1948 wurde das palästinensische Volk von zionistischen Milizen gewaltsam aus seiner Heimat vertrieben, ein Ereignis, das im kollektiven Gedächtnis als Nakba („Katastrophe“) verankert ist. Der Zionismus hatte eine derartige Entwicklung immer angestrebt, und alle echten revolutionären Kommunisten hatten stets die zionistische Ideologie abgelehnt. Warum gab Stalin dann die Forderung eines gemeinsamen Staates für Juden wie Araber auf und sprach sich 1947 für die Teilung Palästinas mit der darauffolgenden Gründung eines eigenständigen jüdischen Staates aus?
Lenin stellte sich strikt gegen die reaktionäre Ideologie des Zionismus. Er verstand, dass das zionistische Vorhaben nur auf Kosten des palästinensischen Volkes erreicht werden konnte. Auf dem Zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale 1920 wurde in den von Lenin skizzierten Thesen über die nationale und koloniale Frage festgehalten:
„Die Palästina-Affäre der Zionisten kann als ein besonders schwerwiegendes Beispiel für die Täuschung der Arbeiterklassen dieser unterdrückten Nation durch den Entente-Imperialismus und die Bourgeoisie des betreffenden Landes charakterisiert werden (so wie der Zionismus im allgemeinen die arabische Arbeiterklasse Palästinas, in der die jüdischen Arbeiter nur eine Minderheit bilden, unter dem Deckmantel der Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina in Wirklichkeit der Ausbeutung durch England ausliefert).“
Es stellt sich also die Frage, warum Stalin eine Position einnahm, die jener von Lenin diametral entgegengesetzt war? Stalin spielte tatsächlich eine zentrale Rolle dabei, dass die berüchtigte UN-Resolution von 1947, die die Teilung Palästinas vorsah, mit der in der UN-Vollversammlung notwendigen Zweidrittelmehrheit angenommen wurde.
Die heutigen Verfechter Stalins würden es vorziehen, wenn wir diese Fakten vergessen und begraben würden. Sie würden gerne das Märchen weitererzählen, dass sie, die Stalinisten, immer schon den Zionismus bekämpft hätten. Andere haben versucht, eine Rechtfertigung für Stalins Verrat der in den ersten vier Kongressen der Kommunistischen Internationale festgelegten elementaren Prinzipien zu finden.
Zu ihrem Pech lassen sich historische Fakten nur schwer auszuradieren, und die Wahrheit ist konkret. Keine noch so verworrenen Argumente können Stalins Handlungen rechtfertigen. Wir müssen genauer betrachten, wie und warum es zu dieser völligen Abkehr von Lenins Position kam und wie dieses zentrale Ereignis kommunistische Parteien, insbesondere im Nahen Osten, beeinflusste.
In den Jahren zuvor war die offizielle sowjetische Position stets eine der Ablehnung der Gründung eines jüdischen Staates in Palästina gewesen. Die sowjetische Regierung hielt die Forderung eines gemeinsamen Staates für beide Völker aufrecht und die kommunistischen Parteien im Nahen Ostens, wie die kommunistischen Parteien auf der ganzen Welt, stellten sich öffentlich gegen das Projekt der zionistischen Staatengründung.
Trotz alledem kam es während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als einmal zu Treffen zwischen hochrangigen sowjetischen Diplomaten und führenden Vertretern der zionistischen Bewegung, bei denen sie ihre Unterstützung – oder zumindest ihre Sympathie – für die Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina zum Ausdruck brachten. Es war klar, dass sich die Politik der Sowjetregierung hinter den Kulissen zu verändern begann.
Die Aufzeichnungen zeigen, dass bereits 1940, also kurz nach dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939, der die Aufteilung Polens zwischen Deutschland und der Sowjetunion besiegelte, sich bereits etwas in diese Richtung bewegte. Aufgrund der großen jüdischen Bevölkerung in Polen befand sich nun eine große Zahl polnischer Juden unter sowjetischem Einfluss. Die zionistischen Anführer sahen darin eine Gelegenheit für eine größere Auswanderung von Juden nach Palästina.
In seinem Text Moscow’s Surprise: The Soviet-Israeli Alliance of 1947-1949 gibt Laurent Rucker, unter Verwendung von sowjetischem Archivmaterial, interessante Details über den Kontakt zwischen sowjetischen Diplomaten und wichtigen zionistischen Führern. Die Quelle für die Einzelheiten dieser Treffen stammen aus den offiziellen Dokumenten über die sowjetisch-israelischen Beziehungen („Sovetsko-Izrail’skie otnoshenia. Sbornik Dokumentov 1941-1953 (SIO) (Moskva: Mezhdunarodnye Otnoshenia, 2000), vol. 1, pp. 15-17“).
Sehr aufschlussreich war dabei ein Treffen, das im Jänner 1941 zwischen Chaim Weizmann, dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation, und Ivan Maisky, dem sowjetischen Botschafter in Großbritannien, stattfand. Rucker schreibt:
„… Weizmann brachte die Zukunft Palästinas ins Spiel. Maisky erklärte, dass es einen Bevölkerungsaustausch in Palästina geben werde müssen, um Juden aus Europa anzusiedeln. Weizmann antwortete, dass wenn eine halbe Million Araber umgesiedelt werden könnte, zwei Millionen Juden an ihrer Stelle angesiedelt werden könnten. Maisky schien von dieser Idee nicht schockiert.“ [Eigene Hervorhebung, eigene Übersetzung]
Rucker führt weiter aus:
„Der katastrophale Wandel in der Position der Sowjetunion nach dem deutschen Einmarsch in die UdSSR nur fünf Monate später gab den Zionisten die Möglichkeit, ihre früheren Kontakte auszubauen. Sie begannen, zwei große Ziele mit mehr Nachdruck zu verfolgen: (1) ein Abkommen mit Moskau, das es polnischen Juden in der Sowjetunion erlauben würde, nach Palästina zu emigrieren, und (2) die anti-zionistischen bolschewistischen Führer davon zu überzeugen, dass die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina ihren Interessen nicht widersprechen würde.“
Dem folgte ein Treffen in London im Oktober 1941 zwischen Maisky und David Ben-Gurion – zu diesem Zeitpunkt Präsident der Jewish Agency for Israel, und später Gründer der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte sowie Israels erster Premierminister. 1943 traf sich Maisky erneut mit Weizmann, um ihm zu versichern, dass die Sowjetregierung die Ziele der Zionisten verstand und sie „sicherlich unterstützen werde“ (Rucker). Maisky besuchte sogar Palästina und traf Ben-Gurion, und er schien sichtlich beeindruckt davon, was die Zionisten dort aufbauten.
