Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA läuft auf Hochtouren. Noch ist unklar, wer gewinnen wird – Verlierer werden aber in jedem Fall die amerikanischen Arbeiter sein, denn sie haben keine Partei. Von Willy Hämmerle.
Über die realen Probleme der Arbeiterklasse spricht in diesem Wahlkampf kaum jemand. Joe Biden gaslightet die Nation, indem er sich in seiner „State of the Union“-Rede Anfang März als Held der kleinen Leute präsentierte. Er, der seit über 50 Jahren fester Teil des politischen Establishments ist, prahlte damit, „Big Pharma“ und die Immobilienhaie „endlich besiegt“ zu haben, kündigte Steuern für die Großkonzerne an und übte leise Kritik am israelischen Regime.
Seine Bilanz vom Zustand der USA ist durchwegs positiv. Aber die Realität sieht anders aus. Für große Teile der Bevölkerung fällt der Lebensstandard, während er – abgesehen von einer winzigen Minderheit, die immer reicher wird – für den Rest stagniert. 78% der US-Amerikaner glauben nicht, dass das Leben ihrer Kinder besser sein wird als ihres. Steigende Preise, die Krise im Gesundheitssystem, psychische Erkrankungen, hohe Schulden, Zukunftsängste und ein zunehmendes Gefühl der Entfremdung setzen der Arbeiterklasse zu.
Die herrschende Klasse in den USA ist tief gespalten und wird sich in kaum einer zentralen Frage noch einig – außer darin, dass die Arbeiter für die Krise selber bezahlen sollen. Nach monatelangem Stillstand wurde erst kürzlich ein längerfristiges Budget verabschiedet, das nun die staatliche Finanzierung bis Ende September festlegt. Über 70 % dieses Pakets gehen allein für militärische Ausgaben drauf. Mehr Gelder gibt es auch für den Grenzschutz und Anhaltelager für Einwanderer. Gekürzt wird dafür in nahezu allen anderen Bereichen, so etwa auch bei den Zahlungen an das Palästina-Hilfswerk der UNO, die bis 2025 komplett gestrichen wurden. Das sind die Prioritäten der Herrschenden und der Status quo, den Biden für den richtigen Weg hält.
Um darüber hinwegzutäuschen, dass die Bedürfnisse der Arbeiterklasse in den Erwägungen der Bürgerlichen keine Rolle spielen, steht die Spaltung voll im Zentrum der Debatte. Trump und seine Anhänger positionieren sich demagogisch „gegen die Eliten“, hetzen in ihren Reden aber in erster Linie gegen Minderheiten, Ausländer und LGBT-Personen. Das gibt den Demokraten die Möglichkeit, sich als progressive Verteidiger der Unterdrückten zu inszenieren. Es ist purer Zynismus: Derselbe Biden, der immer für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts war, gibt sich heute als Vorkämpfer für Frauenrechte.
Bidens Präsidentschaft soll angeblich eine Rückkehr zur Normalität sein. „Normal“ sind im Krisenkapitalismus aber vor allem ständige Angriffe auf die Arbeiter und immer neue Schocks, die die politische Stabilität weiter untergraben, so wie die unerschütterliche Unterstützung für Israels brutalen Krieg gegen die Palästinenser in Gaza. Deshalb betont Biden im Einklang mit dem bürgerlichen Medienapparat die autoritären Tendenzen und die damit einhergehende „Gefahr für die Demokratie“, die von den Republikanern und Trump ausgehe. Um Biden als ‚kleineres Übel‘ schmackhaft zu machen, muss das ‚größere Übel‘ möglichst gefährlich erscheinen.
Das ist auch der Grund, wieso Trump in über 100 Anklagepunkten vor verschiedenen Gerichten angeklagt wurde und sich zumindest vier Strafprozessen stellen muss. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein ehemaliger US-Präsident vor Gericht gestellt wird – nicht weil es nicht genug andere Ex-Präsidenten gäbe, die sich der Korruption, Kriegsverbrechen oder anderer Vergehen schuldig gemacht hätten. Aber er ist eine Gefahr für die Stabilität und sprengt mit seiner ‚offenen Art‘ den akzeptablen Rahmen der bürgerlichen Politik. Trump nutzt diese Prozesse seinerseits, um weiter demagogisch am verbreiteten „Anti-Establishment“-Gefühl anzudocken.
Für die Arbeiter gibt es bei dieser Wahl nichts zu gewinnen. Das drückt sich auch darin aus, dass der unabhängig antretende Robert F. Kennedy Jr. mit bis zu 20 % die höchsten Umfragewerte eines unabhängigen Kandidaten seit mehr als 40 Jahren erzielt. Er hat keine Lösungen anzubieten, spricht aber zumindest die tatsächlichen Probleme in der Gesellschaft offen an, und untergräbt damit weiter den Status quo.
Vor allem zeigt sich die Wut der Arbeiterklasse aber im zunehmenden Klassenkampf in den Betrieben und auf der Straße. 2023 beteiligten sich fast viermal so viele Arbeiter an „großen Streiks“ (mit mehr als 1000 Streikenden) als im Vorjahr, mit großen Streiks in der Automobilindustrie (ca. 53.000 Arbeiter streikten über sechs Wochen) oder im Gesundheitsbereich (75.000 Streikende bei „Kaiser Permanente“). Millionen sind gegen den US-Imperialismus und in Solidarität mit den Palästinensern auf die Straßen gezogen, während die Regierung das Gemetzel in Gaza mit Geld und Waffen unterstützt. Keine einzige politische Formation kann dieser Stimmung in der Gesellschaft einen organisierten Ausdruck geben. Deshalb gründeten unsere Genossen in den USA Anfang März die „Revolutionary Communists of America“, um die zehn- und hunderttausenden noch unorganisierten Kommunisten zu finden und den Grundstein für die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse zu legen.
(Funke Nr. 222/27.03.2024)