Jeder, der einkaufen geht, weiß: Die Teuerung bei den Lebensmitteln, vor allem bei den Grundnahrungsmitteln, ist viel höher als die offizielle Inflationsrate. Willy Hämmerle analysiert die Mechanismen im österreichischen Lebensmittelhandel.
Das günstigste Kilogramm Mehl kostet momentan 0,75€, Ende 2021 bezahlte man dafür noch 0,39. Ein Kilogramm Nudeln liegt bei 1,29 (Ende 2021: 0,78), Rapsöl kostet 2,19 (2021: 1,49) und für ein Kilo Kartoffeln muss man derzeit mindestens einen Euro hergeben, 2021 waren es noch ca. 50-55 Cent. Dazu sei angemerkt, dass diese Zahlen nur das billigst mögliche Angebot abbilden, und die Preise im Oktober tendenziell schon etwas gesunken sind. (Daten: heisse-preise.io)
In unserer letzten Ausgabe analysierten wir, dass der wesentliche Teil der Inflation auf eine Erhöhung der Profitraten der Unternehmen zurückzuführen ist. Das trifft wohl auch auf den Lebensmittelhandel zu. In Österreich dominieren im Wesentlichen zwei Konzerne den gesamten Markt: Spar und Rewe (Billa, Penny, Adeg) haben zusammen fast 70% Marktanteil. Einen kleineren Sektor bedienen die Discounter Hofer und Lidl (zusammen 25%).
In einer so hochkonzentrierten Branche stellt sich die Frage nach Preisabsprachen schon fast von selbst. Tatsächlich mussten sowohl Spar als auch Rewe in der jüngeren Vergangenheit saftige Kartellstrafen bezahlen. Spar wurde 2014 wegen Preisabsprachen mit der Molkereiindustrie zu einer Strafe von 30 Millionen Euro verurteilt, Rewe bezahlte ein Jahr davor 20,8 Millionen.
Die Regierung und die für die Untersuchung solcher Monopolstellungen eigentlich zuständige Bundeswettbewerbsbehörde reagieren auf die extreme Teuerung der letzten beiden Jahre im Grunde gar nicht. Im Mai kündigte Wirtschaftsminister Kocher bloß ein „Preisvergleichsportal“ an, allerdings, weil das alles nicht so einfach sei und Monate dauern würde, erst im Herbst. Findige Softwareentwickler erstellten daraufhin kurzerhand einfach selbst solche Preisvergleichsportale. Ganze zwei Stunden Arbeit stecken laut Mario Zechner, dem Entwickler von „heisse-preise.io“, in der ersten Version seiner Seite. Mittlerweile stehen ihm historische Daten über die Preisentwicklungen der letzten Jahre zur Verfügung. Das macht es ihm möglich, umfangreiche Analysen anzustellen, die er laufend auf Twitter (@badlogicgames) veröffentlicht.
Diese werfen ein Licht auf die Praxis der Lebensmittelhändler. Zahlreiche Produkte kosten überall exakt gleich viel. Gibt es eine Preisentwicklung, ziehen die anderen im Regelfall spätestens innerhalb von 48 Stunden nach. Der „Leitindex“, an dem sich die Preise orientieren, sind hier die Eigenmarken von Spar (S-Budget) und Rewe (clever). An jeder Supermarktkassa finden wir einen Zettel, auf dem die Konzerne versprechen, hart mit ihren Lieferanten zu verhandeln, Preissenkungen sofort an die Kunden weiterzugeben und gnädigerweise sogar auf einen Teil ihrer Gewinnspanne zu verzichten. Die Preisbewegungen zeigen ein ganz anderes Bild: Die großen Player koordinieren offensichtlich ihre Preise, wenn sie sich wohl auch nicht direkt absprechen.
Lidl witterte seine Chance und senkte für Oktober die Preise für zahlreiche Grundnahrungsmittel um 10%. Begleitet wird diese Aktion mit einer Marketingkampagne, in der das Unternehmen das als symbolische „Streichung der Mehrwertsteuer“ bezeichnet und von der Regierung einfordert, die MwSt tatsächlich auszusetzen. Justament senkten auch die anderen Händler ihre Preise – ein weiteres Indiz dafür, dass die „sofortige Weitergabe von Preissenkungen“ nichts weiter als heiße Luft ist. Bei den Profiten im Handel wäre also prinzipiell was zu holen – auch was die Löhne der Angestellten betrifft. Anstatt das zu thematisieren, bedankte sich ÖGB-Chef Katzian bei Lidl, der mit seiner Aktion ein „Vorbild im Kampf gegen die Teuerung“ sei. Das kommt dabei heraus, wenn man als Gewerkschaft auf Sozialpartnerschaft statt auf Klassenkampf setzt.
Grenzgänger wissen, dass trotz der aktuellen Preissenkungen die Lebensmittel und generell die Güter des täglichen Bedarfs in Deutschland tendenziell billiger sind als bei uns, und das obwohl weitgehend die gleichen Rahmenbedingungen (Steuern, Lohnkosten etc.) herrschen. Das belegen auch eine Studie der Arbeiterkammer und die Zahlen von heisse-preise.io. Kurioserweise betrifft das sogar Produkte, die in Österreich hergestellt werden. Auch hier ist ein wesentlicher Faktor die starke Konzentration des Marktes. Zahlreiche Filialen von Pleite-Unternehmen (Konsum, Zielpunkt, Meinl) landeten schlussendlich fast immer bei Spar oder Rewe, die sich nun harte Kämpfe um jede Gemeinde liefern. Die Supermarktdichte ist in Österreich daher ungewöhnlich hoch. Mit 60 Lebensmittelgeschäften pro 100.000 Einwohnern ist das Filialnetz 50% dichter als in Deutschland und ca. doppelt so dicht wie im Rest von Europa. Diese Materialschlacht kostet viel Geld und spiegelt sich in den Preisen wider.
Welche Teile der Preise aber jeweils auf Einkaufspreise, Betriebskosten und den Profit entfallen, ist bis auf die Geschäftsleitungen der Handelsunternehmen für niemanden nachvollziehbar. Selbst ÖVP-Mandatare müssen im Parlament (Joachim Schnabel in der Sitzung vom 23.05.) beklagen, dass die Preisgestaltung völlig intransparent ist. Kommunisten fordern daher die Öffnung der Geschäftsbücher, damit die Machenschaften der Konzerne offen auf dem Tisch liegen und von den Belegschaften und der Gesellschaft kontrolliert werden können. Als unmittelbare Maßnahme gegen die Teuerung braucht es Preisobergrenzen für die wichtigsten Güter des täglichen Bedarfs – festgelegt und durchgesetzt von den Vertretern der Arbeiterbewegung. Wir sind uns sicher, dass die Unternehmensprofite hier noch einiges an Spielraum bieten. Letztlich stellen wir uns allerdings die Frage, was die Grundversorgung überhaupt in privater Hand zu suchen hat. Die Verstaatlichung der großen Handelskonzerne und der Lebensmittelproduktion unter Arbeiterkontrolle ist eine Voraussetzung dafür, die Bedürfnisse aller zu decken, die Güterverteilung rational zu organisieren und nebenbei der Bauwut sinnloser Supermarktfilialen (inklusive immer weiterer Bodenversiegelung) ein Ende zu bereiten.
(Funke Nr. 218/25.10.2023)