Wie wir sehen können, zog Moskau bereits die Möglichkeit in Betracht, die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina zu unterstützen, welche zwangsläufig die Vertreibung einer halben Million Palästinenser aus ihrer Heimat bedeuten würde. Dies wurde allerdings nicht öffentlich kundgetan. Die offizielle Haltung blieb die der Ablehnung eines rein jüdischen Staats und der Unterstützung für einen einzigen, binationalen Staat.
1943 löste Stalin die Kommunistische Internationale auf, da er schon lange die Perspektive einer Weltrevolution aufgegeben und daher keine Verwendung für die Internationale mehr hatte. Inmitten des Zweiten Weltkriegs war dieser Akt auch eine Geste, um seine damaligen Verbündeten im Westen, Churchill und Roosevelt, zu beruhigen.
In der Palästina-Frage verhielt sich das Stalin-Regime genauso, wobei die sowjetische Außenpolitik vollständig hinter dem Rücken der kommunistischen Parteien betrieben wurde. Die Treffen zwischen sowjetischen Diplomaten und führenden Schlüsselfiguren der zionistischen Bewegung waren daher sowohl der Basis als auch den Führungen der jeweiligen Parteien komplett unbekannt.
Die Rede von Gromyko in der UNO 1947
Palästina stand damals unter britischem Mandat. Doch Großbritannien als Weltmacht befand sich auf dem absteigenden Ast und sah sich mit dem Verlust seines Kolonialreiches konfrontiert. Es konnte seine militärische Präsenz in Palästina nicht länger aufrechterhalten und wurde von den lokalen Zionisten sogar als Feind betrachtet, nachdem deren Ziel der Errichtung eines jüdischen Staates mit den damaligen Interessen des britischen Imperialismus in Konflikt stand.
Großbritannien machte zu verschiedenen Zeitpunkten Andeutungen, die so interpretiert werden konnten, dass es Palästina sowohl den Arabern als auch den Juden versprach. Das entsprach ganz der bewährten Methode „teile und herrsche“. Der britische Imperialismus widersetzte sich tatsächlich der Gründung eines getrennten jüdischen Staates. Doch nicht aus irgendeiner Nächstenliebe den Palästinensern gegenüber. Das Hauptinteresse Großbritanniens lag vielmehr darin, freundliche Beziehungen mit den ölreichen arabischen Regierungen der Region aufzubauen. Doch am Ende des Zweiten Weltkriegs lag die Macht, über das Schicksal Palästina zu entscheiden, bei Washington – zusammen mit der Unterstützung Moskaus – und nicht bei London.
Das erklärt, warum die britische Regierung im Februar 1947 beschloss, ihr Mandat aufzulösen und die Aufgabe, den zukünftigen Status des Territoriums festzulegen, an die neu gegründeten Vereinten Nationen (UN) abgab.
In diesem Kontext hielt Andrei Gromyko, der UN-Vertreter der Sowjetunion, seine wichtige Rede in der UN-Vollversammlung am 14. Mai 1947. Der Inhalt dieser Rede schockierte Millionen von Kommunisten, die den unterschiedlichsten offiziellen Kommunistischen Parteien angehörten. Besonders erschüttert waren die kommunistischen Parteimitglieder in der arabischen Welt.
Die Rede behandelte die Frage der Einsetzung eines UN-Sonderausschusses für Palästina. Gromyko sprach lange und betonte die Notlage der vielen vertriebener Juden in Europa am Ende des Zweiten Weltkriegs. Er bereitete eindeutig vor, was im selben Jahr noch folgen sollte.
In seiner Rede erklärte Gromyko:
„Die Tatsache, dass kein westeuropäischer Staat in der Lage gewesen ist, die Verteidigung der elementaren Rechte der jüdischen Bevölkerung sicherzustellen und sie gegen die Gewalt der faschistischen Henker zu schützen, erklärt die Bestrebungen der Juden, ihren eigenen Staat zu gründen. Es wäre ungerecht, dies nicht in Betracht zu ziehen und dem jüdischen Volk das Recht, diese Bestrebung zu realisieren, abzusprechen. Es wäre unvertretbar, dem jüdischen Volk dieses Recht abzusprechen, besonders in Hinblick auf all das, was es während dem Zweiten Weltkrieg erlitten hat.“ (eigene Hervorhebung)
Er fuhr dann mit der Auflistung von vier möglichen Szenarios für die Lösung der Palästina-Frage fort:
„1. Die Gründung eines einzigen arabisch-jüdischen Staates, mit gleichen Rechten für Araber und Juden;
2. Die Teilung Palästinas in zwei unabhängige Staaten, einen arabischen und einen jüdischen;
3. Die Gründung eines arabischen Staates in Palästina, ohne Rücksicht auf die Rechte der jüdischen Bevölkerung;
4. Die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina, ohne Rücksicht auf die Rechte der arabischen Bevölkerung.“ (eigene Hervorhebung)
In seinen Schlussworten hielt er fest, dass „ein unabhängiger, dualer, demokratischer, homogener arabisch-jüdischer Staat“ der einzige Weg wäre, um die Rechte sowohl der jüdischen als auch der palästinensischen Bevölkerung sicherzustellen. Jedoch fügte er hinzu, dass, sollte dies sich als unmöglich erweisen, „die Teilung Palästinas in zwei unabhängige Staaten, einen jüdischen und einen arabischen“, in Betracht gezogen werden müsse.
