Beim zweiten Streik der „Rider“, also der Fahrradboten, versammelten sich Kollegen vor allem von Lieferando in Graz, Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck und Wien, um sich gemeinsam per Videokonferenz über die Perspektive ihres Arbeitskampfes um einen besseren Kollektivvertrag zu beraten. Von Fabian.
Die Unternehmer bieten derzeit eine Lohnerhöhung von nur 5,8%, während die Gewerkschaften 8,7% fordern. In der Streikversammlung in Wien gab es zu Beginn einen Vortrag des Momentum Instituts, bei dem gezeigt wurde, dass die Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre stets weit unter den Preiserhöhungen lagen, die seit 2020 von den diversen Lieferdiensten an die Kunden verrechnet wurden. Es ist also höchste Zeit, dass zumindest einmal die Inflation abgegolten wird. Aber selbst dafür muss der Arbeitskampf ausgeweitet und verschärft werden.
Die Streikenden waren auch sehr motiviert und kampfbereit, allerdings tat die Gewerkschaft nichts, um dieser Stimmung eine richtige, vorwärtsweisende Perspektive zu geben: Zunächst wurde lang und breit über die Bedeutung der gewerkschaftlichen Organisation referiert (mitsamt Aufforderung zum Beitritt), gefolgt von einer sehr allgemeinen, eher halbherzig moderierten, von technischen und sprachlichen Problemen begleiteten Diskussion darüber, welche Erwartungen man an eine Gewerkschaft stelle und wie man selbst dazu beitragen könne. Gewerkschafter erklärten, dass man einer „sehr schwierigen Ausgangssituation“ gegenüberstehe, weil die Arbeitgeberseite sich unkooperativ zeigt. Die Verhandlungen könnten „noch sehr lange dauern“, und man müsse „realistische Erwartungen“ haben. Keinesfalls dürfe man sich „von Euphorie mitreißen lassen, nur weil man Teil einer Streikbewegung ist“. Die Fragen von Streikenden, welche konkreten Schritte die Gewerkschaft als nächstes geplant habe, wurden grob mit „mehr Streiks und Aktionismus“ beantwortet und darüberhinausgehend „auf später“ verschoben (Spoiler: Es gab kein Später!). Das für die Pause angekündigte Sammeln und Austauschen von Ideen über das weitere Vorgehen wurde ebenfalls kommentarlos übergangen.
Die Atmosphäre erodierte dadurch in kurzer Zeit spürbar von „Lasst uns kämpfen!“ zu „Was wird das hier überhaupt?!“. Wenigstens verbesserten die von der Gewerkschaft verteilten Jausensackerl die eingeschlafene Diskussion etwas, und es bildeten sich zerstreute Gesprächsrunden, in die ich mich einbringen konnte.
Konsens war in diesen Gesprächen der Ärger über die Ausbeutung durch den Lieferservice und die Frustration über den Ansatz der Gewerkschaft. Ich versuchte, eine kommunistische Perspektive einzubringen. Eine Politisierung des Streiks wurde zwar von den meisten abgelehnt, einige Rider waren dennoch interessiert. Es entstanden angeregte Diskussionen, in denen Kommunismus meistens als „schöne, aber unrealistische Utopie“ bezeichnet wurde. Grundsätzliche Einwände rührten fast ausschließlich von persönlichen, negativen Erfahrungen mit „kommunistischen“ Staaten der UdSSR. Dem Funke, den einige Rider kannten, standen die meisten hingegen positiv gegenüber. Zwei Kollegen gaben mir auch ihre Kontaktdaten. Unsere Ortsgruppe der Revolutionären Kommunisten in Favoriten wird sie zu einer Diskussion über ihren Arbeitskampf einladen.
Auch in Innsbruck stießen wir mit unseren Ideen und Konzepten, wie man einen Streik ausweiten kann, auf Interesse. Wir basierten uns auf die Erfahrungen des Teamsters Streik in Minneapolis 1934 und verkauften dazu unsere Sondernummer „Wie einen Streik gewinnen?“. Eins haben diese Versammlungen gezeigt: In dieser extrem ausbeuterischen Branche kommen wir mit dem Versuch, letztlich eine sozialpartnerschaftliche Gewerkschaftsroutine zu etablieren, nicht wirklich weiter. Wir brauchen eine demokratische und kämpferische Gewerkschaft, die sich ganz auf die Initiative der Rider stützt.
(Funke Nr. 224/30.05.2024)