Die Personalvertretungs- und Gewerkschaftswahlen im Wiener Gesundheitsverbund brachten eine Stärkung der sozialpartnerschaftlichen Fraktion FSG. Die Liste Solidarität an der Klinik Ottakring konnte ihren Stimmenanteil in der Personalvertretung nicht halten. Dennoch behaupteten wir uns dort als stärkste Oppositionskraft. Erfreuliche Ergebnisse erzielten wir bei den gleichzeitig stattfindenden wienweiten Gewerkschaftswahlen. Von Martin Gutlederer.
Die Mehrheitsfraktion FSG feierte die seit Jänner geltende Ausweitung der Zulagen als „Beweis, dass die Wiener Sozialpartnerschaft“ funktioniert, und polemisierte im Wahlkampf gegen unser Programm:
„Schaut: Es gibt ja sowas wie einen Wettstreit der Forderungen – 20 % mehr Personal, 32 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich (…) Ist der zu wählen, der am höchsten ansetzt und am lautesten brüllt – oder der, der kontinuierlich, erfolgreich umsetzt und liefert? Uns war klar: Das Personal fehlt von Wien bis Vorarlberg. Wo sollen die 20% herkommen?“ (Aussendung der FSG).
Was die Sozialpartnerschaft der FSG tatsächlich liefert, ist eine hohe Fluktuation in allen patientennahen Berufen. Heute arbeiten in Wiens öffentlichen Spitälern 169 Pflegepersonen weniger als vor Corona. Die Krise im Gesundheitswesen ist ein latenter Zustand geworden. Geldpflaster an die Beschäftigten stabilisieren die Situation nur temporär, da die Bedingungen dazu führen, nicht langfristig im Beruf zu bleiben. Wir beharren darauf: Es braucht eine klassenkämpferische Strategie!
Angesichts der Demobilisierung durch die Gewerkschaftsspitze hat sich am Spital – spezifisch in der Pflege und unter Ärzten – derzeit eine Strategie der Vereinzelung durchgesetzt. Angesichts vieler offener Stellen sucht das Personal das Glück bei anderen Dienstgebern, Stationen, in der individuellen Arbeitszeitverkürzung, oder man tröstet sich in der Mehrarbeit durch die höheren Zulagen. Gerade in der Pflege war die Wahlbeteiligung bei den Personalvertretungswahlen mit 36 % daher extrem niedrig, ein Viertel niedriger noch als im Durchschnitt aller Beschäftigten (45 %). Wir als klassenkämpferischer Zusammenschluss waren bei diesen Wahlen also besonders unter Druck, was wir hier bereits vorab analysierten.
Klientelismus statt Klassenkampf
Die klientelistische Herangehensweise an PV und Gewerkschaft, die die Arbeiterbewegung schwächt, überwiegt zurzeit. Die Gewerkschaftsführung und ihr Apparat fördern das und richten ihre ganze Arbeit danach aus. Einen ähnlichen Zugang dürfte die neue Liste MUT haben. Sie steht öffentlich allein dafür, dass sie „für die Mitarbeiter ist“. MUT stützt sich auf die persönlichen Verbindungen ihrer Kandidaten und hat allerlei Versprechungen gemacht, um ein Engagement zu generieren. Sie erzielte damit bei ihrem ersten Antreten einen großen Wahlerfolg. Die unabhängige ARGE, deren Programm primär gegen „die Roten“ gerichtet ist, wurde massiv geschwächt. Die KIV-UG, die durch einen ständigen Spagat zwischen Opposition und Unterordnung unter die FSG (die der KIV einige Privilegien einräumt) charakterisiert ist, verlor an fast allen Standorten stark. Ihr Profil ist völlig unklar geworden. Der GLB (KPÖ) konnte keine Kandidatur aufstellen.
Gewerkschaft schwächer
Die wienweiten Wahlen zur Gewerkschaft, wo auch Auszubildende stimmberechtigt sind, offenbarten die Krise des Sektors. Seit 2014 gibt es 4957 weniger Gewerkschaftsmitglieder in der younion Hauptgruppe 2! Dies ist eine Schande, und ein direktes Resultat des schleichenden sozialpartnerschaftlichen Niedergangs. Hier konnten wir trotzdem wichtige Schritte nach vorne machen: Wir sind noch vor den Freiheitlichen und ÖVP-nahen Gewerkschaften auf Platz 3 bei den Gewerkschaftswahlen der Hauptgruppe 2. Dies, obwohl wir an nur einem Haus aktiv sind und unsere Ressourcen auf die Klinik Ottakring konzentrieren mussten.
Die Jungen wollen kämpfen
Besonders erfreulich ist, dass wir dort, wo wir präsent sind, unter den Auszubildenden der Pflege sehr stark abschneiden konnten! Auf diese KollegInnen wollen wir in Zukunft setzen, um den Funken des Klassenkampf in alle Spitäler zu tragen. Unser Auftrag ist klar: Es braucht unsere Arbeit im ganzen Sektor. Wir werden geduldig Betriebsgruppen herausbilden, um unserem Anspruch gerecht zu werden: DEN oppositionellen Pol in der HG2 – younion zu bilden und zu stärken. Denn die kommende stürmische Zeit wird der wiedergewählte sozialpartnerschaftliche Kurs nicht lösen können. Werde aktiv mit uns!
(Funke Nr. 224/30.05.2024)