Wie sich im weiteren Verlauf der Geschichte zeigt, bereitete diese Rede tatsächlich den Boden für die volle Unterstützung der Sowjetunion für das zionistischen Vorhaben der Vertreibung hunderttausender Palästinenser aus ihrer Heimat und der Gründung Israels. Das war faktisch die Umsetzung dessen, was Maisky nur einige Jahre zuvor mit führenden Zionisten besprochen hatte. Doch noch viel wichtiger war, dass sich die Worte mit den harten Fakten deckten. Zwischen 1947 und 1949 unterstütze die Sowjetunion die Zionisten in jederlei Hinsicht, politisch und militärisch, und sogar durch die Erleichterung der Migration von osteuropäischen Juden nach Israel.
Ein Mitglied der sowjetischen UN-Delegation, S. Tsarapkin, hielt in der UNO am 13. Oktober 1947 eine Rede, in der er noch weiter ging als Gromyko und öffentlich die Unterstützung der Sowjetunion für die Teilung Palästinas erklärte. Wie Rucker schreibt: „Die UdSSR wurde ein leidenschaftlicher Unterstützer des zionistischen Anliegens“.
Die UdSSR stimmt für die Gründung Israels
Im darauffolgenden Monat, am 29. November 1947, stimmte die UdSSR für die Teilung Palästinas. Resolution 181 wurde in der UN-Vollversammlung mit 33 Stimmen dafür, 13 dagegen und 10 Enthaltungen verabschiedet. Um mehr hätten die Zionisten Stalin nicht bitten können!
Es muss daran erinnert werden, dass eine solche UN-Resolution eine Zweidrittelmehrheit in der Vollversammlung benötigte, um rechtskräftig zu werden. Stalin kontrollierte damals neben der UdSSR auch Weißrussland, die Ukraine, Polen und die Tschechoslowakei – wovon alle damals UN-Mitglieder mit Stimmrecht waren und wovon alle für die Teilung stimmten. Hätten diese fünf Länder gegen die Teilung gestimmt, wäre die Wahl mit 28 Stimmen dafür, 18 dagegen und 10 Enthaltungen ausgegangen. Die Resolution wäre also gescheitert. An dieser Tatsache führt kein Weg vorbei!
Was dann geschah ist hinlänglich bekannt. Die arabischen Länder weigerten sich, die UN-Resolution anzuerkennen; die zionistischen Streitkräfte füllten das Vakuum mit einer Terrorkampagne gegen die Palästinenser mit dem Ziel, sie zu vertreiben und Israel zu gründen, und es kam zum Krieg mit dem im Entstehen begriffenen jüdischen Staat. Dabei wurden 700.000 Palästinenser „ethnisch gesäubert“, um einen beschönigenden Begriff für die brutale und blutige Vertreibung eines ganzen Volkes aus seiner Heimat zu verwenden. Der gegenwärtige völkermörderische Angriff Israels auf Gaza hat seine Wurzeln in diesen tragischen Ereignissen.
Die Sowjetunion unterstützte die Zionisten nicht nur, indem sie für die UN-Resolution stimmten. Sie lieferten auch Waffen, wenn auch indirekt über einen ihrer Satellitenstaaten. Stalin erlaubte es der Tschechoslowakei 1948, schwere Waffen an die neu gegründete israelische Armee zu liefern. Ab Ende 1947 und während 1948 kauften die Zionisten und die Jewish Agency in Palästina Waffen im Wert von 22 Mio. USD von der Tschechoslowakei. Heute entspricht das einer Viertelmilliarde US-Dollar. Gleichzeitig blockierte die UdSSR die tschechoslowakische Regierung bei geplanten Waffenverkäufen an Araber.
Viele Jahre später, 1968, gab Ben-Gurion in Erinnerung an die Hilfe der UdSSR und der Tschechoslowakei zu: „Sie retteten das Land; daran habe ich keine Zweifel. Das tschechische Waffengeschäft war die größte Hilfe, die wir hatten, es rettete uns und ich bezweifle sehr, ob wir ohne es den ersten Monat überlebt hätten.“ (Uri Bialer, Between East and West: Israel’s Foreign Policy Orientation, 1948-1956, Cambridge University Press, 1990. Eigene Übersetzung)
Die Sowjetunion half auch durch die Erleichterung der Migration von Juden aus Osteuropa schon vor 1948, mit vielen Auswanderern aus Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Tschechoslowakei. Die mit den Zionisten geschaffenen Verbindungen waren so stark, dass die UdSSR das erste Land war, das den Staat Israel anerkannte, nachdem Ben-Gurion den Staat im Mai 1948 proklamiert hatte. In einem Telegramm vom 17. Mai 1948 an Shertok, den Außenminister der provisorischen Regierung Israels, schrieb Molotov, der sowjetische Außenminister und Stalins engster Verbündeter:
„Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass die Regierung der UdSSR die offizielle Anerkennung des Staates Israels und seiner provisorischen Regierung beschlossen hat. Die sowjetische Regierung glaubt, dass die Gründung eines unabhängigen Staates durch das jüdische Volk dem Anliegen der Stärkung von Frieden und Sicherheit in Palästina und im Nahen Osten dienen wird und drückt ihre Zuversicht aus, dass sich freundliche Beziehungen zwischen der UdSSR und dem Staat Israel erfolgreich entwickeln werden.“ (eigene Hervorhebung)
„Friede und Sicherheit“ waren die letzten Dinge, die die Staatsgründung Israels garantierte. Aber Stalins Zynismus ging noch weiter, als im Dezember 1948 die UN-Resolution 194-III präsentiert wurde. Die Resolution stellte das Recht palästinensischer Flüchtlinge fest, entweder in ihre Häuser zurückkehren zu können oder Entschädigung für Verlust oder Schaden an ihrem Eigentum zu erhalten. Die Sowjetunion und ihre osteuropäischen Satelliten stimmten alle dagegen, während der US- und britische Imperialismus dafür stimmten!
