaltssperre weitergezahlt wird, sind natürlich die “gesetzlichen Verpflichtungen” gegenüber Banken. So bestimmt in Österreich nicht der Gemeinderat, sondern das Finanzkapital, ob Kindergärten und Infrastruktur aufrechterhalten werden oder nicht.
Graz: wie es in den Gemeinden wirklich zugeht
In Graz zeigt sich die zugespitzte Situation besonders deutlich. Zusätzlich zu den allgemeinen Problemen der Gemeinden hinterließ die ÖVP-FPÖ Regierung der KPÖ Stadtregierung in Graz einen undurchsichtigen finanziellen Scherbenhaufen mit 1,68 Mrd.€ Schulden.
Im Zentrum steht dabei die Unternehmensfinanzierungsgesellschaft“ (GUF), ein Tochterunternehmen der Holding Graz GmbH, an die die kommunalen Dienstleistungen ausgelagert wurden. Die GUF steuert Geldflüsse der Stadt und der ausgelagerten Betriebe und wickelt deren Kreditgeschäfte ab. Die GUF nahm über Jahre Schulden für die Stadt auf, verschob Millionenbeträge zwischen Stadt und Holding-Unternehmen und weitete eigenmächtig sein Handlungsfeld aus.
Eine Kontrolle davon war beinahe unmöglich, wohin das Geld wirklich floss ist oft unklar. Der Gemeinderat wusste teilweise nichts, aber haftete mit Millionenbeträgen für den GUF. Der Geschäftsführer der GUF war bis 2022 ebenfalls der Finanzstadtrat. Eine Zeit lang war selbst der 2. Geschäftsführer der GUF parallel Geschäftsführer der Holding Graz. So schob sich bspw. ein Ex-Raiffeisenbanker, der vom Ex-ÖVP Bürgermeister persönlich in das Amt gehoben worden sein soll, zwischen seinen verschiedenen Funktionen Geld hin und her. Dabei machte er immer neue Schulden auf Kosten der Stadt ohne dass der Gemeinderat dies wusste.
KPÖ: kampflos in die Sparkatstrophe
Die KPÖ steht dem Chaos der Stadtfinanzen perspektivlos gegenüber. Die Bürgerlichen versuchen seit Tag 1 der Regierung die KPÖ damit zur Aufgabe ihres Reformprogramms zu zwingen. Die KPÖ versuchte jedoch bisher, die bürgerlichen Parteien zu befrieden. So gab sie bspw. die Forderung nach einer Rekommunalisierung der Holding auf. Die Hoffnung war, Teile des Reformprogramms durch solche faulen Kompromisse zu retten.
Wahlversprechen wie das Einfrieren der Kanal- und Müllgebühren sind längst aufgegeben. Unter dem ironischen Titel “Kommunales Plus” wurden bereits 7 Mio. Euro eingespart. Nun müssen sämtliche Abteilungen im laufenden Finanzbetrieb im Durchschnitt weitere 7,5% einsparen. Das macht etwa 13,5 Mio.€ Kürzungen aus. Wo genau gespart wird, ist bisher unklar, doch Finanzstadtrat Eber (KPÖ) kündigt bereits an: „weitere Sparmaßnahmen sind nicht auszuschließen“(Kleine Zeitung 12.7.).
Das ist ein Fehler. Anstatt das Diktat der Finanzmärkte zu akzeptieren und die unverschuldete Schuldknechtschaft der Grazer Bevölkerung hinzunehmen, bräuchte es eine Kampagne, die für die Streichung dieser Schulden kämpft. Die KPÖ muss offenlegen, was wirklich hinter dem Finanzchaos der Stadt steht. Wo sind die Gelder der Stadt tatsächlich hingeflossen und wer waren die Profiteure dieser Freunderlwirtschaft? Die wichtigsten Verbündeten sind dabei die Holdingmitarbeiter selbst. Die KPÖ sagt, man muss den Moloch Holding Graz „transparenter“ machen. Doch nur die Beschäftigten der Holdingbetriebe können diese Augiasställe säubern. Dafür braucht es die Öffnung der Geschäftsbücher und die Rekommunalisierung der Betriebe unter Arbeiterkontrolle.
Es wäre eine breitere Kampagne, die sich an die ganze österreichische Arbeiterbewegung wendet und die Probleme aller Gemeinden umfasst angelegt. Dass so eine klassenkämpferische Gemeindepolitik nicht auf dem Plan der KPÖ (wie auch nicht der SPÖ) steht, sieht man am oben genannten Beispiel Bruck an der Mur. “Die Brucker SPÖ hat den Karren an die Wand gefahren, nun muss die Bevölkerung den Kopf hinhalten”, so ein KPÖ-Gemeinderat. Anstatt sich gegenseitig (in Graz und Bruck) vorzuwerfen nicht wirtschaften zu können, wäre es die Aufgabe der Arbeiterparteien, die Gemeindearbeiter in einem Gegenschlag zu organisieren und das Hauptfeuer auf die wahren Verantwortlichen zu lenken, nämlich die Banken und Kapitalgünstlinge, die sich aus den Gemeindeschulden eine goldene Nase verdienen!
(Funke Nr. 226/30.08.2024)