Natürlich wurde nie etwas Konkretes von irgendeiner der Mächte, die für die Resolution stimmten, unternommen, um sie durchzusetzen. Als Israel 1949 endlich Mitglied der UNO werden durfte, war eine der Bedingungen die Zustimmung zur Umsetzung der Resolution 194. Einer der israelischen Vertreter stimmte dem in Worten zu, woraufhin Israel die Resolution mit dem Argument, dass Menschen, die flüchteten und ihr Eigentum zurückgelassen hatten, kein Recht auf Entschädigung besaßen, weiterhin ignorierte. 1950 wurde das berüchtigte Gesetz über das Eigentum Abwesender implementierte, um die Häuser aller vertriebenen Palästinenser in direktem Verstoß der UN-Resolution zu enteignen. Die Sowjetunion war so an ihre pro-zionistische Position gebunden, dass sie sich weigerte, sich auch nur ansatzweise für die Rechte der palästinensischen Flüchtigen einzusetzen, die brutal aus ihrer Heimat vertrieben worden waren.
Warum Stalin die Teilung unterstützte
Was wir bis jetzt angeführt haben, sind die Fakten. Aber was wir uns fragen müssen, ist, warum Stalin eine solche Politik betrieb? Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn wir zuerst verstehen, dass Stalin sich nicht von den Interessen der internationalen Arbeiterklasse leiten ließ. Seine Entscheidungen wurden nicht von einer revolutionären Perspektive für den Sturz des kapitalistischen Systems bestimmt. Seine Handlungen wurden nicht davon bestimmt, was das Beste für die sozialistischen Weltevolution war. Seine Interessen waren viel begrenzter.
Sein Denken war von den nationalen Interessen der Bürokratie bestimmt, die die Macht der Arbeiterklasse in der Sowjetunion an sich gerissen hatte und das Rückgrat von Stalins Regime ausmachte. Dieser Prozess der Degeneration der Revolution – aufgrund seiner Isolation in einem einzelnen, unterentwickelten Land – wurde von Trotzki in seinem Klassiker Die verratene Revolution sehr gut beschrieben.
Das erklärt, wie die stalinistisch geführte Sowjetunion 1947 auf einer Seite mit sowohl dem US-Imperialismus als auch den Zionisten stehen konnte. Die USA hatten ihrerseits ein Interesse an der Gründung eines jüdischen Staates in Israel, weil sie darin einen Weg sahen, die Briten aus dem Nahen Osten zu verdrängen und ihre Stellung als dominante Macht in dieser wichtigen und ölreichen Region einzunehmen. Stalin sah die Juden in Palästina auch als einen nützlichen Hebel, um den britischen Imperialismus zu schwächen, während er darauf hoffte, so einen Stützpunkt für die UdSSR im Mittelmeer errichten zu können.
Stalin wird von seinen Anhängern als ein großer Stratege dargestellt, und diejenigen in der kommunistischen Bewegung, die versuchen, seine damalige Politik in Palästina zu rechtfertigen, tun dies, indem sie versuchen zu zeigen, dass eine Art „intelligenter“ Plan hinter der ganzen Sache stecken würde. Doch die Wahrheit ist, dass, weil Stalin keine Perspektive für eine sozialistische Transformation des Nahen Ostens hatte, seine beste Option die Aussicht auf einen Sowjet-freundlichen jüdischen Staat in Israel war, d.h. ein kapitalistisches Israel mit freundlichen Beziehungen zur UdSSR.
All das hatte nichts Kluges an sich. In einem 1989 in Diplomatic History publizierten Aufsatz mit dem Titel Intelligence, Espionage, and Cold War Origins erklärt John Lewis Gaddis:
„Was oft über Stalin vergessen wird, ist, dass er, auf seine Art, mit den Amerikanern und den Briten ‚befreundet‘ bleiben wollte: Sein Ziel war die Sicherung seines Regimes und des Staates, den er regierte, nicht die Herbeiführung der lang erwarteten proletarischen Revolution; er hoffte, dies mit dem Mittel eines kurzen Krieges und vorzugsweise mit der Unterstützung des Westens, zu erreichen.“ (eigene Hervorhebung)
Gaddis gilt als Experte in der Geschichte des Kalten Krieges und schreibt aus der Sicht der Interessen des US-Imperialismus. Seine Beurteilung von Stalin bestätigt unser Verständnis dessen, was Stalin bewegte. Seit er die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ kurz nach dem Tod Lenins 1924 übernahm, repräsentierte sein Denken die Interessen der konservativen Bürokratie und nicht jener der weltweiten Arbeiterklasse. Die Bürokratie bestand aus vielen nicht-kommunistischen Elementen – viele waren der Partei beigetreten, um ihre eigenen Karrieren zu fördern. In diesem Prozess hatten sie materielle Privilegien erworben und wünschten sich ein ruhiges Leben, in dem sie diese Privilegien genießen konnten. Die Weltrevolution war das letzte, was sie wollten.
Die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ entsprach auch einer wachsenden nationalistischen Einstellung der großrussischen Bürokratie. Sie betrachteten die Sowjetunion und ihre Planwirtschaft nicht als einen Vorposten der proletarischen Weltrevolution, sondern als das Mittel, um ihre eigenen materiellen Interessen als Kaste zu verteidigen. Sie identifizierten die „nationalen Interessen“ Russlands auf begrenzte nationalistische Weise mit ihren eigenen Interessen anstatt mit dem Kampf für eine neue weltweite sozialistische Gesellschaft, die die Bolschewiki unter Lenin angestrebt hatten. Und von diesen Interessen wurde die Politik der Sowjetunion im Nahen Osten bestimmt.
Anfangs glaubte Stalin, dass eine Abmachung zwischen den Großmächten erzielt und aufrechterhalten werden könnte, nach welcher jede Großmacht ihre Einflusssphäre bekommen und jede Großmacht die Interessen der anderen respektieren würde. In diesem Kontext glaubte er, dass Israel ein Verbündeter der Sowjetunion werden könnte. So viel zur „intelligenten“ Politik Stalins! Innerhalb einer sehr kurzen Zeit wurde überdeutlich, dass Israel zu einem wichtigen Verbündeten des US-Imperialismus in der Region wurde.
Viele der Gründer Israels versuchten, sich als „sozialistisch“ darzustellen, wobei Ben-Gurion selbst das beste Beispiel dafür ist. In den frühen Tagen der Gründung Israels spielte der Staat, und auch der mit dem Staat eng verknüpfte Gewerkschaftsbund Histadrut, eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Wirtschaft, indem sie die Festigung einer anfangs sehr schwachen israelischen Kapitalistenklasse förderten. All das wurde verwendet, um den Mythos zu verbreiten, dass Israel eine Art „sozialistisches Experiment“ wäre. Unter den Juden Osteuropas gab es starke sozialistische Traditionen und viele der in Israel ankommenden jüdischen Migranten kamen aus einem solchen Hintergrund. Die Kibbuzim – Siedlungen rund um kollektiv bewirtschaftete Bauernhöfe – wurden als Beispiel sozialistischer Organisation präsentiert. Auf ihrem Höhepunkt stellten sie einen signifikanten Anteil an der landwirtschaftlichen und sogar industriellen Produktion mit hunderten von Kibbuz-Fabriken.
Die Idee, dass Israel ein „sozialistisches Experiment“ sein könnte, ignoriert die Tatsache, dass die Kibbuzim oft nur bewaffnete Außenposten Israels waren und so eine wichtige Rolle in der Kolonisierung des Landes spielten, das vormals Palästinensern gehört hatte. Es war, wie manche es beschrieben, „Sozialismus nur für die Juden, nicht für die Araber“.
Auf diese Weise lässt sich der Sozialismus nicht errichten. Der Sozialismus kommt entweder von einer vereinten Bewegung der gesamten Arbeiterklasse – in diesem Fall sowohl der jüdischen wie der palästinensischen – oder er stellt sich als bloßer Umhang und Hilfsmittel der Unterdrückung eines Teils der Gesellschaft durch einen anderen heraus, letztlich zum Vorteil der Kapitalistenklasse. Was hier aufgebaut wurde, war der Kapitalismus, und gerade wegen seiner Isolation und unterdrückerischen Natur wurde er bald zu einem fest verankerten Vorposten des Imperialismus im Nahen Osten. Das erklärt auch, warum das mächtigste imperialistische Land auf diesem Planeten nie ein Problem mit dieser Art „Sozialismus“ hatte.
Die verheerenden Auswirkungen auf die kommunistischen Parteien im Nahen Osten
Wie zu erwarten war, hatte die Entscheidung Stalins, die Teilung Palästinas und die Gründung Israels zu unterstützen, verheerende Folgen auf die kommunistischen Parteien der Region. Wie Mohammed Shafi Agwani, ein indischer Professor, in seinem Buch Communism in the Arab East (London, 1969) schrieb:
„Die überstürzte Entscheidung der Sowjetunion, sich hinter die Teilung zu stellen, überwältigte daher die palästinensischen Kommunisten… der drastische Wandel in der sowjetischen Haltung – erst den Zionismus als „imperialistische Verschwörung“ anzuprangern, dann ihm seine grundlegende Forderung zuzugestehen – versetzte nicht nur den palästinensischen Kommunisten, sondern allen Arabern einen schweren Schlag. (…)
Was auch immer der Grund für die sowjetischen Kehrtwende war, es war selbst für die einfallsreichsten unter den Kommunisten keine einfache Aufgabe, sie ideologisch zu unterstützen. Aber sobald die Sowjetunion einmal ihre Position in unmissverständlichen Worten dargelegt hatte, hatten die Kommunisten keine Wahl als sich ihr anzupassen.“
Die stalinistische bürokratische Degeneration der Sowjetunion – ein Prozess, der Mitte bis Ende der 1920er begonnen hatte und in den 1930er Jahren mit den stalinistischen Säuberungen vollendet worden war – führte auch dazu, dass sich die Kommunistische Internationale selbst von einer echten Organisation der Weltrevolution in eine komplett von der Sowjetregierung kontrollierte Organisation wandelte. Die Sowjetunion diktierte ihre Linie, mitsamt all ihrer unerklärten Zick-Zacks, bestimmt von den momentanen Bedürfnissen der Bürokratie der UdSSR.
Das bedeutete, dass die gesamte ursprüngliche interne Demokratie der Kommunistischen Internationale aus der Periode der ersten vier Kongresse vernichtet wurde. Andere Meinungen wurden nicht länger toleriert. Eine Linie wurde festgelegt, die einfach befolgt und umgesetzt werden musste. Nachdem die Sowjetunion also einmal für die Teilung Palästinas gestimmt hatte, mussten deshalb die kommunistischen Parteien der Region die neue Position der UdSSR verteidigen. Aber wie Agwami erklärt:
„… die arabischen Kommunisten hatten es ungeheuer schwer, ihren Anhängern die Gründe für die sowjetischen Haltung zu erklären. (…) Die Kommunisten kamen aus diesem letzten Akt der palästinensischen Tragödie schwer gezeichnet und angeschlagen hervor, moralisch wie politisch. In den Reihen der Kommunisten herrschte akute Verwirrung.“
Das führte zu einer tragischen Situation, in der jüdische und palästinensische Kommunisten auf gegenüberliegenden Seiten des Krieges, der der Staatsgründung Israels folgte, kämpften, wobei erstere tatsächlich Israels „Verteidigungskrieg“ unterstützten. Im Irak organisierten lokale Kommunisten, in loyaler Unterstützung von Stalins Position, Demonstrationen für die UN-Teilungsresolution und riefen zur Zusammenarbeit mit den „demokratischen Mächten“ in Israel auf! Jene arabischen Kommunisten wiederum, die den Mut besaßen, mit Stalins Linie zu brechen, traten dem Krieg gegen Israel bei. Kommunisten landeten daher auf gegenüberliegenden Seiten der Barrikaden eines bewaffneten Konflikts.
Im Frühjahr 1944, kurz nach der offiziellen Auflösung der Kommunistischen Internationale (1943), spaltete sich die Palästinensische Kommunistische Partei entlang ethnischer Linien, wobei die Palästinenser die arabische „Liga der nationalen Befreiung“ (LNL, Leage of National Liberation) gründeten.
Die LNL lehnte die Teilung Palästinas ab, befürwortete allerdings die Gewährung der palästinensischen Staatsbürgerschaft für alle, die in das Land eingewandert waren. Kurz nachdem Gromyko seine berüchtigte Rede im Mai 1947 gehalten hatte, schrieb Emil Tuma von der LNL an Moskau und kritisierte die Position der möglichen Unterstützung einer Teilung.
Er erklärte:
„… die Rede hat in der arabischen Welt großen Zweifel und Misstrauen unter den arabischen Massen hervorgerufen, und den arabischen Reaktionären gelang es, die Haltung der Sowjetunion zur Palästina-Frage, die als ein integraler Bestandteil der arabischen Frage im Nahen Osten angesehen wird, in Zweifel zu ziehen (…)
Gromykos Erklärung hat große Mutmaßung unter den Kommunisten hervorgerufen. Sie ist schlecht von den arabischen Massen aufgenommen worden und eine Klärung würde nicht nur den Kommunisten, sondern allen arabischen Völkern im Nahen Osten Hoffnung geben. Das revolutionäre Potenzial in den arabischen Ländern kann in der gegenwärtigen internationalen Situation nicht ignoriert werden.“
Tuma kritisierte Gromyko auch dafür, dass dieser „die arabischen Völker in Palästina, ihre Bestrebungen, ihre anti-imperialistischen nationalen Bewegungen und ihre traditionellen Beziehungen und Bündnisse mit den arabischen Völkern im Nahen Osten völlig ignorierte.“
Tumas Hauptkritik an Gromykos Rede aber war seine offene Unterstützung für die Sache der Zionisten. Er erklärte:
„Wir haben immer gegen die zionistische Auffassung gekämpft und den Zionismus als ein imperialistisches Abenteuer unter Leitung des britischen Imperialismus mit der Absicht, ein trojanisches Pferd im Nahen Osten zu schaffen, gesehen. Aus diesem Grund haben wir die historischen Ansprüche des Zionismus immer als reaktionär verurteilt und die historischen Wurzeln der Juden nicht als realistisch akzeptiert. (…)
Genosse Gromyko hat mit seinen Äußerungen die zionistische Ideologie und den Griff des Zionismus über die jüdischen Massen gestärkt. Eine solche Bekräftigung wird dem Imperialismus helfen, die jüdischen Massen weiterhin als Instrument in seinem Widerstand gegen die Befreiungsbewegungen im Nahen Osten zu verwenden.“ (Moscow’s Surprise: The Soviet-Israeli Alliance of 1947-1949; eigene Übersetzung)
Nach der abgeschlossenen Teilung setzte sich die LNL für eine Kampagne für die Gründung eines palästinensischen Staates gemäß der von der UN-Vollversammlung im November 1947 verabschiedeten Teilungsresolution ein.
Dieses Ziel sollte jedoch nie erreicht werden, da der Ausgang des Krieges 1949 bedeutete, dass das heutige Westjordanland an Jordanien angegliedert wurde, während Gaza unter ägyptische Verwaltung gestellt wurde. 1967 wurden diese Territorien dann von Israel besetzt, und sind es bis heute noch. Wir sehen hier, wie sogar Gromykos „zwei unabhängige Staaten“ in Wahrheit einen mächtigen jüdischen Staat bedeuteten und den Palästinensern jede Art von Staatlichkeit verwehrt wurde. Es war seine vierte Option – ein jüdischer Staat ohne Rücksicht auf die Rechte der Palästinenser – die Realität wurde. Es war in jeder Hinsicht ein Verrat am palästinensischen Volk.
Wir müssen es hier deutlich sagen: Stalins Unterstützung für die Gründung Israels erzeugte eine katastrophale Situation für die Kommunisten in Palästina und die kommunistischen Parteien in der ganzen arabischen Welt. Für die Ideen des Kommunismus in der Region stellte sie einen enormen Rückschritt dar.
Und es war nicht nur ein ideologischer Rückschritt. Es gab sogar physische Attacken auf kommunistische Büros in Orten wie Aleppo und Damaskus, und auch die sowjetischen diplomatischen Vertretungen wurden angegriffen. Im Libanon und in Syrien nutzten die Behörden die allgemeine Stimmung, um die kommunistischen Organisationen gesetzlich zu verbieten.
All das schwächte die kommunistischen Parteien, nicht nur ihre politische und moralische Autorität, sondern auch ihre tatsächliche organisatorische Stärke vor Ort. Zwischen August 1947 und Juni 1949 sank die Zahl der Mitglieder der Libanesischen Kommunistischen Partei von 12.000 auf 3.500, während in Syrien die Mitgliederzahl von 8.400 auf 4.500 fiel. Ihre Kräfte wurden also um die Hälfte bis zwei Drittel reduziert.
Im Irak kam es in der ersten Hälfte des Jahres 1948 zu einer revolutionären Welle, die von der Irakischen Kommunistischen Partei angeführt wurde. Die Erklärung des Staates Israel und seine Anerkennung durch die UdSSR im Mai wurde aber von den Behörden ausgenutzt, um das Kriegsrecht zu verhängen, die Bewegung zu zerschlagen und die irakische kommunistische Partei politisch zu isolieren. Deren Führer wurden verhaftet, zum Tode verurteilt und im Februar 1949 hingerichtet. Das ist die tragische Bilanz von Stalins „intelligenter Strategie“.
Die Auswirkungen von Stalins Politik wirkten in der Region noch jahrelang nach. Aber auch die kommunistischen Parteien in vielen anderen Ländern waren davon betroffen. Überall hatten sich die Kommunisten gegen die Teilung Palästinas ausgesprochen, aber als die UdSSR 1947 für die Teilung stimmte, löste das großes Chaos in den eigenen Reihen aus.
Prinzipienlose Wende der kommunistischen Parteien im Westen
Dorothy Zellner – die Tochter von „säkularen, nicht-zionistischen jüdischen Einwanderern und lebenslangen Anhängern der Sowjetunion“ war – beschreibt die Auswirkungen in den USA im Magazin Jewish Currents 2021: „Die kommunistische Linke in den USA war sprachlos.“ Sie beschreibt, wie unter Kommunisten in den USA damals allgemein Verunsicherung herrschte.
Ein anderes Beispiel: Die Italienische Kommunistische Partei (PCI) sprach sich offen für die UN-Teilung Palästinas aus. Ironischerweise nahm die von Alcide de Gasperi geführte christlich-demokratische Regierung zu dem Zeitpunkt eine zweideutige Haltung zur Frage der offiziellen Anerkennung des Staates Israel ein, im Wunsch die Beziehungen mit den arabischen Regimes nicht zu gefährden. Wie in Großbritannien lag das Hauptaugenmerk der italienischen herrschenden Klasse auf der Sicherung der Ölversorgung, die für ihre ökonomischen Interessen nach dem Zweiten Weltkrieg essenziell war. Sie unternahm auch einen letzten verzweifelten Versuch, die Kolonien zu halten, die Italien vor dem Krieg hatte, und hoffte aus diesem Grund auf arabische Unterstützung in der UNO. Die italienische Regierung erkannte Israel daher bis Februar 1949 nicht offiziell an.
Die PCI hingegen gab Israel ihre volle Unterstützung, ganz in Einklang mit der sowjetischen Parteilinie. Es ist sehr aufschlussreich, sich die Publikationen ihrer Parteizeitung, L’Unità, in den Jahren 1946-1948 anzuschauen. Dort werden die Zionisten als Antiimperialisten dargestellt, die für nationale Unabhängigkeit vom britischen Imperialismus kämpfen. In der Ausgabe vom 29. Mai 1948 wird in einer nicht unterzeichneten Erklärung – die allerdings höchstwahrscheinlich vom damaligen Herausgeber der Zeitung, Pietro Ingrao, verfasst wurde – vom „heldenhaften Widerstand der Juden“ („L’eroica resistenza degli ebrei“) geschrieben, während in Wirklichkeit eine groß angelegte ethnische Säuberung der Palästinenser durch den zionistischen Terror stattfand.
Im Leitartikel von L’Unità vom 29. Mai 1948 kritisierte Pietro Ingrao die italienische Regierung, da sie den neu gegründeten Staat Israel nicht anerkannt hatte. Nur zwei Tage zuvor, am 27. Mai, hatte die Parteiführung eine offizielle Stellungnahme veröffentlich, in der sie die sofortige Anerkennung Israels als „einen Ausdruck von internationaler Gerechtigkeit und ein Zeichen der Solidarität mit einem Volk, das heldenhaft seine Existenz verteidigt, heroisch seine Interessen verteidigenden Volk, die gestern noch von den Anhängern Hitlers und heute von den Anführern der westlichen Demokratien bedroht wird“, forderte.
Vor 1947 war die Kommunistische Partei in Großbritannien für einen einzigen Staat in Palästina mit gleichen Rechten für die verschiedenen ethnischen Gruppen eingetreten, die nebeneinander als Teil einer arabischen Föderation leben sollten. Aber auch sie änderten ihre Position, als die Sowjetregierung sich für die Teilung aussprach.
1948 sprach sich die Kommunistische Partei in Großbritannien in ihrer Zeitung, der Daily Worker, für die Gründung eines jüdischen Staates aus. Sie forderte die Umsetzung der UN-Resolution über die Teilung Palästinas. Im Mai 1948 sah sie in der Gründung Israels „einen großen Schritt in Richtung der Erfüllung der Selbstbestimmung der Völker Palästinas“ und „ein großes Zeichen dieser Zeit“ (Daily Worker, 15. Mai 1948). Und sie erklärten die bewaffneten jüdischen Milizen, die in Palästina gegen die britischen Streitkräfte kämpften, zu einem Teil eines anti-imperialistischen Kampfs und stellten fest, dass „die Tage des Imperialismus gezählt sind“ (Daily Worker, 22. Mai 1948).
Als Israel schließlich gegründet wurde, sagten sie, dass es von allen „progressiven Kräften“ verteidigt werden sollte. Und als die arabischen Länder Israel während seines Gründungsprozess angriffen, denunzierte der Daily Worker das als imperialistische Aggression! William Gallacher, Abgeordneter im Parlament der Kommunistischen Partei für den Wahlkreis West Fife, forderte die Anerkennung Israels und empfahl das sofortige Ende aller militärischen Hilfsleistungen an Araber.
All das änderte sich, als die Sowjetunion ihre Position erneut wechselte. Ein paar Jahre später schon beschrieb die Führung des PCI Israel als Brückenkopf des westlichen Imperialismus in der arabischen Welt und die britische Kommunistische Partei entdeckte plötzlich, dass Israel immer ein Werkzeug des US-Imperialismus gewesen war.
Dies alles stand im Einklang mit der sowjetischen Politik, die Anfang der 1950er eine weitere 180-Grad-Wendung vollzog und nun antizionistisch wurde. Im Februar 1953 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Israel abgebrochen, nachdem das berüchtigte „Ärztekomplott“ publik gemacht wurde. Dabei handelte es sich um eine antisemitische Kampagne, die in der Sowjetunion gestartet wurde, als eine Gruppe meist jüdischer Ärzte beschuldigt wurde, ein Attentat auf die sowjetische Führung geplant zu haben.
Wie wir sehen können, waren Stalins „Prinzipien“ in solchen Angelegenheiten äußerst flexibel! Die „Grundsätze“ der Führer der kommunistischen Parteien in der ganzen Welt waren ebenso flexibel und liefen lediglich darauf hinaus, „zu sagen und zu tun, was Stalin sagt“, obwohl es sich als schwierig erweisen konnte, derartig hastig zu handeln. Als Stalin die Gründung Israels unterstützte, sprangen sie kurzerhand in die Bresche. Als er sich völlig in die entgegengesetzte Richtung bewegte, sprangen sie wieder entsprechend.
Zurück zu Lenin!
Das sind nicht die Methoden Lenins oder die der ersten vier Kongresse der Kommunistischen Internationale, die Trotzki als „Schule der revolutionären Strategie“ beschrieb. Es sind die Methoden einer Bürokratie, die die Perspektive der Weltrevolution aufgegeben hatte und nur mehr ihre eigenen begrenzten nationalen Interessen vertrat. Doch damit schwächte sie die kommunistischen Parteien auf Jahrzehnte hinaus und befleckte das Banner des Kommunismus in den Augen der arbeitenden Massen in der Region und auf der ganzen Welt.
Das erklärt, zumindest teilweise, wie der radikale arabische Nationalismus es schaffte, die nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Ländern der Region ausgebrochenen revolutionären Bewegungen zu vereinnahmen. Auch das Entstehen von Phänomenen wie etwa des ‚Ba’ath Sozialismus‘ kann so erklärt werden.
Die Radikalisierung der arabischen Massen durch ihren Kampf gegen den Imperialismus spiegelte sich in einer Vielzahl von Ländern, unter anderem im Irak, in Ägypten und Syrien, in einer – mal aktiveren, mal passiveren – Massenunterstützung für revolutionäre anti-imperialistische Maßnahmen wider. Umgesetzt wurden diese meist von einer Schicht der radikalen Intelligenz und sogar von Offizieren der Armee, die derartige „linke“ nationalistische Ideen zum Ausdruck brachten.
Die Idee einer zentral geplanten Wirtschaft und der Verstaatlichung der Produktionsmittel übte eine Anziehungskraft auf manche der radikaleren Elemente dieser kleinbürgerlichen Schichten aus. Sie sahen, wie die sowjetische Planwirtschaft, trotz ihrer bürokratischen Degeneration, es erlaubt hatte, das Land in eine moderne Industriemacht zu verwandeln. Zudem wurde sie gerade von der Tatsache angezogen, dass in der UdSSR eine privilegierte Bürokratie an der Macht war.
Ironischerweise aber waren die lokalen Kommunisten während dieser ganzen Zeit in vielen Ländern – darunter etwa Ägypten und Syrien – starker Repression ausgesetzt.
Wenn die Sowjetunion und die kommunistischen Parteien des Nahen Ostens die Idee eines Staates für beide Völker konsequent verteidigt und die Sache des palästinensischen Volkes nicht verraten hätten, dann hätten diese Parteien eine Schlüsselrolle in der Region spielen und die Führung der arbeitenden Massen und Jugend übernehmen können.
Diese tragische Episode der Geschichte zeigt deutlich, dass die Ideen, die eine Partei vertritt, die Art, wie sie handelt, und die Positionen, die sie in zentralen Fragen einnimmt, diese Partei entweder stärken oder schwächen können. Gerade darin kann der Unterschied zwischen dem Aufbau oder der Zerstörung der Partei liegen. Stalins Politik im Nahen Osten zwischen 1947 und 1949 schwächte die kommunistischen Parteien massiv und ebnete damit den Weg für entscheidende Niederlagen revolutionärer Bewegungen und den Sieg der Reaktion.
In dieser Periode der Geschichte gab es aber auch Kommunisten, die aus einem anderen Holz geschnitzt waren – echte Kommunisten, die die trotz der brutalen stalinistischen Unterdrückung weiter an den Methoden und Ideen Lenins festhielten. Das waren die Anhänger von Leon Trotzki. In Großbritannien waren sie in der Revolutionary Communist Party (RCP) organisiert. In ihrer Zeitung, Socialist Appeal, vertraten sie einen prinzipiellen Standpunkt. Wir veröffentlichten zwei Artikel aus Socialist Appeal vom November und Dezember 1947, die kurz nach der Verabschiedung der UN-Resolution über die Teilung Palästinas geschrieben wurden. Die Artikel warnten vor den Konsequenzen einer Teilung und kamen zu folgendem Schluss:
„Die Teilung Palästinas ist reaktionär in jeder Hinsicht – weder die jüdischen noch die arabischen Massen haben daraus irgendetwas zu gewinnen. Die Teilung stellt Jude gegen Araber und lenkt den Kampf gegen den Imperialismus in einen Kampf zwischen denen, deren gemeinsamer Feind der Imperialismus ist. Die Teilung spielt den arabischen Landbesitzern und Kapitalisten in die Hände, indem sie die Aufmerksamkeit der arabischen Bauern und Arbeiter von ihren Ausbeutern ablenkt. Die einzige Lösung für das Problem Palästina und den Nahen Osten ist die Zerschlagung der imperialistischen Teilungspläne und der sofortige und komplette Abzug aller Truppen aus Palästina und dem Nahen Osten. In einem geteilten Palästina kann es keine echte Unabhängigkeit oder Sicherheit weder für Juden noch für Araber geben.“
Die Genossen sollten in den folgenden 76 Jahren mehrfach Recht behalten. Seit 1948 haben wir eine Geschichte von blutigen Konflikten miterlebt. Den Palästinensern wird seither ein Heimatland verwehrt, während Israel sich als alles andre als ein sicherer Hafen für Juden erwiesen hat.
Wir stehen auf den Schultern unserer RCP-Genossen von 1947-48, wenn wir heute für ein Heimatland für beide Völker eintreten, das nur die Form eines sozialistischen Staates im ganzen Gebiet des historischen Palästina annehmen und nur innerhalb einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens erreicht werden kann, in der Juden wie Palästinenser dann friedlich auf Basis der sozialistischen Entwicklung der Wirtschaft leben können.